Wer am Ende der Sommertransferperiode 2019 – Petersgradmesser – Einschätzung Bayernkader 2019/20 – gedacht hatte, schlimmer, aufregender, nerviger könnte eine solche beim FC Bayern eigentlich nicht mehr werden, wurde – natürlich auch durch die weltweite Pandemie bedingt – in diesem Jahr eines besseren belehrt. Ganz am Ende der so sehr kritisierten Transferperiode 2019 stand eine fantastische Saison des FC Bayern, die vor allem in dieser höchst souveränen Art und Weise nicht einmal erträumt werden konnte. FC Bayern Total möchte in diesem Beitrag herausarbeiten, was mit dem Bayernkader 2020/21, welcher erst am sog. „Deadline Day“ komplettiert wurde, möglich ist.
Außergewöhnliche Herausforderungen in der Saison 2020/21
Sehr lange Zeit – im Grunde genommen bis zum „Deadline Day“ am 5. Oktober – sah es so aus, als würde der Verein mit einem Mini-Kader die sicherlich anstrengendste Saison der Fußball-Geschichte bestreiten wollen. Entgegen den Ankündigungen von Vorstandschef Rummenigge im Juli 2020 wurde bis zum vergangenen Montag der sowieso schon nicht üppige Kader des FCB eher noch weiter ausgedünnt als in adäquatem Maße ergänzt. Ungeduld bis Ärger machte sich in der Fangemeinde des FC Bayern breit, die verantwortlichen Herren, allen voran der Sportvorstand Hasan Salihamidzic, schienen auch die höchst verständlichen Forderungen von Erfolgstrainer Hansi Flick nach einer entsprechenden Kaderaufstockung zu ignorieren.
Spielbelastung Nationalspieler FCB am Beispiel der deutschen und französischen Nationalspieler
Dass die Unruhe von Fans, aber auch – medial nach außen transportiert – von Bayernspielern und –trainer berechtigt war, zeigt die Liste der Spiele, die die Nationalspieler der Bayern in weniger als drei Monaten im Jahr 2020 noch zu bestreiten haben:
24. September UEFA Supercup in Budapest gegen den FC Sevilla (2:1 n.V.)
27. September 2. Bundesligaspieltag in Hoffenheim (1:4)
30. September DFL Supercup gegen den BVB (3:2)
4. Oktober 3. Bundesligaspieltag gegen Hertha BSC (4:3)
7. Oktober Frankreich gegen Ukraine (7:1)
10. Oktober Ukraine gegen Deutschland in Kiew / 11. Oktober Frankreich gegen Portugal in Paris
13. Oktober Deutschland gegen Schweiz in Köln / 14. Oktober Kroatien gegen Frankreich in Zagreb
15. Oktober DFB-Pokal 1. Runde gegen 1. FC Düren
17. Oktober 4. Bundesligaspieltag in Bielefeld
21. Oktober 1. Spieltag CL 2020/21 gegen Atlético Madrid
24. Oktober 5. Bundesligaspieltag gegen Eintracht Frankfurt
27. Oktober 2. Spieltag CL 2020/21 bei Lokomotive Moskau
31. Oktober 6. Bundeligaspieltag in Köln
3. November 3. Spieltag CL 2020/21 bei FC Salzburg
7. November 7. Bundesligaspieltag in Dortmund
11. November Deutschland – Tschechien / Frankreich gegen Finnland
14. November Deutschland gegen Ukraine / Portugal gegen Frankreich
17. November Spanien gegen Deutschland / Frankreich gegen Schweden
21. November 8. Bundesligaspieltag gegen Werder
25. November 4. Spieltag CL 2020/21 gegen FC Salzburg
28. November 9. BL-Spieltag in Stuttgart
1. Dezember 5. Spieltag CL 2020/21 bei Atlético Madrid
5. Dezember 10. BL-Spieltag gegen RB Leipzig
9. Dezember 6. Spieltag CL 2020/21 gegen Lokomotive Moskau
12. Dezember 11. BL-Spieltag bei Union Berlin
16. Dezember 12. BL-Spieltag gegen Wolfsburg
19. Dezember 13. BL-Spieltag in Leverkusen
22. Dezember 2. DFB-Pokalrunde
Beim intensiven Studium dieser Spielpläne kann man erkennen, dass es sich hierbei ausschließlich um sog. englische Wochen handelt (bis zu 28 Spiele in weniger als drei Monaten!). Wenn man bedenkt, dass durch die „Corona-Bedingungen“ zusätzlich alles – nicht zuletzt mental – schwieriger und anstrengender wird, sind gerade die international tätigen Spieler nicht unbedingt zu beneiden.
Mit den „Deadline Day“- Verpflichtungen haben Brazzo & Co. quasi auf den letzten Drücker die Kurve bekommen, was einen quantitativ ausreichenden Kader für 2020/21 betrifft. Wie und ob sich diese „Last-Minute-Transfers“ negativ, vor allem in Bezug auf das Spielsystem von Flick, auswirken können, darauf wird in diesem Beitrag später eingegangen.
Abgänge des FC Bayern
Der Abgang in diesem Sommer, der dem Verein wohl mit Abstand am meisten weh tut, ist derjenige von Thiago Alcántara. Dabei ist der Verein dem Wunsch seines Edeltechnikers, der im Laufe der nächsten Saison 30 Jahre alt wird, entgegen gekommen, sich zum Karriereende noch einmal zu verändern. Vorwürfe an die Verantwortlichen des FCB, dass man nicht genug um ihn gekämpft hätte, sind völlig fehl am Platz. Beide Seiten lernten sich in den sieben Jahren, die Thiago beim FCB kickte, schätzen und man trennte sich absolut respektvoll.
Nicht vergessen sollte man aber trotzdem, dass der spanische Brasilianer Thiago zwar technisch sicherlich einer der absolut versiertesten Spieler, der jemals das Trikot des FCB getragen hat, ist, aber ging es um die ganz großen Spiele, tauchte er nicht selten komplett ab und / oder konnte seinen gewissen „Schlendrian-Modus“ nicht der Bedeutung des Spiels anpassen. Am Gesamteindruck ändert auch seine sehr starke Vorstellung im CL-Finale 2020 gegen PSG nichts.
Trotzdem wird er als sehr sympathische Persönlichkeit und als Spieler fehlen – ob man seinen Abgang kompensieren können wird, wird sich noch zeigen.
Ebenso wurde keiner der einjährigen Leihspieler übernommen. Bei Philippe Coutinho und Álvaro Odriozola war dies aus verschiedenen Gründen keine Überraschung, beim „Mentalitätskicker“ Ivan Perisic schon eher. Und als dessen Abschied feststand, konnte man eigentlich damit rechnen, dass seine „Planstelle“ vom 19-jährigen Supertalent des FCB, Oliver Batista-Meier, eingenommen wird. Dies war jedoch ein Irrtum: Noch in derselben Woche wurde OBM für ein Jahr (ohne Kaufoption) an den SC Heerenveen in der holländischen Eredivisie verliehen. Dort spielte er sofort – mit der Rückennummer 10 versehen – groß auf, stand in allen vier Meisterschaftsspielen in der Startelf. Bereits im 2. Spiel gelang ihm sein erster Treffer und einige Assists trugen auch dazu bei, dass Heerenveen aktuell punktgleich mit dem Tabellenführer PSV Eindhoven auf Rang 3 liegt. Trotzdem würden ihn viele aktuell lieber im Profikader des FCB sehen.
In den letzten Tagen der Transferperiode wurden zudem noch Sven Ulreich (HSV), Mickael Cuisance (Marseille), Adrian Fein (PSV Eindhoven) abgegeben – die beiden letztgenannten auf Leihbasis mit Kaufoption. Damit sollte auch ihre Zeit beim FCB endgültig abgelaufen sein.
Mit Sarpreet Singh (1. FC Nürnberg), Christian Früchtl (1. FC Nürnberg) und Lars Lukas Mai (Darmstadt 98) wurden drei weitere Talente in die 2. Liga verliehen. Ob dieses Modell auch für diese 3 jungen Kicker ein Erfolgsmodell für eine spätere Karriere beim FCB sein wird, wird sich noch herausstellen. Bislang läuft es am besten für Mai, welcher Stammspieler ist, Singh stand zunächst in der Startelf des Clubs, zuletzt wurde er spät eingewechselt. Noch schlechter läuft es für Früchtl als die aktuelle Nr. 2 beim Club.
Die Liste der Abgänge ist lang, allerdings verglichen mit der Wertigkeit der Abgänge 2019 mit Ribéry, Robben, Rafinha, Sanches, Hummels und James „weniger schmerzvoll“, vor allem was die Emotionalität betrifft.
Zugänge des FC Bayern
Bis vor knapp einer Woche waren Leroy Sané, der „Königstransfer 2020“, das 18-jährige französische Supertalent Tanguy Nianzou von PSG und Alexander Nübel, mittelfristig der potenzielle Neuer-Nachfolger, die einzigen Neuverpflichtungen des FCB für die „Corona-Saison-2020/21“. Gesucht wurden vor allem ein Back-Up für Benjamin Pavard auf der Rechtsverteidigerposition, ein Ersatz für Thiago, aber auch noch ein offensiver Außen nach der Nichtverpflichtung von Perisic.
Callum Hudson-Odoi, Sergiño Dest und auch Mario Götze wurden nicht verpflichtet. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig und wurden in den Medien rauf und runter diskutiert. Es ist ungewiss, welche der vielen Wahrheiten am Ende diejenigen sind, die das Geschehene am besten abbilden, und sie sollen hier auch nicht weiter behandelt werden.
Am Deadline-Day lieferten Brazzo & Co. dann endlich:
Marc Roca von Espanyol Barcelona wurde als Thiago-Ersatz verpflichtet. Bereits letztes Jahr war man am spanischen U21-Europameister von 2019 dran. Die Verpflichtung scheiterte aber an der damals kolportierten Ablösesumme von 40(!) Millionen EURO. Nicht zuletzt weil Espanyol in diesem Jahr in die 2. Liga abstieg, ist Roca für den FCB vergleichsweise zu einem Schnäppchen geworden.
Für dieselbe Positionen (wohl aber auch als möglichen Innenverteidiger) wurde der 19-jährige Tiago (nicht Thiago 😉 ) Dantas von Benfica Lissabon auf Leihbasis verpflichtet. Offiziell ist er zunächst für die Amateure des FCB eingeplant. Jedoch lässt die Kaufoption für 2021 in Höhe von 8 Millionen EURO darauf schließen, dass man auch mit ihm größeres vorhat, zumal Tiago als eines der größten portugiesischen Nachwuchstalente gilt.
Als Backup für Pavard wurde nicht Dest von Ajax, sondern der 28-jährige Franzose von Bouna Sarr von Olympique Marseille verpflichtet und mit einem 4-Jahres-Vertrag ausgestattet. Laut Aussage von Salihamidzic wurde vor allem Hansi Flick beim Freundschaftsspiel Ende Juli gegen Marseille auf Sarr aufmerksam.

Die vielleicht größte Überraschung war die Verpflichtung von Douglas Costa für die vakante Position auf den Außen: Von Juventus Turin kommt der brasilianische Nationalspieler für ein Jahr auf Leihbasis. Costa spielte bereits unter Pep Guardiola und Carlo Ancelotti von 2015 bis 2017 beim FCB. Während er im ersten Jahr unter Guardiola durchaus mit seinen Tempoläufen und satten Weitschüssen gefallen konnte und mit seinem Treffer im Elfmeterschießen den DFB-Pokal im Finale gegen den BVB sicherte , rutschte er bei Ancelotti mehr und mehr ins zweite Glied. Negativer Höhepunkt waren seine Lustlosauftritte im CL-Viertelfinale gegen Real Madrid im April 2017. Wohl erinnerte sich Uli Hoeneß hauptsächlich an diese Spiele, als er ihm im Nachlauf eine „Söldner-Mentalität“ vorwarf. Seine Teamkollegen von damals (Neuer, Müller, Boateng, Lewy & Co) waren offensichtlich etwas anderer Meinung und er scheint in ihnen Fürsprecher für das zweite Intermezzo in München zu haben. Auch wenn dies mittlerweile von Brazzo bestritten wird, erscheint ein Nachfragen bei mündigen intelligenten Führungsspielern ein sehr adäquates Mittel zu sein, wenn man kompetente Meinungen einholen will. Dass trotzdem Vorstand und Präsidium des Vereins letztendlich die Entscheidung zur Verpflichtung treffen, sollte auch normal sein.
Ähnlich überraschend kam die Verpflichtung von Eric Maxim Choupo-Moting als Backup für Lewandowski. Der in Deutschland gebürtige Kameruner stand noch im CL-Finale im Team von PSG und hatte kurz vor Spielschluss sogar eine große Chance, die Bayern in die Verlängerung zu schicken. Bei ihm hat der FCB wohl schlichtweg die Gelegenheit ergriffen: Choupo-Motings Vertrag in Paris ist ausgelaufen und beim „Corona-aktuellen Geiz-ist-geil“ war der ablösefreie Stürmer einfach ein Schnäppchen. Zudem gilt er als „extrem guter Charakter“. Bei einem Ein-Jahres-Vertrag unter diesen Voraussetzungen kann man nicht so viel falsch machen, dagegen vieles richtig.

Abwägung Zugänge / Abgänge
FC Bayern Total meint: Obwohl viele sog. Experten einige Zugänge der Rubrik „2. Wahl“ (wenn nicht sogar 3.) und „Resterampe“ zuordnen und viele Thiago nachtrauern, steht die Mannschaft im Herbst 2020 wohl von der Qualität wie auch Quantität sogar noch besser als zum selben Zeitpunkt 2019 da – und dies bezieht sich nicht auf den zwischenzeitlich vollzogenen Trainerwechsel, sondern rein auf die zur Verfügung stehende Mannschaft.
Offizieller Profi-Kader des FC Bayern für die Saison 2020/21
Tor (3): Manuel Neuer – Alexander Nübel – Ron-Thorben-Hoffmann
Abwehr (8): Niklas Süle – Benjamin Pavard – Jerome Boateng – Alphonso Davies – Bouna Sarr – Lucas Hérnandez – Tanguy Nianzou – David Alaba
Mittelfeld (5): Joshua Kimmich – Javi Martínez – Leon Goretzka – Marc Roca – Corentin Tolisso
Angriff (8): Serge Gnabry – Robert Lewandowski – Leroy Sané – Douglas Costa – Eric Maxim Choupo-Moting – Joshua Zirkzee – Thomas Müller – Kingsley Coman.
Drei Torhüter – 21 Feldspieler. Dazu kommen noch die bereits „Bundesliga-erfahrenen“ Campus-Kicker Chris Richards (sehr ansprechende Leistung gegen die Hertha), Jamal Musiala, aber auch der aktuell freiwillig ins zweite Glied zu den Amateuren gerückte Fiete Arp und die portugiesische Neuverpflichtung Tiago Dantas. Nicht vergessen sollte man den leider mit einer Kreuzbandverletzung ausgefallenen Malik Tillman und auch den hochtalentierten Nicolas Kühn von den Amateuren.
Apropos Nachwuchskräfte
Viele Fans beklagen, dass speziell mit Choupo-Moting und Bouna Sarr den Nachwuchshoffnungen Zirkzee und Richards weniger erstklassige als routinierte Backups vor die Nase gesetzt wurden und damit einmal mehr die Arbeit des Campus torpediert werden würde. Dies stimmt in der Form nicht bzw. kommt diese Denke nicht über den Tellerrande hinaus.
In bereits frühzeitig entschiedenen Spielen wie gegen Schalke (8:0) kann man selbstverständlich in der Schlussphase nahezu inflationär Nachwuchskräfte zum Einsatz bringen, in engen Bundesliga- und vor allem CL-Spielen sieht dies aber ganz anders aus. Die Belastungen der laufenden Saison werden jedoch gewaltig sein, es wird viele verletzte angeschlagene Spieler geben, eventuell sogar „Covid-Ausfälle“. Zudem können sich Zirkzee & Co weiterhin durch gute Leistungen für die 16 Spieler empfehlen, die in Corona-Zeiten in einem Spiel eingesetzt werden können. Wenn die „Campus-Jungs“ ehrgeizig am Ball bleiben, werden sie gerade in der „Corona-Saison“ mehr Einsatzchancen erhalten werden als dies in „normalen Spielzeiten“ möglich erscheint.
Auch den Wünschen einiger Fans, wonach man diese Corona-Zeit als Umbruch zu Gunsten des Campus und zu Lasten von Spielertransfers bzw. –verpflichtungen nützen sollte, kann ein auf Erfolg fixierter Verein wie der FC Bayern nur eine klare Absage erteilen. Der Triple-, Quadruple- und Quintuple-Gewinner 2020 hat eine Mannschaft mit einem Dutzend internationaler bis Weltklassespieler. Wenn diese ausschließlich mit Nachwuchskickern ergänzt werden und damit womöglich, zumindest kurzfristig, das Leistungsgefälle innerhalb des Teams in wichtigen Spielen zu groß sein wird, kann man zumindest international nicht erfolgreich sein und unter den ehrgeizigen Stamm- und Führungsspielern wird eine beträchtliche Unzufriedenheit aufkommen, welche sich wenig leistungsfördernd für alle beteiligten Spieler auswirken würde.
Einschätzung des FCB-Kaders 2020/21
Der Kader ist insgesamt keineswegs schwächer einzuschätzen als der „Triplesieger-Kader 2019/20“. Die Positionen „Torwart“, „Verteidigung“ und „Angriff“ sind nominell vielleicht sogar noch ein bisschen stärker als in der abgelaufenen Saison. Einzig der Abgang von Thiago hinterlässt eine wirkliche Lücke. Dabei sollte man allerdings nicht vergessen, dass das Duo Kimmich / Goretzka bereits in der Triple-Saison häufig auf eine etwas andere noch physischere Art den spanischen Edeltechniker, welcher auch durchaus des Öfteren verletzt fehlte (u.a. im Pokalfinale), ersetzt hat. Und man hat nun einen Marc Roca.
Wie in der extrem erfolgreichen Saison 2019/20 kommt es auf viele Komponenten an:
Kann Hansi Flick beim anstehenden Wahnsinnsprogramm die zahlreichen Neuverpflichtungen reibungslos in sein Spielsystem „einpflegen“? Hier sind wir beim Punkt „sehr späte / zu späte Neuverpflichtungen“. In dieser Hinsicht könnte sich Brazzos Strategie – 90min – Salihamidzic erklärt die späten Transfers – als fatal herausstellen. Hoffentlich ist diese Befürchtung unbegründet, das Vertrauen in Flick scheinbar grenzenlos.
Im Vergleich zur Vorsaison ist der Kader zwar etwas größer, im nationalen und noch mehr im internationalen Vergleich aber trotzdem verhältnismäßig klein. Können die Bayern ihren aufwendigen Erfolgsstil über einen längeren Zeitraum bei dieser Spielbelastung durch ziehen?
Eines sollte allen Verantwortlichen des FCB klar sein: Obwohl Hansi Flick und seine Mannschaft in der letzten Saison sensationelles geleistet haben und eine der besten Spielrunden im Weltfußball gespielt haben, hat der Verein diesen nahezu unfassbaren Erfolg auch der Corona-Situation zu verdanken. Der Kader 2019/20 war Weltklasse – aber nur bis zum maximal 15. Spieler. Durch die Corona-Unterbrechungen konnte der eigentlich für diese Ambitionen zu kleine Kader immer wieder durch schnaufen, Kraft tanken und neu durchstarten. In einer „normalen Saison“ wäre dies höchstwahrscheinlich nicht möglich gewesen.
Dies soll keineswegs die überragende Leistung ab Dezember 2019 schmälern, trotzdem auf Probleme hinweisen, die 2020 nur in einem begrenzten Maße behoben wurden.
Der Erfolg der Bayern 2020/21 ist mehr denn je von den äußeren Umständen abhängig. 2019/20 meisterte der Verein und sein Team die durch die Pandemie hervorgerufene Krisensituation im (Welt-)Fußball am besten – mit Disziplin, Willensstärke, Intelligenz, Können, aber auch mit Glück. Die erstgenannten Attribute werden den Bayern sicherlich erhalten bleiben, Glück ist aber ein unzuverlässiger Partner. 2014-2016 waren die Bayern international z.B. vollkommen vom Glück verlassen, 2020 eher vom selben geküsst – was passiert in der entscheidenden Phase 2021?
Fazit
Ähnlich wie 2019/20 ist auch 2020/21 für den FCB alles möglich. Die Ausgangslage natürlich eine andere: Startete man 2019 international als Außenseiter in die Saison, gilt die Mannschaft aktuell, was ihr Potenzial betrifft, als die weltbeste.
Vieles wird auch davon abhängig sein, wie sehr die Saison 2020/21 von der Pandemie betroffen sein wird. Gibt es irgendwann einmal regelmäßig wieder Spiele mit (einer beträchtlichen Anzahl an) Zuschauern? Dürfen einige Teams „Corona-bedingt“ regelmäßig ihre Heimspiele vor zumindest kleineren aber lautstarken Heimfans austragen, während anderen Mannschaften dieses „Privileg“ dauerhaft verwehrt wird?
Müssen bei dem Wahnsinnsprogramm zusätzlich Spiele abgesagt, neu angesagt oder sogar am grünen Tisch gewertet werden?
„Unter normalen Umständen“ spielt der FCB wieder um alle Titel. Aber das ist seit ca. 10 Jahren alles andere als eine gewagte Prognose.
PS: Der FCB hat aktuell – von der UEFA bestätigt 😉 – den besten Spieler und Stürmer Europas / der Welt (Lewy), den besten Trainer Europas (Flick), den besten Torwart (der Welt; Manuel Neuer) und den besten Verteidiger Europas (Kimmich), obwohl dieser eigentlich ein Mittelfeldspieler ist, in seinen Reihen.
Dies noch einmal ausdrücklich zu erwähnen, erscheint FC Bayern Total wichtiger als eine Diskussion um sinnvolle Ablösesummen und mögliche Konflikte zwischen Vorstand und Trainer, zumal gerade letztere ausschließlich von den Boulevardmedien „aufgedeckt“ werden. Bietet der Verein seinem herausragenden Trainer und seinen Superspielern weiterhin beste Bedingungen, kann auch in der kommenden Saison alles erreicht werden.
2. PS: Sehr schön, dass auch ein Javi Martínez noch Teil der Mannschaft ist, aber auch David Alaba, welcher hoffentlich in absehbarer Zeit beim FCB zur Beruhigung aller verlängern wird.
Es wird eine sehr komplexe Saison werden … mit erfolgreichen Bayern 🙂
Ich lege mich mal fest: Bayern hat alles richtig gemacht, und der Kader 2020/2021 wird sogar noch stärker sein als der von 2019/2020.
Warum:
1. Corona wird für den FC Bayern weitreichende Folgen haben. Man muss ganz klar sehen, die meisten Einnahmen, gerade im Vergleich zur Konkurrenz, aber auch absolut, erzielt Bayern im Merchandising. Und dieser Bereich wird weiter leiden, auch wenn mal wieder Zuschauer zugelassen sind. Oder kennt Ihr einen, der sich diese Saison schon ein Trikot gekauft hat? Oder der sich wenigstens in den nächsten 12 Monaten vielleicht eins kaufen wird? Ich nicht. Schon mit Sane ist Bayern ins Wagnis gegangen. Auch noch Hudson Odoi zu holen, dem sein aktueller Trainer zu geringe Professionalität vorwirft, wäre extrem gewagt gewesen.
2. Es gibt einen ganz klaren roten Faden, der drei der vier neuen, Costa, Choupo-Mouting und Sarr, auszeichnet: Physis und Speed (gut, bei Costa unterstelle ich einfach, dass er noch 95% seiner damaligen Form auf den Platz bringt). Und mit Physis, Speed und einer unglaublichen Schnelligkeit im Gegenpressing haben wir die CL gewonnen. Einzig Roca dürfte andere Qualitäten haben – aber eine Mannschaft wie die unsere kann so einen Spieler durchaus tragen. Und mindestens einen braucht man, der vor allem den Ball bewegt (und erst dann seinen Körper).
3. Mein großer Wunsch war es, einen “Steal” zu landen. Sarr könnte der Steal sein (was der Verein vielleicht auch so sieht, er hat einen VIER-Jahresvertrag bekommen – offenbar ist seine Wertschätzung schon noch “etwas” höher als damals die eines Edson Braafheid). Warum tippe ich das? Sarr war genau so früher mal Stürmer wie unser aktueller linker Außenverteidiger. Er wird sich offensiver positionieren als Pavard, weil er die Meter nach hinten noch etwas schneller zurücklegen kann. Unsere Präsenz im Mittelfeld wird durch Sarr noch einmal verstärkt.
4. Costa hätte ich nie abgegeben – mir hat der Guardiola-Fußball nämlich genau so oft keinen Spaß gemacht wie am Schluss ihm. Wie neidvoll habe auf Juve geschaut, als er plötzlich ein CL Finale gespielt hat (wovon Bayern und Guardiola damals weit weg waren, Guardiola ist es noch immer). Ich denke, wir werden Spiele sehen, in denen Costa neben Gnabry und einem weiteren Winger auflaufen wird – und Gnabry kommt dann durch die Mitte.
5. Auch bei den Abgängen hat man wohl alles richtig gemacht. Thiago wollte man, so glaube ich, nur zu 95% halten. Ich sehe seinen Abschied als Chance, etwa neues zu probieren. Wenn sich zeigen sollte, dass er eine echte Lücke hinterlassen hat, kann man die immer noch füllen. Perisic hätte ich auch gerne behalten – aber wenn er und Costa zur Wahl stehen, kann ich mit beiden hervorragend leben. Jetzt darf ihm Inter sein Gehalt bezahlen – die ihn wohl weiter loswerden wollten, ihn aber nicht losgeworden sind, so blöd kann’s laufen in den Zeiten von Corona. Boateng, Martinez und Zirkzee waren Verkaufs- bzw. Verleihkandidaten, die jetzt alle noch da sind. Finanziell / entwicklungstechnisch hätte ich Abgänge bevorzugt. Aber die Saison wird intensiv, man wird alle drei brauchen können.
6. Nicht geholt wurden (neben Hudson Odoi) Timo Werner, Kai Havertz und Serginho Dest. Man kann nicht alles haben. Timo Werner wäre zwar mein Role Model für eine Lewandowski-Nachfolge (mit einer dann angepassten Taktik). Aber Timo Werner ist jetzt 24, muss jetzt Stamm spielen und Lewandowski macht noch fünf Jahre. Man kann nicht alles haben. Für Havertz hätten wir eh keinen Platz gehabt.
7. Thema Nachwuchs: Es ist BRUTAL schwer für junge Spieler. BRUTAL. Wir setzen auf Musiela, und haben alle anderen (bis auf Zirkzee, bei dem das aber IMHO noch kommen könnte), verliehen. Richtig so.
Kleine Korrektur zu deiner 4) Costa
Der Douglas hat von 2015 bis 2017 bei Bayern gespielt. Das erste (Pep-)Jahr war ziemlich gut, das zweite (Carlo-)Jahr weniger und ziemlich uninspiriert. Da war er aber unter Ancelotti nicht der einzige …
Und beim CL-Finale von Juve 2017 hast du ihn wohl mit Mario Mandzukic verwechselt. Der hat gegen Real Madrid sogar getroffen!
Stimmt, so kann man sich täuschen – dann war das vielleicht dieses Gaga-Viertelfinal-Rückspiel 2018, wo Ronaldo in der 97ten einen Elfmeter zum 1:3 verwandelt hat?
Wurde Costa aber nicht auch schon im Halbfinale 2016 gegen Atletico kritisiert? Oder erst im Jahr danach gegen Real?
Jetzt hoffe ich natürlich trotzdem, dass er dieses Jahr bei uns überzeugt ..
2016 war eigentlich noch alles paletti. Im Pokalfinale gegen den BVB hat er im Elfmeterschießen sogar die (große) Verantwortung des 5. und entscheidenden Elfmeters übernommen … und bekanntermaßen verwandelt.
Ich denke, dass so etwas die Mannschaftskollegen auch noch im Hinterkopf haben.
Brazzo auf der heutigen PK zu den Transfers in diesem “Sommer”:
„Wir hatten in dieser Transferperiode zwei Fenster. In der ersten haben wir Nübel, Nianzou und Sané verpflichtet. Danach haben wir uns komplett auf die Champions League konzentriert und wollten die Mannschaft in Ruhe arbeiten lassen. Danach mussten wir schauen, was unsere Möglichkeiten sind, haben uns Zeit gelassen, um die besten Spieler zu verpflichten.“
„Wir haben schwierige Zeiten, alle Clubs der Welt müssen damit richtig umgehen. Deswegen mussten wir mit unserem Budget richtig umgehen. Der FC Bayern ist immer interessiert, dem Trainer sportlich die bestmögliche Mannschaft hinzustellen, aber wir müssen auch sehen, dass wir nicht aus unserem finanziellen Rahmen rauskommen.“
Sehr sehr guter Beitrag – DANKE!!