Robert Lewandowski, derzeit wohl unbestritten der beste Mittelstürmer der Welt, bleibt wohl nach der besten Saison seiner Karriere ohne große internationale Individual-Auszeichnung. Die Wahl zum Ballon d ´Or, zum Weltfußballer des Jahres, wurde von der FIFA aus etwas „eigenwilligen“ Gründen abgesagt, aber auch beim „Goldenen Schuh“, der UEFA- Auszeichnung für den erfolgreichsten Torjäger einer (Liga-)Saison, belegt er hinter Ciri Immobile von Lazio Rom „nur“ den zweiten Platz.
Lewy bis vor einer Woche in der „Pole Position“
Bis heute vor einer Woche, dem Sonntag, den 26. Juli 2020, an welchem der 36. Spieltag der italienischen Serie A ausgespielt wurde, konnte sich die polnische Tormaschine in Diensten des FC Bayern berechtigterweise noch große Hoffnungen auf den „Goldenen Schuh“ machen. Er selbst lag mit 34 Toren (Ligafaktor 2 = 68 Punkte) aus der Ende Juni abgeschlossenen Bundesligasaison mit drei Toren (= 6 Punkte) vor Immobile und vier Tore (= 8 Punkte) vor Cristiano Ronaldo von Juventus Turin. Aber jener Spieltag war das Spiegelbild der gesamten Torjägersaison und veranschaulichte deutlich, warum Lewy in dieser Saison keine Chancengleichheit genoss.
Ciro Immobile zieht gleich und überholt Lewy
Beim 5:1-Auswärtssieg bei Hellas Verona gelang Immobile ein Dreierpack – und zwar auf die „typische italienische Art und Weise“ in der Saison 2019/20. Das 1:1 und das 5:1 erzielte er jeweils per Elfmeter – und auch zum für die Serie A „typischsten Zeitpunkt“, jeweils tief in der Nachspielzeit beider Halbzeiten (45. + 6. Min. und 90. + 4. Min.). Generell lassen die Schiedsrichter in Italien wesentlich länger nachspielen als in der Bundesliga und sie sind auch in dieser Nachspielzeit meist „sehr entscheidungsfreudig“…
Mit diesen drei Treffern zog Ciro Immobile mit insgesamt 34 Toren gleich mit Lewandowski, CR7 ordnete sich nach 36 Spieltagen in Italien mit 31 Toren dahinter ein. Damit war klar, dass eigentlich nur noch durch ein kleines Wunder für den Bayernspieler ein geteilter goldener Schuh möglich sein würde. Immobiles spätes 2:0 gegen Brescia Calcio drei Tage und einen Spieltag später machte auch diese Hoffnung zunichte. Und auch am 38. und damit letzten Spieltag der Serie A traf Immobile noch einmal beim 1:3 Lazios bei Napoli. Damit stellte der italienische Nationalstürmer Gonzalo Higuains Serie 1-Torrekord aus der Saison 2015/16 mit 36 Toren ein. Eine wahrlich herausragende Leistung!
Keine Chancengleichheit bei der UEFA-Auszeichnung „Goldener Schuh“
Diese Auszeichnung gibt es bereits seit der Saison 1967/68 und in diesen frühen Jahren gab es den einzigen deutschen Gewinner dieser europäischen Torjägerkrone. Wer anders als Gerd Müller konnte es gewesen sein! 1969/70 gewann er mit 38 BL-Treffern, 1971/72 mit bis heute in der BL unübertroffenen 40 Toren. Nachdem bis in die frühen 1990er Jahre mehrere Goalgetter aus den sogenannten kleinen Ligen sich diese Trophäe in den Schrank stellen konnten, setzte die UEFA diesen Wettkampf von 1991/92 bis inkl. der Saison 1995/96 aus, um ihn in der Folge (ab 1996/97) mit einem Punktsystem / Ligafaktor „fairer“ zu machen. Die Topligen (England, Spanien, Deutschland, Italien, Frankreich) bekamen einen Torfaktor 2 für jedes erzielte Tor, die Ligen dahinter (u.a. Portugal, Türkei, Holland, Österreich) einen Torfaktor 1,5 und die vielen kleinen Ligen einen Torfaktor 1.
Dieses Punktesystem ist sicherlich ein faires. Warum man dieses aber nicht mit einer weiteren nötigen Gewichtung zur Chancengleichheit versehen hat, bleibt das Geheimnis der UEFA (oder auch nicht). In der Serie A, in der Premier League, in der Primera División und auch der Ligue 1 gibt es 38 Spieltage, in der Bundesliga, aber auch u.a. in Holland und Portugal gibt es lediglich 34 Spieltage, in Russland sogar nur 30 Spieltage. Diese doch beträchtliche Chancenungleichheit wird aber nicht in das Punktesystem mit einbezogen.
Hätte die UEFA für die Auszeichnung des „Goldenen Schuhs“ ein wirklich gerechtes Punktesystem angewandt, dann wäre nun Robert Lewandowski und nicht Giro Immobile „Europas bester Torschütze der Saison 2019/20. 34 Tore in 34 möglichen Spielen sind definitiv besser als 36 Tore in 38 möglichen Spielen. Tatsächlich hat Lewy 31 Spiele gespielt, Ciro Immobile 37 – sogar sechs mehr!
Dass die UEFA, welche nicht einmal fähig ist, das für den Fußball überlebensnotwendige Financial Fairplay umzusetzen, solche Gedanken an einen fairen Wettbewerb aufgreift, bleibt trotzdem unwahrscheinlich.
Torjäger in Italien mit großem Vorteil
Interessanterweise waren aber nicht diese vier Spiele mehr der alles entscheidende Vorteil von Ciro Immobile im Kampf um die Europäische Torjägerkrone – nein, es war vielmehr eine durchaus erstaunliche Tendenz in der Serie A zumindest in der Saison 2019/20: In keiner anderen Topliga wurden derart inflationär Elfmeter verhängt wie in der Serie A.
In den 380 Serie A-Spielen waren es „sagenhafte“ 186 Elfmeter, 0,49 Elfmeter pro Spiel. Auch in Spanien pfeifen die Schiedsrichter sehr gerne Elfmeter für bestimmte Vereine, aber in der Primera División waren es trotzdem „nur“ 149 Elfmeter, 0,39 pro Spiel.
(Dass Real Madrid in der abgelaufenen Saison 11 Elfmeter zugesprochen wurden und lediglich zwei(!) gegen die Königlichen verhängt wurden, währenddessen Barcelona sechs zugesprochen bekam und sieben gegen sich, wäre ein anderes abendfüllendes Thema!)
Zum Vergleich die Bundesliga: 73 Elfmeter in 306 Spielen bedeuten einen Schnitt von 0,24 Elfmeter pro Partie. Die englische Premier League weist eine ähnliche Quote auf.
Der Elfmeter-Vergleich der drei europäischen Toptorjäger der nun abgelaufenen Saison ist noch krasser: Immobile verwandelte 14(!) seiner 15 Elfmeter (Lazio wurden sogar insgesamt 18 zugesprochen!), CR7 verwandelte 12 seiner 13 Elfmeter. Lewy verwandelt alle seine Elfmeter – aber es waren eben nur fünf. Den sechsten FCB-Elfmeter der Saison 2019/20 überließ er zu Beginn der Saison dem Neuzugang Coutinho, quasi als „Schub“ für dessen Selbstvertrauen.
In Prozent ausgedrückt: Immobile und CR7 erzielten 39% ihrer Tore per Elfmeter, Lewy lediglich 15% seiner Treffer auf diese Art und Weise.
Statistikvergleich Immobile – Lewandowski – CR7
Ciro I.: 37 Serie-A-Spiele – 3170 Minuten auf dem Platz – 36 Tore – alle 88 Minuten ein Tor.
Lewy: 31 BL-Spiele – 2759 min. – 34 Tore – 81 min. für ein Tor.
CR7: 33 Serie-A-Spiele – 2917 min. – 31 Tore – 94 min. für ein Tor.
Eine Statistik, in welcher der Italiener jedoch weit besser als Lewy ist, ist der Anteil seiner Tore an den gesamten Ligatoren seines Vereins: 36 Immobile / 79 Lazio = 45,6%!
Lewy / Bayern: 34/100 Tore!
Wenn man dann allerdings wieder die Elfmetertore einberechnet bzw. abzieht, die durchaus auch ein anderer Spieler hätte machen können …. 😉

Würdigung der Leistung von Ciro Immobile
Auch FC Bayern Total möchte ausdrücklich betonen, dass Immobile eine herausragende Saison in der Serie A gespielt hat – ähnlich wie Robert Lewandowski beim FCB war er fast bei jedem Angriff seines Teams beteiligt und agierte dabei technisch und vom Einsatzwillen auf allerhöchstem Niveau.
Was einige vielleicht schon vergessen haben: Lewandowski kam 2014 als BL-Torschützenkönig vom BVB zum FCB. Als Ersatz holte sich Dortmund den damals aktuellen Torschützenkönig der Serie A … Ciro Immobile: Dieser erzielte in der Saison 2013/14 22 Tore für den FC Turin. (Zweiter wurde übrigens ein gewisser Luca Toni mit 20 Toren für Hellas Verona). Als Lewy-Nachfolger scheiterte Immobile beim BVB jedoch krachend, drei Tore in 24 BL-Spielen waren eine sehr schwache Quote. Nach nur einem Jahr verließ er die Bundesliga und kam 2016 über die Stationen FC Sevilla und FC Turin (Leihe) zu Lazio. In den drei Jahren von 2016 bis 2019 erzielte er für die Hauptstädter bereits beachtliche 67 Serie-A-Tore in 105 Spielen. In der vergangenen Saison ist er aber nahezu „explodiert“.
Lewy – trotzdem weltbester Stürmer
Ja, die Auszeichnung für den „Goldenen Schuh“ der UEFA mag nicht ganz gerecht sein, Immobile die Saison seines Lebens gespielt haben – trotzdem lieber Lewy: Du bist, nicht nur für die Bayernfans, aktuell definitiv der weltbeste Stürmer und Torjäger. Du hast nicht nur die Torjägerkanone der Bundesliga zum dritten Mal in Folge und zum fünften Mal insgesamt gewonnen – mit der besten Toranzahl (34) seit der Saison 1972/73 (siehe Titelbild), du warst auch der beste Torschütze im vergangenen DFB-Pokal-Wettbewerb (6 Tore). Außerdem führst du die Torschützenliste der CL 2019/20 unangefochten mit 11 Toren aus nur sechs Spielen an. Summa summarum sind das in der noch laufenden (CL!) Saison 51 Tore in lediglich 42 Spielen! Keiner der „üblichen Verdächtigen“ (Messi, CR7) kann dir in dieser Saison das Wasser reichen – und wenn in der nächsten Woche die CL in ihre entscheidende Phase eintritt, ist ein gewisser Ciro Immobile lediglich (vielleicht interessierter) Zuschauer! 😉
Übrigens – ist es nun Trost oder noch ärgerlicher? Seit dem Re-Start des „Goldenen Schuh“ mit Punktewertung hätten in 13 von 24 Jahren Lewys 68 Punkte zum Sieg gereicht!
Lewy – Europas Torjäger der Herzen!
PS: Ein CL-Sieg würde diese „verpassten“ persönlichen Ehrungen wohl mehr als wett machen 😉
Hervorragender Beitrag!
Solche gibt es definitiv nur auf dieser Seite 😉
Schön und fair, dass auch Immobile gewürdigt wird. Das hat er nach dieser Saisonleistung verdient.
Herzlichen Dank – das geht runter wie Öl 😉 👍👍
Absolut verdientes Lob, dem man sich nur anschließen kann.
Immobile hat eine super Saison gespielt, aber “unter fairen Bedingungen” hätte es 2019/20 nur einen Sieger geben dürfen.