FC Bayern Historie – Heute vor 45 Jahren: die Geburt des „Bayerndusels“

Der sog. „Bayerndusel“ – ein ebenso ärgerliches wie ausgelutschtes Thema, welches aber zum Ärgernis der Bayern und ihrer Fans immer wieder auftauchen wird. Wenn man der Süddeutschen Zeitung glauben will, hat dieses „unverschämte Glück“ der Bayern sogar eine Geburtsstunde: Heute vor 45 Jahren besiegte der FC Bayern in seinem zweiten Endspiel um den Europapokal der Landesmeister im Pariser Prinzenpark den englischen Meister Leeds United, wenn man nur die Spielanteile betrachtet, sicherlich „glücklich“ mit 2:0.

Im SZ-Beitrag aus dem Jahr 2012 SZ – Dusel, Holzpfosten und Nachspielzeit-Alpträume , in welchem vor dem „Finale dahoam“ alle Europapokalendspiele der Bayern kurz zusammengefasst wurden, steht über das Endspiel vom 28. Mai 1975 folgendes geschrieben:

„Für manche ist das Finale gegen Leeds United im Prinzenpark von Paris die Geburtsstunde des Bayern-Dusels. Die Münchner sind nach den Ausfällen von Björn Andersson und Uli Hoeneß während der Partie geschwächt, haben viel Glück bei zwei Schiedsrichterentscheidungen (Elfmeter und Abseits) und treffen wie aus dem Nichts zweimal: Roth und Müller – 2:0.“

Ja, Leeds United ist im Finale von 1975 sicherlich 70 Minuten – mehr oder weniger ungestüm und brachial – angelaufen. Auch beide beschrieben Szenen – Elfmeter und Abseits – sind noch in Erinnerung geblieben: Die von der SZ angesprochene Elfmeterszene beinhaltete einen „Kann-Elfmeter“, aber keineswegs einen „Muss-Elfmeter“ und die Abseitsbewertung war nach damaliger Auslegung absolut regelkonform und eigentlich unstrittig. Trotzdem Zustimmung zum angedeuteten Spielverlauf: Die Bayerntore wurden tatsächlich aus dem Nichts erzielt und stellten den Spielverlauf tatsächlich auf den Kopf.

Gehen wir aber auch auf die fast schon als „Nebensatz“ einzuordnende SZ-Info „Die Münchner sind nach den Ausfällen von Björn Andersson und Uli Hoeneß während der Partie geschwächt…“ ein: Natürlich waren die Bayern dadurch geschwächt, die Ausfälle passierten sehr früh in der Partie. Sepp Weiß kam bereits in der 4. Spielminute für Björn Andersson ins Spiel, Klaus Wunder in der 42. für Uli Hoeneß – und damals waren nur zwei Auswechslungen pro Spiel erlaubt. Gerade die enorme Geschwindigkeit und Konterstärke von Uli Hoeneß wären beim damaligen Spielverlauf extrem wichtig gewesen. Der spätere Bayernpräsident kam aber nie ins Spiel, weil er schon sehr früh im Spiel angeschlagen war.

Zurück zur Behauptung, dieses Endspiel wäre so etwas wie die Geburt des „Bayern-Dusels“ gewesen: Die frühen Verletzungen der beiden Bayernspieler waren einzig und allein Resultate von extrem brutalen Fouls der Engländer. Ein gewisser Terry Yorath spielte dabei eine unrühmliche Hauptrolle. Nach heutigen Maßstäben hätte es bereits in der Anfangsphase des 1975er Finals einen Platzverweis für Leeds United geben müssen, einen weiteren geben können. Und wie wäre das Spiel dann verlaufen? Einen „Schiedsrichter-Bonus“ hatten die Bayern damals ganz gewiss nicht.

Aber irgendwie beruhigend, dass bereits die „Geburtsstunde des Bayerndusels“ so etwas wie einem „Geburtsfehler“ entsprungen ist.  😉

Und viele weitere Mythen um diese „geballten Bayernvorteile“ beruhen ebenfalls auf Wahrnehmungsfehlern und Gedächtnislücken. Hier nur zwei Beispiele:

Das viel diskutierte Hummels-Endspieltor im BVB-Trikot im Jahr 2014: Der Mats erzielte dieses vermeintliche Tor nach einer falschen Freistoßentscheidung aus einer Abseitsposition. Aber wer weiß das schon noch? Lediglich die Rettungsaktion von Dante hinter der Torlinie ist in den meisten Gedächtnissen erhalten geblieben.

Saisonfinale 2001 in Hamburg: Patrick Anderssons 1:1 in der Nachspielzeit – dieser unverschämte Bayerndusel und – bonus machte Schalke zum „Meister der Herzen“, während die „Dusel-Bayern“ tatsächlich die Meisterschale stemmen durften. Dass Carsten Jancker eine Viertelstunde vor Spielende ein absolut reguläres Tor erzielte, welches völlig zu Unrecht keine Anerkennung fand – geschenkt, unwichtig, denn der Mythos muss leben.

Bevor jetzt aber irgendein FCB-Fan anfangen sollte, sich zu sehr zu ärgern, sollte er anhängende Kurzzusammenfassung des Endspiels von 1975, welche von der Facebookseite von FC Bayern Legends angeboten wird, genießen:


Titelbild: Münchner AZ vom Mai 1975, eigene Sammlung


Dazu auch der großartige Beitrag der Kurt Landauer Stiftung aus Sicht eines FCB-Fans auf Facebook:

HEUTE VOR 45 JAHREN –
EUROPAPOKAL FINALE IN PARIS

Am 28. Mai 1975 – heute vor genau 45 Jahren – stand der FC Bayern zum zweiten Mal in Folge im Endspiel um den Europapokal der Landesmeister! Vor 50.000 Zuschauern im ausverkauften Pariser Prinzenpark besiegten unsere Bayern Leeds United mit 2:0 – doch der Reihe nach…

Neben dem Spiel wollen wir heute auch ausführlich auf die Erinnerungen eines Anhängers, der in Paris dabei war, eingehen:

Aus Bayern und vielen weiteren Teilen Deutschlands reisten rund 10.000 FCB Fans nach Paris. Aus München rollte ein von der Süddeutschen Zeitung organisierter Sonderzug, dazu zahlreiche Busse und Autos in die französische Hauptstadt. 15.000 Anhänger folgten ihrem Verein Leeds United von der Insel auf den Kontinent und waren damit deutlich in der Überzahl.
Die Besatzung des Sonderzugs erreichte den Bahnhof Paris-Est in den Morgenstunden, von dort ging es für eine größere Gruppe über die Champs Élysées, später dann zum Eifelturm.

Die ersten Kontakte mit den Engländern verliefen friedlich. „Erst als ein Leeds Anhänger einen Bayernfan von der ersten Plattform am Turm schubsen wollte, kam es zu einer Rauferei, die jedoch von einem Bayernfanclub aus Steingaden schnell beendet wurde: die Jungs hatten nämlich Kuhglocken dabei und verteilten damit einige Gongs an die Briten – schon war’s ruhig“, wurde uns berichtet.

Vorm Stadion „brannte die Luft“, das Endspiel elektrisierte! In der Kurve dann die Überraschung, dass hier schon einige Engländer standen, nicht selten im Block mit Whiskey Flasche in der Hand…
„Wir stürmten in die Kurve und die Engländer purzelten die Treppe herunter“, so die Erinnerungen eines Bayernfans. „Endlich hatten wir die Kurve für uns und konnten unsere Mannschaft anfeuern.“

Das Spiel konnte beginnen. Leeds United von Beginn an mit viel Härte im Spiel, die den taktischen Plan von FCB-Trainer Dettmar Cramer bereits in der 3. Minute zunichte machte. „Der Schwede Andersson, dazu ausersehen, den Leeds-Motor Bremner auszuschalten, wurde schon in der dritten Minute durch ein brutales Foul von Yorath außer Gefecht gesetzt. Mit einer Gehirnerschütterung musste Andersson vom Platz getragen werden“, wie im Kicker nachzulesen war.

„In der 42. Minute wurde auch Uli Hoeneß ein Opfer der gnadenlosen englischen Härte und ging humpelnd vom Platz.“ Mit 0:0 ging es in die Pause, auch dank Torwart Sepp Maier.

In der zweiten Hälfte drückte Leeds United weiter nach vorn, doch in der 72. Minute nutzte Franz „Bulle“ Roth einen Konter zum 1:0 für Bayern München und machte damit seinem Namen als „Mister Europacup“ alle Ehre. Nur 10 Minuten später traf Gerd Müller zum entscheidenden Endergebnis von 2:0!

Nun rasteten die Engländer auf den Tribünen aus, warfen Sitzschalen auf das Spielfeld und versuchten den Platz zu stürmen. Doch das Spiel wurde zu Ende gebracht und der FC Bayern verteidigte den Titel als Europapokalsieger der Landesmeister!

Bis es zum gemütlichen Teil der Feierlichkeiten übergehen konnte, dauerte es aber noch ein wenig. Leeds United Anhänger warfen bei zahlreichen Autos und Bussen die Scheiben ein.
„Im Sonderzug wurde die Nacht zum Tag gemacht, bei Ankunft in München ging es in den Wirtshäusern kräftig weiter bis es dann später auf den Marienplatz zur großen Sause ging!“

Von diesem grandiosen Tag in der Geschichte des FC Bayern haben wir ein geniales Bild mit der Bayern Fahne vor dem Eifelturm, Eintrittskarte und Programmheft, vier verschiedene Erinnerungswimpel, eine Ehrengabe des französischen Verbands anlässlich des Endspiels, die Einladung zum Festbankett nach dem Triumph sowie gesammelte Autogramme bei den Feierlichkeiten, bei denen unter anderem auch zahlreiche Meisterspieler von 1932 mit Konny Heidkamp, Ossy Rohr, Lutte Goldbrunner, Hans Schmid und Ernst Nagelschmitz dabei waren!

KINGS OF THE CUP!

Veröffentlicht von fcbayerntotal

Admin und Autor von FC Bayern Total

7 Kommentare zu „FC Bayern Historie – Heute vor 45 Jahren: die Geburt des „Bayerndusels“

  1. Kurze Ergänzung noch zu 2001: Ebenso vergessen wird dabei oft, dass auch der Führungstreffer der Hamburger bereits/erst in der Nachspielzeit fiel. Mal abgesehen von den unangemessenen Jubelorgien auf und neben dem Platz, wenn die eigene Mannschaft dann 12. oder 13. in der Tabelle wurde……

    Noch ein paar Worte zu Leeds: Ebenso in 2001 wären wir uns ja beinahe wieder im Finale begegnet. Auf dem Weg in ihr Halbfinale gegen Valencia hatten sie ja auch einen erfolgreichen Auftritt im Olympiastadion. Insofern haben sie dann doch auch mal etwas Gutes getan…….
    Interessant ansonsten deren Meistersaison 73/74 in der damaligen First Division. Für den UEFA Cup qualifizierten sich Derby County, Ipswich Town, Stoke City und die Wolverhampton Wanderers. Bester Londoner Club wurden die Queens Park Rangers und Manchester United stieg ab……..

    1. Ja, eigentlich wirklich schade, dass 2001 der Gegner im CL-Finale nicht Leeds United hieß. Das wäre eine „runde Sache“ geworden …

      Zu den Jubelorgien in HH anno 2001: Deswegen ist doch eigentlich jeder FCB-Titel und Sieg besonders schön. Man kann gar nicht genug davon bekommen und es wird doch eigentlich nie langweilig. In der BL und D: Alle gegen einen.

      Und der Abstieg von ManUnited 1974 ist durchaus – nicht nur aus heutiger Sicht – ein bisschen mit dem Abstieg des BVB 1972 zu vergleichen: 1966 – Dortmund der erste Europapokalsieger (der Pokalsieger) aus Deutschland und 1968 – ManUnited der erste Landesmeistercupsieger aus England (Schande, ein Jahr nach den Schotten 😉 ) … 6 Jahre später Erstliga-Abstieg.

      1. Allerdings ist ManUtd inzwischen Rekordmeister geworden. Das wird beim BVB noch etwas dauern…….

  2. Meiner Meinung nach war es im Duel ”Beckenbauer gegen Clarke” ein klarer Elfmeter (ein Muss-Elfer). Beckenbauer tritt nur den rechten Fuß des Gegners und nicht den Ball.

      1. Nachdem ein Kaiser eigentlich gar nicht Foul spielen kann, muss man da natürlich widersprechen … 😉

        Ob Leeds allerdings auch zu Neunt noch so vehement hätte angreifen können …

        Interessant: Ein Interview mit Rainer Zobel zum Spiel in Paris viele viele Jahre später. Er meinte, dass auch das wegen Abseits aberkannte Tor eines gewesen wäre. Er vergisst dabei, dass es damals eine andere Abseitsregel gab … Stand ein Spieler im Abseits, egal ob er ins Spiel eingriff oder nicht, wurde Abseits gegeben …

        Unvergessen: Das WM-Spiel 1974 zwischen Holland und Uruguay (2:0). Ich war damals ein kleiner Junge und kann mich noch erinnern, wie der Reporter immer wieder von 3, 4 oder 5 Spielern von Uruguay sprach, die sich im Abseits befunden hätten … Die Niederländer revolutionierten bei diesem Turnier die „Abseitsfalle“ (wenn sie sie nicht sogar erfanden …)

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