Wenn die Bayern am heutigen Montag zum 21. Bundesliga-Spieltag 2020/21 gegen die Arminia aus Bielefeld antreten, dann tun sie das trotz aller aktuellen Widrigkeiten – wie eigentlich immer in den bislang gemeinsamen 17 Bundesliga-Jahren – als haushoher Favorit (Quote der Sportwettanbieter 1,17 auf Sieg). Die Gesamtbilanz spricht eindeutig für die Bayern, es gab insgesamt wenig überraschende und herausragende Ergebnisse – und trotzdem war der einzige Bielefelder Sieg in München der Anfang vom Ende der längsten Präsidentschaft in der Geschichte des FC Bayern.
Historische Bilanzen
Gesamtbilanz (inklusive zweier Pokalsiege, einer in München, einer in Bielefeld):
37 Spiele – 28 Bayernsiege – 4 Unentschieden – 5 Niederlagen – 79:36 Tore
Heimbilanz FCB
18 Spiele – 15 Bayernsiege – 2 Unentschieden – 1 Niederlagen – 43:16 Tore
Bemerkenswert bei diesen historischen Bilanzen ist, dass es eigentlich keinen einzigen FCB-Sieg gibt, schon gar keinen spektakulären, an den man sich so richtig gut erinnern kann. Obwohl die Bielefelder fast immer ein Abstiegskandidat waren, eine sog. „Fahrstuhlmannschaft“ (bislang sechs BL-Abstiege), gab es nur sehr wenige klare Bayernsiege. Ein 5:0 und ein 6:2 ragen dabei schon heraus.
Spiele mit Erinnerungscharakter
Nur am Rande erwähnt sei, dass Bielefeld als Aufsteiger 1970 das erste Aufeinandertreffen beider Vereine am 3. Oktober 1970 mit einem 1:0 auf der heimischen „Alm“ gewann.
Das „herausragende Spiel“ in der Geschichte der beiden Vereine war – leider oder logischerweise – ein absolutes Negativerlebnis aus Bayernsicht. Am 10. März 1979 zerlegten die Arminen (Trainer Otto Rehhagel!) den FCB im heimischen Olympiastadion vor sage und schreibe 11.000 Zuschauern(!) mit 4:0. Die Bayern spielten in jener Zeit keine große Rolle in der Bundesliga. Der große Hoffnungsträger war damals Paul Breitner, der zu Saisonbeginn für eine damalige BL-Rekordtransfersumme von 1,75 Millionen DM von Eintracht Braunschweig (zurück-)geholt worden war. Die Enttäuschung über den Saisonverlauf war riesengroß. Der heutige Ehren-Präsident Wilhelm Neudecker (amtierend von 1962-1979) drohte nach jenem desaströsen Spiel mit dem bei den Spielern extrem unbeliebten Trainer Max Merkel. Neudecker einigte sich mit den „Anführern“ der Mannschaft (Paul Breitner, Sepp Maier) kurzfristig scheinbar darauf, dass Coach Pal Cernai bleiben dürfe, wenn aus den anstehenden beiden Auswärtspartien drei Punkte (bei der damaligen 2-Punkte-Regelung) geholt werden würden. Jedoch schon nach dem 0:0 in Braunschweig schien sich der heute Ehrenpräsident des FCB nicht mehr an die Vereinbarung halten zu wollen. Die Mannschaft rebellierte – Neudecker schmollte und trat zurück. Die längste zusammenhängende Präsidentschaft – 17 Jahre von 1962 bis 1979 – in der Geschichte des FCB war beendet.
Der Rest ist „legendäre FCB-Geschichte“: Völlig entfesselte Bayern stürmten am darauf folgenden Wochenende den Bökelberg und verpassten beim 7:1 den Gladbachern eine „historische Klatsche“. Die Bayern spielten bis zum Saisonende noch eine gute Serie und landeten auf dem 4. Platz, der die Qualifikation für den UEFA-Pokal bedeutete. Und die Arminia? Soll man vom „Fluch des Siegs“ gegen den FCB sprechen? Nach dem 4:0-Sieg in München lediglich zwei Punkte hinter den Bayern liegend, stieg sie am Ende der Saison als Tabellen-Sechzehnter ab.
Aus heutiger Sicht unverständlich: Am 33. Spieltag der Saison 1981/82 gewann der FCB zuhause gegen die Arminia mit 3:2. So weit, so gut. Aber auch für ein Freitagabendspiel und die Gewissheit, dass die Bayern die Saison „nur“ als Tabellendritter beenden würden, war die Zuschauerkulisse von 5000 aus heutiger Sicht ein schlechter Witz. Warum war es überhaupt ein Freitagspiel? Der DFB wollten den Bayern einen Tag länger Zeit zur Vorbereitung auf das Endspiel im Europapokal der Landesmeister gegen Aston Villa in Rotterdam geben (alle Europapokalendspiele fanden damals am Mittwoch statt). Die Bayern auf dem Weg zum Triumph in der Königsklasse – und sie werden von den eigenen Fans nicht richtig verabschiedet? Kein Wunder, dass das Finale, wenn auch extrem unglücklich, mit 0:1 verloren ging.
Am 16. September 2006 verloren die Bayern zum letzten Mal gegen bzw. in Bielefeld. Nach einer Länderspielpause sorgte zwar Neuzugang Mark van Bommel früh für die 1:0-Führung, am Ende behielt aber Bielefeld mit 2:1 die Oberhand. Der Anfang vom Ende der aus heutiger Sicht letzten „ganz schlimmen FCB-Saison“, welche in einer heftigen Umstrukturierung im Kader in der Folgesaison mündete. Die folgenden fünf BL-Spiele gegen die Arminia gewann der FCB alle – alle traditionell unspektakulär, dreimal mit 1:0. Am Ende der Saison 2008/09 stiegen die Arminen zum sechsten Mal aus der Bundesliga ab.
11 Jahre später, in der Saison 2019/20, stieg Bielefeld durchaus überraschend wieder in die Bundesliga auf. Das Hinspiel in der SchücoArena (die frühere „Alm“) am 17. Oktober 2020 gewannen die Bayern dank der beiden Doppelpacks von Thomas Müller und Robert Lewandowski mit 4:1.
Zum heutigen Spiel
Auch wenn die Bayern am letzten Donnerstag in Katar das Sextuple mit dem 4. Klub-WM-Sieg der Vereinsgeschichte komplettiert haben, mussten sie einige personelle und wohl auch mentale Nackenschläge hinnehmen. Thomas Müller hat sich mit dem Corona-Virus infiziert, Serge Gnabry einen Muskelfaserriss zugezogen und Jerome Boateng steht aus tragischen privaten Gründen auch nicht zur Verfügung. Ebenso fallen etwas überraschend Leon Goretzka und Javi Martinez offensichtlich weiterhin aus, obwohl letzte Woche schon spekuliert wurde, ob sie nach überstandenen Corona-Infektionen nach Katar nachreisen könnten.
Arminia Bielefeld reist mit dem schwächsten Sturm der Bundesliga (15 Tore in 20 Spielen) als Tabellen-Sechzehnter an und man kann mit Spannung erwarten, mit welcher Taktik die Ostwestfalen die hohe Hürde in der Allianz Arena antreten werden.
Die aktuelle Form des FCB wirft vor dem heutigen Spiel Fragen auf: Wie haben die Spieler die Klub-WM verkraftet? Sind alle physisch und mental fit? Das heutige Spiel wird sicherlich kein Selbstläufer werden.
Tipp FC Bayern Total
Die Bayern gewinnen unspektakulär mit 2:0. Die Abwehr hat sich durchaus in den letzten Spielen ohne Gegentor stabilisiert. Aktuell schwächelt eher die Offensive – trotz Robert Lewandowski – ein bisschen.
Informationen zum Spiel auf der offiziellen Homepage des FCB https://fcbayern.com/de/news/2021/02/5-zahlen-und-fakten-zum-heimspiel-gegen-bielefeld
Sehr schöner Beitrag (v.a. die 1979er Geschichte!).
FCB Totals Tipp: Naja, konnte ja keiner ahnen, dass die erste Halbzeit als Schneeballschlacht ausgetragen wird – und dass da gerade die Bayern so schlecht sind. Aber der einzige richtige Bayer (Thomas Müller) fehlt ja leider! )-: