Offener Brief der Nordkurve12 Leverkusen und des Club Nr. 12 an den DFB und Fritz Keller bezüglich des Pokalfinals 2020

Sehr geehrter Herr Keller,

seit einigen Wochen rollt der Ball wieder. Am 04.07. soll er nach bisherigem Willen des DFB zum letzten Mal in dieser Saison rollen. Das Pokalfinale sollte der traditionelle Abschluss und gleichzeitig der Höhepunkt der Saison sein. Ein Höhepunkt in einem gähnend leeren Stadion. Ein Höhepunkt, bei dem die Fans ein weiteres Mal ausgesperrt bleiben.

Ein Blick nach Spanien zeigt uns, welchen Stellenwert einem Pokalfinale zu Teil werden sollte. Auf Antrag der Finalisten Athletic Bilbao und Real Sociedad San Sebastián hat der spanische Fußballverband zugestimmt, das Spiel auf unbestimmte Zeit zu verschieben, bis eine Austragung MIT Fans unter VOLLER Besetzung des Stadions möglich ist. Damit verzichten die beteiligten Vereine gar auf den mit einem Pokalsieg einhergehenden Europacup-Startplatz für die nächste Saison.

Ein derartiges Risiko müssten die deutschen Finalteilnehmer bei einer Terminverlegung nicht einmal eingehen. Sowohl der FC Bayern, als auch Bayer Leverkusen sind bereits sicher für die kommende Europapokalsaison qualifiziert.
Fußball ist Leidenschaft. Fußball ist Vereinsliebe. Fußball wird von Emotionen geprägt, bestimmt und gewonnen. Das Ausleben der Emotionen, die Unterstützung der Teams auswärts und zu Hause wurde den Fans durch die notwendig gewordene Saisonunterbrechung und die sich daran anschließenden Geisterspiele, die Sie selbst als Spiele ohne Seele beschrieben, genommen.

Und nun soll den Fans in ganz Deutschland auch der Höhepunkt der Saison genommen werden? Fans reisen ihrer Mannschaft zu jedem Spiel hinterher, richten teilweise ihr gesamtes Leben nach dem Verein aus und dürfen am Ende nicht beim Pokalfinale vor Ort sein? Es wäre eine Enttäuschung für viele neutrale Fußballanhänger, mehr als nur eine Enttäuschung aber für die Anhänger und Fanszenen der beiden Finalisten. Es wäre ein weiterer Schlag ins Gesicht der Fans.

Neben den Fans sind es auch die Spieler, die einen würdigen Rahmen für eines der wichtigsten Spiele ihrer Karriere verdienen. Sie haben hart dafür gekämpft bis nach Berlin zu kommen, weshalb es eine Selbstverständlichkeit sein sollte, dass sie das Spiel unter einer gebührenden Finalatmosphäre bestreiten. Ein richtiges Fußballfest gibt es allerdings nur mit Fans.

Ohne Fans sind es „Spiele ohne Seele“, da sind wir absolut bei Ihnen. „Im Fußball geht es um viel mehr, als um Geld“, führten Sie in Ihrem Beitrag Mitte Mai fort und unterstrichen sogleich mit der Aufforderung, dies zu leben und glaubhaft zu vermitteln. Die einzig logische und unmissverständliche Schlussfolgerung lautet: Verschiebung des Pokalfinale bis wieder eine Austragung mit Fans vor ausverkauftem Haus möglich ist!

Wir fordern Sie auf, leben Sie Ihre Worte, gehen Sie kurzfristig auf die Verantwortlichen der beteiligten Vereine zu und sprechen Sie miteinander über die spanische Lösung. Sprechen Sie mit den TV-Anstalten und Sponsoren darüber, sprechen Sie mit allen beteiligten Parteien darüber, wie konkret die Lösung für das DFB-Pokalfinale aussehen kann, sodass beide Vereine am Ende des Tages mit voller Unterstützung ihrer gesamten Anhängerschaft im Olympiastadion antreten können. Finden Sie eine Lösung, tun Sie es den Spaniern gleich!


Dazu zwei Anmerkungen FC Bayern Total:

  1. Es ist tatsächlich bitter, dass in diesem Sommer zahlreiche Pokalendspiele ohne Fans ausgetragen werden. ABER: Spiele, vor allem Pokalendspiele, ohne Zuschauer, ohne Fans, sind zwar Mist – aber in 2020 leider „situationsbedingt“ alternativlos. DENN: Es wurde zwar häufig aus vielen Fanlagern zum Ausdruck gebracht, dass die Fans das Wichtigste im Fußball sein sollen – jedoch teilen wir diese Auffassung nicht. Tatsächlich sind die FUSSBALLSPIELER die Protagonisten dieses Volkssports. Wird das Pokalendspiel der Saison 2019/20 nicht am 4. Juli 2020, sondern erst in / am Ende der nächsten Saison gespielt, können einige Kicker, die sich mit ihrer Leistung dafür qualifiziert haben, nicht daran teilnehmen, weil sie entweder den Verein gewechselt haben oder ihre Karriere beendet haben. Mag für einige langjährige Bayernprofis nicht ganz so schlimm sein, aber vom aktuellen Leverkusen-Kader waren nur ganz wenige Kicker (nicht mit Bayer) im Deutschen Pokal-Finale. Bayer Leverkusen stand letztmals 2009/10 im Finale.
  2. Das Finale der Copa del Rey dient aufgrund seiner diesjährigen absoluten Ausnahmekonstellation nur ganz bedingt als „Vorbildbeispiel“ für den DFB-Pokal. Nachdem in den letzten Jahren vor allem die Großen, speziell der FC Barcelona, den spanischen Pokal dominiert haben, gibt es in dieser Saison zum ersten Mal überhaupt dieses baskische Endspiel. Eine absolute Ausnahmesituation in der seit 1903 stattfindenden Copa del Rey (DFB-Pokal erst seit 1935). Durchaus überraschend, weil Atletic Bilbao der erste Seriensieger des Wettbewerbs war (insgesamt 23 Mal Gewinner und damit sogar viermal häufiger als der FCB in Deutschland) und auch der zweimalige Sieger Real Sociedad ein Traditionsverein ist. Letztmals konnte sich San Sebastian 1987 in die Siegerliste eintragen, Bilbao 1984. Über die sportliche wie politische Bedeutung dieses Finals könnten Insider wahrscheinlich ein Buch schreiben – und wenn es in 2020 ein Endspiel in Europa gibt, welches tatsächlich verschoben werden kann, dann ist es das „spanisch-baskische“.

Veröffentlicht von gastautorfcbtotal

Gastautoren von FC Bayern Total

9 Kommentare zu „Offener Brief der Nordkurve12 Leverkusen und des Club Nr. 12 an den DFB und Fritz Keller bezüglich des Pokalfinals 2020

  1. Ich frage mich mittlerweile echt, wie wenig Realismusgefühl und wie viel Eitelkeit aktuell beim C12 Vorstand und den Köpfen, die solche Schreiben verfassen, vorhanden sind: Es ist nach aktueller Sicht vollkommen unvorstellbar, dass man im Jahr 2020 komplett volle Stadien bekommt (euch reicht ja nicht mal ein halbvolles Stadion, was schon nicht wirklich realistisch ist, es muss schon ganz voll sein🙈) . Wollt ihr echt ein Pokalfinale 2020 im Jahr 2021 mit komplett veränderten Kadern zB? Leit, das Argument, es soll für die Spieler was besonderes sein, is allein schon aus diesem Blickwinkel heraus nicht mehr wirklich haltbar. Was hat den zB ein im Sommer Wsl kommender Leroy Sane mit unserer aktuellen Pokalsaison zu tun?
    Ich war bei den letzten beiden Pokalfinals in Berlin, wäre auch gern heuer dabei gewesen – übrigens bin ich beileibe keiner, der nie im Stadion is, aber aktuell hilft kein ewiges Gemeckere sondern Realismus. (Bis Corona hab i kein Pflichtheimspiel verpasst und bei mehreren Auswärtsspielen, auch international)
    Ich kann mich deshalb den Anmerkungen von FCB total nur vollstens anschließen!

    1. Als C12 Mitglied würde ich mir übrigens mehr Einbindung der Mitglieder wünschen, zB in Form von Umfragen, bevor man große Stellungnahmen schreibt bzw. unterschreibt. Ansonsten hat man im C12 ja fast weniger zum Mitreden wie beim FC Bayern

  2. Die Diskussion, ob Geisterspiele wirklich „alternativlos“ sind, hatten wir ja schon……
    Aber vielleicht kann man ja zumindest mal anfangen zu überlegen, wann (und ich meine keinen Kalenderzeitpunkt, sondern das Erreichen bestimmter Maßstäbe) denn wieder Zuschauer rein dürfen.

    Ansonsten dieser Auszug aus wikipedia zur Pokalsaison 69/70:

    „DFB-Pokalsieger 1970 wurde Kickers Offenbach. Mit den Offenbacher Kickers wurde 1970 erstmals ein Zweitligist Pokalsieger. Kickers Offenbach stieg im gleichen Jahr außerdem von der Regionalliga in die Bundesliga auf. Da die Fußball-Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko bereits am 31. Mai begann, entschied sich der DFB für eine Austragung des DFB-Pokals ab dem Achtelfinale während der Sommerpause nach dem WM-Turnier. Offenbach war zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon Bundesligist. Obwohl der Wettbewerb noch der Saison 1969/70 zugerechnet wurde, spielten die Vereine ab dem Achtelfinale dann bereits mit dem Kader der neuen Saison.
    So wurde der Spieler Winfried Schäfer mit Borussia Mönchengladbach im Mai 1970 Deutscher Meister und im August mit seinem neuen Verein Kickers Offenbach Pokalsieger in einer Saison.“

    1. Ich denke, es gibt schon seit einiger Zeit Überlegungen, wann (in dem von dir erwähnten Sinn) wieder (begrenzt) Zuschauer ins Stadion dürfen. Die „ominösen 10.000-11.000“ beim FCB, der BVB erwähnt jetzt ein „Pilotprojekt“ …

      Die Verantwortlichen von Bayern und Bayer hätten ja auch gerne eine begrenzte Anzahl an eigenen Fans im Pokalfinale. Das findet allerdings bereits in 17 Tagen statt und deswegen dürfte das noch zu früh sein.

      Der DFB-Pokal 1969/70: Alle Spiele fanden im Kalenderjahr 1970 statt, davon fast alle (bis auf 2) der 1. Runde vor der WM in Mexico. ABER: Ab der 2. Runde (Achtelfinale) fand das komplette „Turnier“ vom 28. Juli bis 29. August 1970 nach der WM statt. Somit war die Situation eine völlig andere als im Corona-Jahr 2020. Keinem Spieler wurde ein Endspiel „geklaut“ und auch dem Winnie keines geschenkt 😉

      Wenn man jene Pokalaustragung vom Modus mit einer Fußball-Veranstaltung 2020 vergleichen kann, dann am ehesten mit der für August geplanten CL-Endrunde (in Lissabon?).

      PS: Was den Fußballfans heute am Pokal 1970 nicht gefallen würde: Das Endspiel fand am Wochenende des 3. BL-Spieltags statt.

      2. PS: Zu den Offenbacher Pokalsiegern zählten übrigens (neben dem 1974er S04-Weltmeister Helmut Kremers) auch die beiden Ex-Bayern-Spieler Helmut Schmidt (gebürtiger Münchner und Double-Sieger 1969) und Helmut Nerlinger (Vater von Christian), die eben im Sommer 1970 nach Offenbach gewechselt waren! Alles Helmut, oder was?! 😉 😉

  3. Danke FCB Total … ein fast komplett neuer eigener Beitrag als Kommentar! (Hier gibt es wirklich FCB-Geschichte ohne Ende)

    Ich muss leider auch sagen, dass mich zumindest Teile der eigenen Fanszene mit ihren überzogenen Forderungen nerven, enttäuschen bis entsetzen. Egoismus pur! Sind jetzt mittlerweile schon die Spieler die Marionetten der „Fankurve“? Glücklicherweise ticken nur die allerwenigsten in dieser Art und Weise.

    Und ja, ich möchte auch baldmöglichst wieder ins Stadion, bei den Profis, Amateuren, Jugend, Dorfverein etc…

    Lasst uns solidarisch die Pandemie überwinden – Eitelkeiten und Egoismen sind dabei nicht hilfreich.

    Danke!!!

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