„Ein absolut gebrauchter Tag“!

Als Bayernfan immer noch fassungslos über das 0:5-Pokal-Debakel in Gladbach versucht man einen halben Tag später Erklärungen zu finden, was gestern schief gelaufen ist und wofür die Bayern selbst bislang keine plausiblen anbieten können.

Die Erklärungen der Bayern

Was die Bayern nach dem Spiel anboten, war eher eine geballte Portion Rat- und Fassungslosigkeit über die eigene Leistung als wirkliche Erklärungsansätze. Hierzu stellvertretend:

Interimscoach Dino Toppmöller

 „Wir hatten einen rabenschwarzen Tag, sind immer einen Schritt zu spät gekommen. Das ist schwer zu akzeptieren. Es war ein hochverdienter Sieg für Gladbach. Wir haben uns viele Dinge vorgenommen, die wir dann nicht umsetzen konnten. Nach 20 Minuten hier 3:0 zurückzuliegen, ist natürlich ein Brett. Es war ein absolut gebrauchter Tag und es tut uns leid, dass wir unsere Fans so enttäuscht haben. Wir müssen uns jetzt schütteln und am Samstag eine Reaktion zeigen.”

Thomas Müller 

„Wir haben im gesamten Spiel nie den Punkt gefunden, wo der Bayern-Wutmotor anging. Wir können uns nur bei den Fans entschuldigen und den Gladbachern entschuldigen. Es war mit Ausnahme von Neuer eine katastrophale Leistung von uns. So etwas habe ich auch noch nicht erlebt. Es ist schwierig zu fassen. Wir müssen das jetzt abhaken, denn Samstag geht es weiter.”

Hasan Salihamidžić (Sportvorstand)

„Wir waren einfach nicht da, in keinem Zweikampf. In der ersten Halbzeit haben wir keinen Zweikampf gewonnen, nicht umgeschaltet und uns den Schneid abkaufen lassen. Es war ein kollektiver Blackout. Es ist unerklärlich. Wir wissen, wie schwer es ist in Gladbach. Es ist alles schiefgelaufen, was schieflaufen konnte. Gladbach hat super gespielt, sie haben von der ersten Minute an jeden Zweikampf angenommen und sich richtig reingehauen.”

Alle Aussagen treffen den (Sarg-)Nagel des gestrigen Spiels auf den Kopf, bieten aber tatsächlich keine seriöse Erklärung an.

Eigene Erklärungsansätze

Es ist wirklich schwer. Es hat schon nach wenig mehr als 60 Spielsekunden angefangen, als der nach Verletzungspause zurück gekommene Alphonso Davies diesen katastrophalen Fehlpass vor dem eigenen Strafraum gespielt hat, welcher in unmittelbarer Folge zum 0:1 führte. Rückblickend war dies schon die Vorentscheidung im Spiel. Die Bayern geschockt, das Selbstvertrauen der Gladbacher von Spielminute zu Spielminute größer. Mit Ausnahme von Leroy Sané erreichte kein einziger Feldspieler des FCB nur ansatzweise Normalform. Manuel Neuer traf an dem Debakel die geringste Schuld. Einen Sahnetag hatte aber auch er keineswegs.

Zu viele Störfeuer vor dem Spiel

Wenn eine Mannschaft, die mit ganz wenigen Ausnahmen in den Wochen zuvor Klasse- bis Weltklassefußball gespielt hat, kollektiv in einem ganzen Spiel versagt, dann darf man schon einmal tiefer bohren und mentale Gründe nachfragen.

Lucas Hernández, der speziell in der Entstehung des vorentscheidenden Elfmeters zum 0:3 eine unglückliche Figur abgab (auch wenn der Elfmeter selbst absolut unberechtigt war), musste wochenlang bangen, in Spanien eine halbjährliche Haftstrafe anzutreten. Eigentlich hätte man vermuten können, dass die gestrige Umwandlung in eine Bewährungsstrafe eine Befreiung für ihn darstellen musste und er dementsprechend selbstbewusst im Match auftritt. Vielleicht ist bei ihm aber das Gegenteil eingetroffen: Die ganze Anspannung ist abgefallen und dieser eigentlich in der ursprünglichen Angelegenheit positive Spannungsabfall war ursächlich für seine zahlreichen Unkonzentriertheiten im gestrigen Spiel.

Der „Medienfall des bislang ungeimpften Joshua Kimmich“ – dazu muss man eigentlich nichts mehr Erklärendes schreiben.

Eingeleitet wurde diese für den Spieler, seine Mannschaftskameraden und den gesamten Verein unangenehme Angelegenheit durch die positive Covid19-Testung von Trainer Julian Nagelsmann trotz erfolgter Zweifach-Impfung. Und wahrscheinlich gab es selten einen eindeutigeren Beweis, dass Aussagen wie von Lothar Matthäus, dass Teams wie Bayern eigentlich keinen Coach brauchen, Blödsinn sind, als das gestrige desaströse Spiel. Ein Chefcoach Nagelsmann auf der Trainerbank hätte sicherlich viel intensiver agiert und ins Spiel eingegriffen als der ihn vertretende Assistenztrainer Toppmöller.

Vielleicht war das gestrige hochbrisante Spiel aber auch nicht der richtige Zeitpunkt, um die zuletzt verletzt bzw. krank ausgefallenen Stammspieler Phonzie Davies und Leon Goretzka in die Startelf zu integrieren.

Viele Bayernhasser führen nach dem Spiel ebenso hämisch wie genüsslich an, dass die Bayern ja sogar in Bestbesetzung angetreten wären – ja, auf dem Papier war dies tatsächlich der Fall, aber eben nur da …

Auch die Erklärungsversuche von FC Bayern Total beinhalten sehr viele Konjunktive …

Bayern nicht so haushoch unterlegen

Speziell in den Social Media konnte man sogar von einigen Fans lesen, dass die Niederlage sogar noch wesentlich höher hätte ausfallen können. Brazzo sprach davon, dass Bayern keinen einzigen Zweikampf gewonnen hätte.

Diese Aussagen sind sehr hart und können ausschließlich für die erste Halbzeit gelten.

Statistiken spiegeln zwar häufig einen Spielverlauf nicht korrekt wider, liegen aber oft auch nicht völlig falsch: Die 62% Ballbesitz schenken wir uns, vielleicht auch die 9:2 Ecken pro Bayern. Aber bei einem Torschussverhältnis von 15:13 pro Bayern gingen auch 8:7 auf das Tor. Einige absolute Hochkaräter wurden von den Bayern eher kläglich vergeben (Thomas Müller, Benjamin Pavard), aber einige Male reagierte Yann Sommer auch absolut (Welt)Klasse. Der Schweizer hat sich über die Jahre sowieso zu so etwas wie einem „FCB-Experten“ entwickelt: Patzt er in anderen Partien regelmäßig, hält er fast ausschließlich überragend gegen die Bayern.

Ca. eine Viertelstunde vor Spielende hatten die Bayern eine Phase mit Torchancen, aus welchen sie in den Spielen in Leverkusen und Lissabon in wenigen Minuten drei bis vier Tore gemacht haben. Nicht falsch verstehen: M´gladbach war gestern definitiv die bessere Mannschaft – aber ein 0:5 aus Bayernsicht ist schon Höchststrafe genug. Mehr wäre auch nicht verdient gewesen!

Was Hoffnung macht

Auch in den besten Spieljahren der Vereinsgeschichte mit Europapokaltriumphen und gar in den Triple-Jahren geb es ganz empfindliche Klatschen und desaströse Niederlagen. Beispiele gefällig?

1973/74 – Deutscher Meister / Landesmeistercup-Sieger

Am 20. Oktober 1973 führen die Bayern beim damaligen Angstgegner 1. FC Kaiserslautern auf „Deutschlands höchstem Fußballberg“, dem Betzenberg, mit 3:0 und 4:1 (57. Minute), um am Ende eine unvergessene 4:7-Demütigung zu erleiden.

Unter den Torschützen der Roten Teufel: Klaus Toppmöller, der Vater vom gestrigen „Unglückscoach“ Dino.

1974/75 – 2. Europapokalsieg der Landesmeister

Die amtierenden Europapokalsieger und mit zahlreichen frisch gebackenen Weltmeistern angetretenen Bayern verlieren am ersten Bundesligaspieltag mit sage und schreibe 0:6 gegen die Offenbacher Kickers im Frankfurter Waldstadion. Am Saisonende steht man zwar in der BL-Tabelle nur auf Rang 10, verteidigt aber den Landesmeistercup.

2000/01 – Deutscher Meister / Champions League Sieger

Am 1. November 2000 verlieren die Bayern in der 2. Pokalrunde beim Viertligisten(!) 1. FC Magdeburg mit 3:5 n.E. – viel mehr Blamage geht nicht.

2012/13 – Triple-Sieger

Am 2. Oktober 2012 verlieren die Bayern am 2. Spieltag der Gruppenphase mit 1:3 beim weißrussischen Meister Bate Baryssau.

2019/20 – Triple-Sieger

Am 2. November 2019 verlieren die Bayern am 10. BL-Spieltag mit 1:5 bei Eintracht Frankfurt. Niko Kovac wird durch Hansi Flick ersetzt, der Rest ist FCB-Geschichte.

Mundabwischen

… und in Berlin bei Union sofort wieder in die Erfolgsspur finden. Eine äußerst unangenehme Aufgabe – Charakter ist gefragt. Das war es aber auch, als die Bayern nach der unglücklichen Heimniederlage gegen Frankfurt vor knapp zwei Wochen so grandios in Leverkusen aufgetreten sind.


Veröffentlicht von fcbayerntotal

Admin und Autor von FC Bayern Total

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