HEUTE VOR 25 JAHREN – TRAPATTONIS WECHSELFEHLER

Die Kurt Landauer Stiftung berichtet auf ihrer Facebookseite Kurt Landauer Stiftung von der vielleicht kuriosesten Geschichte der FCB-Bundesliga-Historie:

Am 15. April 1995, heute vor genau 25 Jahren – gewinnt der FC Bayern im
Frankfurter Waldstadion mit 5:2 und verliert doch.

Mit noch mehr Bauchschmerzen als auf den damals allseits gefürchteten Kaiserslauterer Betzenberg fuhren die Bayern im vergangenen Jahrhundert nur ins Frankfurter Waldstadion. Als sie dort im April 1995 zum bereits 30. Mal in der Bundesliga aufkreuzten, hatten sie erst vier Siege verbucht. Ob Beckenbauer, Breitner, Rummenigge oder Effenberg aufliefen – zumeist gab es auf die Mütze. Da nutzte die Favoritenrolle gewöhnlich gar nichts, gegen die Bayern lief die Eintracht immer zur Höchstform auf.

Und da die Bayern 1994/1995 unter ihrem Trainer Giovanni Trapattoni nur auf Platz sechs standen und von den vergangenen sieben Partien – bei fünf Remis – nur eine gewonnen hatten, stand keineswegs zu erwarten, dass sie an diesem Tag einen hohen Sieg erringen würden. Schon gar kein 5:2. Doch das Resultat das nach 90 Minuten von der Anzeigetafel flimmerte, ging nicht in die Statistiken ein – dafür als Randnotiz ins Kuriositätenkabinett der Bundesliga. Auch in diesem Spiel gingen die Punkte wieder an die Eintracht, ohne dass die viel dafür konnte. Was war geschehen?

Wie so oft liefern sich die Rivalen einen packenden Kampf, Bayern geht durch Markus Schupp früh in Führung (6.), dann schlägt die Eintracht durch Jay-Jay Okocha (14.) und Thomas Reis (41.) zurück. Mit dem Pausenpfiff gleicht Marcel Witeczek aus, und als Christian Ziege nach Vorarbeit von Mehmet Scholl auf 3:2 stellt (48.), steuern die Bayern auf Siegkurs. Trotz großer Personalprobleme. Nur 12 Profis stehen auf dem Spielbericht, auf dem Platz sind es nur neun. Die Amateure Sven Scheuer, der Oliver Kahn vertritt, und Sammy Kuffour schließen die Lücken. Nach 25 Minuten humpelt Thomas Helmer vom Platz, mit Marco Grimm kommt der dritte Vertreter der eigenen Amateurabteilung zum Einsatz. Es ist sein Bundesligadebüt, ein kurioses dazu, wie sich später herausstellen soll.

Um 16.45 Uhr schickt Trapattoni seine Reservisten zum Warmlaufen, einmal darf er noch wechseln, und es gilt den Vorsprung zu sichern. Nach weiteren elf Minuten entscheidet er sich dafür, Stürmer Marcel Witeczek aus dem Spiel zu nehmen. Alain Sutter und Michael Sternkopf müssen wieder auf die Bank, er bringt den defensivsten, den er hat: Dietmar Hamann. Der jedoch ist der einzige, den er nicht einsetzen darf, denn auch Hamann ist Amateur. Und mehr als drei Amateure sind nur nach vorheriger Sondergenehmigung erlaubt.

Bayerns Pressechef Markus Hörwick erkennt das Unheil und eilt von der Tribüne nach unten. Er kommt jedoch zu spät, um 16.57 Uhr wird Hamann eingewechselt. Ab Spielminute 73 ist das Spiel für die Bayern damit verloren, was Eintracht-Manager Bernd Hölzenbein eher merkt als Kollege Uli Hoeneß. „Du, wie viele Amateure haben die Bayern denn auf dem Platz?“ fragt er einen Reporter und erhält die befriedigende Antwort: „Vier und damit einen zuviel.“ Das Spiel läuft noch, da muss der damalige DFB-Pressechef Wolfgang Niersbach auf dem Weg zu seinem Auto schon Regelfragen beantworten, denn das Gerücht von Trapattonis Wechselfehler macht schon die Runde.

Niersbach stellt klar: „Der Antrag auf eine Sondergenehmigung muss vor jedem Spiel gestellt werden.“ Und den, gesteht Bayerns Geschäftsführer Karl Hopfner, „haben wir nicht gestellt“. Nur auf dem Platz hat das Missgeschick noch keiner registriert, die Bayern schießen noch zwei Tore durch Dieter Frey (80.) und Alexander Zickler (83.) und jubeln nach dem Abpfiff von Schiedsrichter Eugen Strigel. Es war der höchste Sieg, den sie je im Waldstadion eingefahren hatten – glaubten sie jedenfalls. Komisch kommt ihnen nur vor, dass die Führung einen Maulkorb verhängt und sie in die Kabine winkt. Bloß keine unbedachten Interviews geben jetzt.

Um 17.45 Uhr gibt Giovanni Trapattoni dann seinen Fehler zu, Uli Hoeneß lässt ihn nicht im Regen stehen: „Das ist menschliches Versagen. Es ist auch meine Schuld und die von Klaus Augenthaler. Und peinlich ist es allemal.“

Wir erinnern uns noch genau an den damaligen Stadionbesuch, in Zeiten wo kaum einer der Zuschauer ein Handy hatte und sich der Wechselfehler unter den Fans durch Radiomeldungen nach und nach erst auf dem Weg zum Bahnhof oder auf dem
Parkplatz nach dem Spiel herumgesprochen hatte, aber keiner es auf Anhieb glauben wollte…

Noch waren die Punkte nicht weg, aber da Eintracht Frankfurt sofort Protest einlegt, geht alles seinen vorgeschriebenen Weg und das Spiel wird mit 2:0 für Frankfurt gewertet.

Von diesem kuriosen Spiel haben wir die “entscheidende Einwechslung” von Dietmar Hamann für euch, die alte Autogrammkarte von Marco Grimm, der damals sein erstes und einziges Spiel für die Profis des FC Bayern absolvierte sowie Eintrittskarte und Programm.


Leider hat FC Bayern Total nicht die Bildrechte dieses Beitrags. Nur die „kuriose“ Autogrammkarte von Marco Grimm ist bedenkenlos zu übernehmen.


Kommentar FC Bayern Total zu den damaligen Vorkommnissen: Natürlich hätten die Bayern das Regelwerk kennen müssen. War dieses jedoch wirklich sinnvoll und intelligent? Und waren die wirklich Blamierten nicht eigentlich die späteren Sieger am grünen Tisch? Zuhause gegen eine Mannschaft mit 4 Amateuren mit 2:5 verlieren? 🤔😆

Veröffentlicht von gastautorfcbtotal

Gastautoren von FC Bayern Total

14 Kommentare zu „HEUTE VOR 25 JAHREN – TRAPATTONIS WECHSELFEHLER

  1. Da kann ich ein bisschen fachlichen Senf beisteuern. Der eigentliche Skandal kam nämlich etwas später:

    Wie Du richtig schreibst, Eintracht hatte damals Protest gegen die Spielwertung eingelegt. Nur deshalb konnten die DFB-Sportgerichte überhaupt tätig werden (das ist anders als bei nachträglichen Sperren einzelner Spieler). Das Verfahren zog sich einige Wochen. Irgendwann hat Eintracht dann gemerkt, dass ihnen der Protest gar nicht mehr viel bringen wird, und sie haben ihn zurückgezogen. Trotzdem hat das DFB-Sportgericht einfach weitergeurteilt und das Spiel, gegen dessen Ausgang Frankfurt gar nicht mehr protestiert hatte, gegen Bayern gewertet. Das Urteil wurde damals sogar veröffentlicht, in einer sportrechtlichen Fachzeitschrift. Ich weiß es noch wie heute, zum zurückgenommenen Protest stand da nur ein Satz: „Im Interesse des Wettbewerbs“ komme es auf die Rücknahme nicht an.

    Es ist selten, dass man so krass interessengerichteten Quatsch zu lesen bekommt. Der „Wettbewerb“ hätte es doch auch hinnehmen müssen, wenn Frankfurt gar keinen Protest eingelegt hätte (oder wenn dabei ein Formfehler passiert wäre, z.B. wenn er durch die falsche Person unterschrieben worden wäre).

    Es war schon damals so – wenn es gegen Bayern ging, hat plötzlich die ganze Liga zusammengehalten.

    Bayern hat sich in diesem Jahr als Sechster mit Ach und Krach für den Uefa-Cup qualifiziert, und auch das nur weil Gladbach den DFB Pokal gewonnen hatte. Als Bayern dann im Jahr drauf den Cup gewonnen hatte, fanden es alle „schön für den deutschen Fußball“.

    1. Danke für den sehr ausführlichen interessanten Kommentar.

      Ja, da kommt wieder einiges hoch.

      Schöner letzter Spieltag – ok, der BVB wurde zum Meister gemacht )-:

      Und wir waren uns beim Werder-Spiel alle sicher, dass der VfB im Pokalfinale den Zweitligisten Wolfsburg schlagen würde (der im VF glücklich bei den FCB Amateuren gewonnen hatte).

      1. Du könntest, wenn Du Zeit haben solltest, mal einen Artikel zu den damaligen FCB-Amateuren schreiben. Das war eine echte „Fußball-Subkultur“. Sami Kuffour, Didi Hamann, auch ein gewisser „Roman Grill“ – grandiose Kicker und der Trainer hieß Hermann. Ich denke mal, die damalige „Zweite“ hatte deutschlandweit mehr Sympathien als unsere „Profis“.

        Für mich VÖLLIG unverständlich, dass der DFB – in einem Akt grandioser Vereinsmeierei – kurz danach die „Zweitvertretungen“ aus dem Pokal gedrängt hatte.

      2. DFB Pokal 1995:
        Zickler hat damals auch regelmäßig im DFB Pokal mitgespielt … und natürlich Hansi Pflügler.

        Ich war selbst beim Achtelfinal-Spiel gegen den VfB Stuttgart (7:6 n.E.) im Stadion (stimmt, somit scheidet der VfB als Finalteilnehmer aus 😉 ) und auch beim unglücklichen Viertelfinal-Aus gegen den VfL Wolfsburg. Die Amateure genossen sicherlich Sympathien, ob aber bundesweit?

        Mit der Einführung der 3. Liga zur Saison 2008/09 wurde die Teilnahme von Zweitmannschaften von Lizenzvereinen am Pokal ausgesetzt. Seitdem darf grundsätzlich nur eine Mannschaft eines Vereins bzw. einer Kapitalgesellschaft am DFB-Pokal teilnehmen.

        Eigentlich sehr schade – und nicht nur wegen der Amateure des FCB.
        Seit der Entscheidung, alle Endspiele im Berliner Olympiastadion stattfinden zu lassen, gab es nur ein einziges Berliner Heimspiel: 1993 – das der Hertha AMATEURE!

      3. Es wäre mal interessant, die Nachwuchskonzepte in den einzelnen Ländern zu vergleichen. In Spanien dürfen die „Zweitvertretungen“ ja sogar zweite Liga spielen (und wie viele Spieler sind dann erlaubt, die älter sind als 23?). Und ganz ehrlich, ich würde mal, ohne groß zu recherchieren, behaupten, dass Real Madrid in den letzten 10 Jahren mehr Nachwuchsspieler in die erste hochgezogen hat als Bayern ..

      4. Haha, sehr schön, welche Themen sich aus einem Wechselfehler vom Trap vor einem Vierteljahrhundert(!) heute ergeben 😉

      5. „Und ganz ehrlich, ich würde mal, ohne groß zu recherchieren, behaupten, dass Real Madrid in den letzten 10 Jahren mehr Nachwuchsspieler in die erste hochgezogen hat als Bayern ..“

        War das jetzt eine Aufforderung, hier zu recherchieren? 😉
        Aufgrund der Tatsache, dass sie sich in einem Weltklassekader behaupten müssen, haben sich in den letzten 10 Jahren wohl bei Madrid und Barca ebenso wenig Nachwuchsspieler (nachhaltig) behaupten können wie beim FC Bayern.

        Aber bzgl. FCB Campus sollten wir optimistisch sein: Zirkzee … OBM .. Lasse Günther … schaun mer mal!

      6. Wenn man bei transfermarkt schaut ist es schon interessant, wie viele aktuelle Kaderspieler von Real Madrid mal bei „Real Madrid B“ oder „Real Madrid C“ waren. Lucas Vazquez und Daniel Carvajal sind schon Leute, die man kennt. Ich denke, Real hat da einfach einen Vorteil. Sie entwickeln die Spieler bei „Real Castilla“ bis sie ca. 20, 22 Jahre alt sind, geben sie erst dann leihweise an andere Vereine ab und bekommen am Ende einen fertigen Spieler zurück. Das ist in dieser Form bei uns nicht möglich. Sobald die Jungs 18, 19 Jahre alt sind müssen sie eigentlich weg von Bayern. Wenn ein Spieler zweite Liga spielen soll (wie aktuell Adrian Fein) muss er verliehen werden.

        Und dass es mit Renato Sanches nix geworden ist liegt vielleicht auch daran, dass die Zweite damals vierte Liga gespielt hat ..

  2. Der eigentliche Skandal war ja eigentlich gar nicht mal die sportrechtliche Verfahrensweise, sondern das erbärmliche Verhalten der Eintracht, sich von einer Jugend/Amateurtruppe herspielen zu lassen und dann Protest einzulegen, weil das ja soooo unfair ist.
    Bayern hat es ja nicht gemacht, um einen Vorteil zu erlangen, sondern das war aus der Not geboren.
    Aber dass die Eintracht nicht nur ein schlechter Verlierer, sondern auch ein schlechter Gewinner ist, wissen wir ja inzwischen eh.

    1. Auch das ist in der Tat ein Punkt. Trappatoni sagte ja nach dem Spiel, in Italien hätten sie ihn gefeiert, wenn er mit vier Amateuren ein Auswärtsspiel gewinnt. Nachvollziehbar ist es, den Einsatz von zu vielen Amateuren zu verbieten, damit nicht ein Verein das Spiel vorher kampflos abschenkt. So gesehen eine jedenfalls zu dieser Zeit bereits höchst fragwürdige Regel – es mag sein, dass das zu Beginn der BuLi noch berechtig war. Aber spätestens ab den 90ern hat sich jeder Amateur, der die Chance hatte, in der ersten Liga vor Millionen von Sportschauzuschauern zu spielen, schier zerrissen. Wenn man mit vier – nicht gemeldeten – Amateuren gewinnt, sollte man das Ergebnis akzeptieren. Auch in Deutschland – dem Land, das erst dann wirklich zufrieden ist, wenn der Spielausgang nicht von 22 Fußballern, sondern vom Schiedsrichter oder vom Sportgericht bestimmt wurde.

      Ich denke, man kann den Frankfurtern den Protest nicht vorwerfen. Sie hatten damals auch eine Chance auf eine Uefa-Cup-Qualifizierung. Den Vorteil nimmt man ebenso mit wie es Bayern zwei Jahre später bei Helmers Phantomtor tat (ääh, „versuchte“).

      Ich vermisse die damalige Zeit. Heute ist doch, mit Verlaub, die Bundesliga froh, wenn mal jemand anderes Meister werden darf. Heute gäbe es niemals so eine Situation wie damals – der FC Bayern von heute würde niemals das Risiko auf sich nehmen, sich von einem DFB-Sportgericht abwatschen zu lassen. Als es damals diese Sportgerichts“urteile“ gab – die Entscheidung zu den vier Amateuern halte ich für einen Skandal, die zu Helmers Phantomtor – Spielwiederholung – fand ich richtig – entstand doch erst der Spruch von der „Fußballmafia DfB“. Dieses „Wir gegen den Rest der Liga“, bzw. das „Euer Hass ist unser Stolz“, das ist heute leider weg.

      1. Die Beiträge und Kommentare werden hier immer informativer – dankeschön (von einem jungen Bayernfan von 22 Jahren, der das damals nicht erleben konnte 😉 )!

  3. Man kann ja nochmal einen draufsetzen:

    Was hat man sich den mit der Vorschrift gedacht, dass nicht mehr als drei Amateure zum Einsatz kommen dürfen? Der einzige Sinn und Zweck war tatsächlich, dass sich nicht eine Mannschaft schon vorher absichtlich „schwächen“ sollte (!).

    Nun ist es ja in den Champions League Gruppenspielen seit Jahren üblich, dass Teams, die bereits als Gruppenerster feststehen, in den bedeutungslosen letzten Spielen ihren Nachwuchs präsentieren. Das ist anderen Mannschaften natürlich ein Dorn im Auge, wenn deren Gegner noch in Bestbesetzung antreten. Es geht halt nicht anders. Würde man die Clubs dazu vergattern, ihre „besten Elf“ spielen zu lassen, würden die eben auch keine Verletzung riskieren – da ist es dann tatsächlich besser, wenn die zweite Reihe ihre Chance bekommt.

    Und wie ist es heute in der Bundesliga? Bei jedem Bundesligisten gibt es Nachwuchsspieler, die zwischen den beiden Teams pendeln. Das gehört zur Entwicklung der Spieler dazu und ist natürlich keine „Schwächung der eigenen Mannschaft“. Ich bin kein Fachmann im DFB-Statutenrecht. Aber ich würde mal sagen, die „Drei Amateure Regel“ wurde längst still und leise beerdigt. Und zwar absolut zu recht.

    1995 war deshalb so auffällig, weil man damals so richtig gesehen hat, wie stark einige Clubs inzwischen in den Nachwuchs investiert hatten. Die „vier Amateuere“, die Trappatoni in Frankfurt hat spielen lassen, waren eben schon vollwertige Profis. Z.B. Sami Kuffour, der damals bereits Nationalspieler von Ghana war, oder Didi Hamann, der dann sofort in die erste hochgezogen und zwei Jahre später DFB-Nationalspieler wurde. Die „vier Amateure“ waren genau die gleichen Spieler, die als Bestandteile von Bayerns „zweiter“ zuvor einen Bundesligisten nach dem anderen aus dem DFB-Pokal gekegelt hatten

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