Das Belgrad-Abenteuer der Bayern-Fans

War die Mitfahrerzahl nach Düsseldorf noch echt überschaubar, hielt die Aussicht, den FC Bayern im Marakana spielen zu sehen, keinen auf den Bänken und am Ende rollten alleine von den Gruppen der Südkurve 11 Busse. Dazu kamen noch einige Fanclubs und sogar ein ganzer Bus von unseren Freunden aus Jena, die sich ebenfalls dem Konvoi anschlossen.

Hoffnungen darauf, von der erlebenswerten Stadt Belgrad auch was zu sehen, machten wir uns keine. Basierend auf den Erfahrungen von vor 12 Jahren und den Berichten anderer deutscher Fanszenen stellten wir uns auf einen längeren Aufenthalt an der Grenze ein. Dem war dann auch so, einzelne Busse waren vorher zwar schon durchgeschlüpft, aber beim Konvoi wurde dann einmal das ganze Programm aufgefahren. Zumindest beim ersten Bus, wo sogar Rucksäcke ausgeleert wurden, um auch sicher allen Alkohol zu konfiszieren. Vermutlich machten sich dann die Vorgesetzten der Grenzer so langsam vom Acker, denn irgendwann wurden nicht mal mehr alle Bierkästen aus dem Bus geladen. Ein allzu strenges Grenzregime herrschte also keinesfalls und auf dem Rückweg bekam man sogar den absoluten Großteil der Getränke wieder. Betriebsfest haben die Zöllner also nicht gefeiert oder wenn dann nur ein ganz mieses, dementsprechend waren sie auf dem Rückweg auch drauf.

Aber bis dahin sollte es ja noch etwas dauern: Die Karawane setzte dann nach Abfertigung des letzten Buses ihren Weg nach Belgrad fort. Das hatte dann wie schon 2007 wieder was Cooles, in Kolonne in eine solch quasi-mythische Stadt einzurollen, vorbei am Genex-Turm, den ersten Delije-Malereien und dem Gedenkgraffiti für Tomas Ceman, einem Fan von Spartak Trnava, der hier 2011 bei einem Unfall sein Leben verloren hatte. Die Bullen versuchten im dichten Feierabendverkehr eine Spur für uns freizusperren, was mehr oder weniger gelang und die anderen Autofahrer natürlich eher genervt haben dürfte. Trotzdem war die Begrüßung in der Stadt erschreckend freundlich. Es dauerte ewig, bis es mal die ersten Stinkefinger und Halsabschneider gab. Vorher war uns schon x-Mal zugewunken worden. Gehen wir einfach mal davon aus, dass das nette Willkommensgrüße von Partizanfans waren. 2002 ist ja schon wieder ein bisschen her.
Zielstrebig steuerten wir auf das Stadion zu. Irgendwie verpassten die Cops dann aber mal die richtige Abbiegung und plötzlich standen wir auf dem Parkplatz neben dem Stadion von Rad Beograd, die von der United Force unterstützt werden. Einer Gruppe mit politisch ziemlich zweifelhaftem Ruf.

Für uns war derweil erstmal warten auf weiteres angesagt. Kommunikation gehörte nicht unbedingt zur Stärke der serbischen Ordnungshüter. Logischerweise spekulierten wir deshalb ein bisschen. Parken die uns hier einfach zwischen oder gibt es Shuttlebusse? Dürfen wir vielleicht sogar laufen? Das wäre natürlich der absolute Oberhit gewesen. Selbst wenn es sicher keine belebten Straßen waren, über die wir gelaufen wären. Ein Corteo durch Belgrad wäre schon nochmal ein Highlight gewesen…. Am Ende warteten wir aber nur auf die Shuttlebusse vom A-Jugendspiel. War das Polizeiaufgebot bis dahin schon beträchtlich gewesen und auf den letzten paar hundert Metern immer wieder 4er und 5er Gruppen herumgestanden um den Raum zu decken, trieben es die Serben jetzt richtig auf die Spitze. Keine Erinnerung, ob es 2007 nicht noch mehr Bullen waren, aber was da vor dem Stadion stand „wow“!

Am Eingang war es dann eigentlich relativ entspannt. An Material war ja eigentlich alles erlaubt und auch wenn sich die Ordner immer nochmal mit ihrem Oberboss absprachen, war das für Europapokalverhältnisse eigentlich fast schon effizient und die Ordner entschuldigten sich sogar dafür, dass sie die Fahnen ein zweites Mal kontrollierten. Nur bei den Körperkontrollen, da hatte der Spaß ein Loch. Am Anfang war es wohl noch lockerer, aber für manche war es „the closest thing to an intimate massage without being actually an initmate massage“ wie es der Engländer sagen würde.
Drinnen wurden dann die Zaunfahnen an einer Wäscheschnur angebracht, die Fahnen verteilt und schon konnte es losgehen. Auf der Heimseite startete die Nordkurve nicht nur mit einem „Deutsche Schweine“-Wechselgesang, sie zeigten auch eine Choreo. Zu sehen gab es ein „Erdbeermuster“ und das Konterfei von Marko Ivkovic, der vor 5 Jahren im Rahmen eines Basketballspiels in Istanbul erstochen wurde. Später folgte noch ein Spruchband für ihn.

Insgesamt – da dürfte weitgehende Einigkeit herrschen – war die Atmosphäre 2007 beeindruckender. Dafür fallen spontan drei Gründe ein: a) der Spielverlauf war halt damals komplett anders, da brauchten wir einen Toni Kroos, um in den letzten Minuten das Spiel noch zu drehen. Diesmal hätte Lewangolski wohl alleine gereicht um den Roten Stern zu versenken. Eine sehenswerte Vorstellung war das von unserer Mannschaft. b) im größeren Gästeblock zur Haupttribüne hin, war man diesmal vor Wurfgeschossen recht gut geschützt. Kassenrollenchoreo hätte es ja aber eh keine gegeben. c) die Eintrittspreise waren für serbische Verhältnisse ja schon beim letzten Spiel horrend, diesmal schossen sie aber wirklich durch die Decke. Bei einem Ligaspiel wird man hier kaum mehr als einen Zehner für eine Haupttribünenkarte abdrücken müssen. Bei einem Durchschnittseinkommen von ca. 500 Euro (und wie gesagt wir reden hier von Durchschnitt, da liegen sehr viele Leute deutlich drunter), schlägt eine Eintrittskarte für 50 Euro natürlich schon eine gewaltige Kerbe ins Haushaltsbudget und damit sind dann viele auch einfach raus, weil andere Ausgaben vorgehen müssen. Trotzdem legte die Sever natürlich einen Auftritt hin, den man mit deutschen Maßstäben eigentlich gar nicht messen kann. Kranke 100% Beteiligung bei Klatschrhythmen, Hüpfeinlagen die quasi synchron über die ganze Kurve starteten. und die kehligen und doch melodiösen Gesänge, die es trotz Gegenwind regelmäßig zu uns rüber schafften. Nach dem 5:0 legten sie dann nochmal richtig los und konnten auch den Rest des Stadions ein paar Mal gescheit motivieren. Bemerkenswert auch, dass eigentlich das komplette Stadion über die vollen 90 Minuten stand.

Wir selbst hatten nicht die allerbesten Voraussetzungen. Hohe, eher schmal geschnittene Blöcke scheinen nicht so unser Ding zu sein. Da ist die Koordination schwierig, man hört das Megaphon nicht weit etc. pp. Noch dazu, habe ich immer das Gefühl, dass es die wenigsten Leute wirklich genießen an einem solchen geschichtsträchtigen Ort die eigenen Lieder singen zu dürfen. Eine Argumentation a la „Wir müssen uns hier heute gut verkaufen“ mag zwar manchmal seine Berechtigung haben, aber eigentlich geht’s doch um eine intrinsische Motivation, darum Spaß zu haben, darum dass es einem auch was gibt, die eigenen Farben in Europa hochzuhalten. Das ist sicher einfacher, wenn man keine knapp 24-stündige Anreise hinter sich hat, das darf man auch nicht vergessen und es war jetzt auch alles andere als eine Katastrophe. Gerade in der zweiten Halbzeit, angefeuert von der feinen Pyroshow bei der fast über den gesamten Block die Lichter angingen und den Belgrader Nachthimmel beleuchteten, legten wir bei Zombie Nation und „Auf geht‘s ihr Roten Stolz uns‘rer Stadt“ zur Melodie von Wonderful Days. Unterlegt mit einzelnen Fackeln und Blinkern machte das zeitweise übelst Laune. Mit „Wir wollen unser Bier zurück“ wurde von oben dann noch ein guter Einschub gebracht, der auch bei daheimgebliebenen Anklang fand, wie man am nächsten Tag im Internet lesen konnte.

WIR HOLEN DEN LANDESMEISTERCUP!

Nachdem wir zum Ende die recht euphorisiert wirkende Mannschaft verabschiedet hatten, blieben dann noch anderthalb Stunden für den üblichen Schabernack für den dann teilweise auch die jungen Ordner im Innenraum herhalten mussten. So verging immerhin die Zeit.
Als sich die Tore dann endlich öffneten, konnte man den Blick nochmal durch das Rund schweifen lassen, sah im Hintergrund die Kathedrale des Heiligen Sava leuchten und durfte sich freuen mal wieder bei einer erinnerungswürdigen Europapokalnacht dabei gewesen zu sein.
Die 16 Stunden bis nach Hause saßen wir dann auch locker auf einer Arschbacke ab. Lediglich der Versuch der Bullen uns erstmal über einen weniger genutzten Grenzübergang, der allerdings seit Stunden geschlossen war und auch nicht direkt wieder öffnen würde, sorgte für Erheiterung und machten den Song „Wir wollen unser Bier zurück“ auch gleich nochmal topaktuell. Da wir dann die übliche Grenzstation ansteuerten, kamen unsere Hopfenkaltschalen tatsächlich zurück in die Laderäume der Busse. Die Laune der Obergrenzerin war aber derart mies, dass es sich grade für die hinteren Busse zog wie Kaugummi und immer mal wieder jemand in Uniform schreiend am Fenster unserer Busfahrer auftauchte.
Ein Dank geht raus an die Freunde aus Bochum, Bordeaux, Hamburg und Jena für ihre Präsenz an diesem Abend und auf allen Wegen.

Veröffentlicht von gastautorfcbtotal

Gastautoren von FC Bayern Total

2 Kommentare zu „Das Belgrad-Abenteuer der Bayern-Fans

  1. Wahnsinn, Petersgradmesser expandiert! Wünsch dir bestes Gelingen und maximalen Erfolg!

    Wie schon auf der anderen Seite geschrieben: Jetzt weiß ich gar nicht mehr so recht, wo ich kommentieren soll 😉

    Scheint aber so, als wäre ich der erste, der dies hier überhaupt tut! 😉

  2. Lieber Derbysieger (2020);

    schön, Dich auch auf dieser Seite begrüßen zu dürfen.

    Gerne darfst du auf beiden Seiten kommentieren. Die FC Bayern Total Seite wird aber hoffentlich sehr bald regelmäßig viel mehr Inhalte als Petersgradmesser haben.

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