Als Julian Nagelsmann im Sommer – mit einem 5-Jahres-Vertrag ausgestattet – seinen Trainerjob als Nachfolger vom „Sextuple-Trainer“ Hansi Flick an der Säbener Straße begann, gab es von den Bayernfans nicht nur Beifall. Das Hauptargument der Skeptiker gegen den damals 33-Jährigen war seine angeblich so geringe Trainererfahrung, speziell was den internationalen Fußball betrifft. Dieses Argument war zum einen falsch und zum anderen sollte der jüngste Chef-Coach der FCB-Bundesligageschichte die Bedenken mittlerweile auch sportlich ad acta gelegt haben.
Nagelsmann schon sehr früh mit CL-Erfahrung
Viele skeptische FCB-Fans vergaßen, dass Nagelsmann als Chefcoach die TSG Hoffenheim bereits 2016/17 als Bundesliga-Vierter in die CL-Qualifikation geführt hatte, dort jedoch an Liverpool gescheitert war. Ein Jahr später gelang als Dritter dann tatsächlich die direkte Qualifikation für die CL-Gruppenphase 2018, in welcher man allerdings Gruppenletzter hinter ManCity, Olympique Lyon und Donezk wurde.
Auch wenn diese TSG-CL-Erfahrungen aus FC Bayern-Perspektive wenig erfolgreich scheinen, sollte man dabei nicht übersehen, dass dies international die beiden wichtigsten bzw. erfolgreichsten Jahre in der Geschichte der TSG Hoffenheim waren.
Als Trainer von RB Leipzig führte er seine Truppe bis ins Halbfinale des Finalturniers in Lissabon im August 2020. Dort scheiterten seine Bullen an PSG, welches im Finale den „Super-Bayern“ mit 0:1 unterlag. Auch in seiner zweiten Saison in Leipzig coachte er seine Mannschaft in die KO-Runde, scheiterte aber dort bereits im Achtelfinale, abermals an Liverpool.
Nagelsmanns bisherige Bilanz beim FC Bayern
Nach einer holprigen Saisonvorbereitung, in welcher ihm der gesamte Kader aufgrund der Fußball-Europameisterschaft erst in der letzten Trainingswoche zur Verfügung stand, startete Nagelsmann mit seinen Bayern nach einem halbwegs gelungenen Saisonstart am 13. August beim aktuellen „BL-Angstgegner“ Borussia Mönchengladbach (1:1) so richtig durch.
Trotz zweier ärgerlicher bzw. unnötiger Niederlagen gegen Frankfurt und in Augsburg (jeweils 1:2) führt man in der Winterpause die BL-Tabelle souverän mit 43 Punkten und 56:16 Toren an. Dies ist der beste Wert seit 2015. Den ärgsten Rivalen aus Dortmund hat man zur Halbzeit der Saison damit bereits mit 9 Punkten und dem wesentlich besseren Torverhältnis ganz klar distanziert.
Die CL-Gruppe mit Benfica Lissabon, FC Barcelona und Dynamo Kiew dominierte man mit 6 Siegen und einem Torverhältnis von 22:3 Toren. Dies bedeutet die Einstellung des CL-Rekords von „Flicks Triple-Bayern“.
Der einzige große Wermutstropfen war das Ausscheiden in der 2. DFB-Pokalrunde in Gladbach. Der Corona-Infizierte Nagelsmann musste zuhause am TV-Gerät miterleben, wie seine Truppe mit 0:5 unterging.
Trotzdem liest sich die bisherige Saisonbilanz von Julian Nagelsmann inklusive des 3:1-Supercup-Siegs in Dortmund mehr als beachtlich:
26 Spiele / 22 Siege – 1 Unentschieden – 3 Niederlagen; Torverhältnis insgesamt 93:25! 67 Punkte aus 26 Spielen bedeuten einen Schnitt von 2,58 Punkten pro Spiel. Wenn man bedenkt, mit wie vielen Widrigkeiten die Bayern zu kämpfen hatten (zahlreiche Verletzungen; Corona-Ausfälle), dann ist dies eine großartige Bilanz.
Nagelsmann im Vergleich zu früheren FCB-Trainer-Legenden
FC Bayern Total hat sich dazu die Mühe gemacht, die Bilanzen der erfolgreichsten FCB-Trainer seit dem Bundesliga-Aufstieg 1965 in deren ersten 26 Pflichtspielen als Bayern-Chefcoach herauszuarbeiten. Gleich vorab: Nur einer war dabei noch erfolgreicher als der aktuelle Cheftrainer des FCB.
Udo Lattek
Lattek ist der FCB-Trainer, der die meisten Meisterschaften für den Verein gewann, nämlich sechs. Dazu drei Pokalsiege und den ersten Europapokal der Landesmeistertitel der Vereinsgeschichte (1974).
Der Udo trainierte die Bayern zweimal (1970- 3. Januar 1975; 1983-87). Seine beiden „Einstiegsspieljahre“ (1970/71 und 1983/84) beim FCB wiesen erstaunliche Parallelen auf: Beide Male wurde er Pokalsieger, aber nicht Meister. International scheiterte er jeweils mit seinen Teams frühzeitig im UEFA-Pokal.
Seine Bilanzen:
1970/71: 16 Siege / 8 Unentschieden / 2 Niederlagen.
1983/84: 15 S / 7 U / 4 N.
Insgesamt weit entfernt von Nagelsmanns Top-Bilanz 2021.
Jupp Heynckes
Der Jupp war sogar viermal FCB-Trainer. Wir konzentrieren uns auf seine beiden längeren Engagements: 1987-1991 und 2011-2013. Wie Lattek konnte auch er jeweils in seinem ersten Jahr nicht Deutscher Meister mit den Bayern werden.
Don Jupp schaffte das Kunststück, dass er 1987/88 und 2011/12 jeweils die exakt gleiche Startbilanz hinlegte: 19 S / 2 U / 5 N. Jeweils besser als Lattek, aber immer noch um einiges „schlechter“ als Julian Nagelsmann.
Ottmar Hitzfeld
Hitzfeld war zweimal FCB-Coach: 1998-2004 und Januar 2007-2008. Den besten Saisonstart in seiner Zeit beim FCB legte er gleich in seiner allerersten Saison hin: 20 S / 3 U / 3N. Dies war jahrelang die beste Startbilanz aller Bayerntrainer. Am Saisonende standen eine sehr souveräne Deutsche Meisterschaft und zwei dramatisch verlorene Endspiele zu Buche.
Felix Magath und Louis van Gaal
Obwohl beide in ihrer ersten FCB-Saison gleich das Double gewannen, sind ihre Startbilanzen weit vom Niveau des aktuellen FCB-Coaches entfernt.
Magath (2004/05): 18 S / 3 U / 5 N
LvG (2009/10): 15 S / 7 U / 4 N
Pep Guardiola
Der “unvollendete Meistercoach” der Jahre 2013-16. Eine kleine Überraschung: Auch Peps Bilanz der ersten 26 Pflichtspiele der Saison 2013/14 ist etwas schwächer als die Nagelsmann-Bilanz 2021: 21 S / 3 U / 2N; 66 Punkte; Punkteschnitt 2,54.
In der Bundesliga brach Guardiola in jener Saison zwar alle Startrekorde, aber die Supercup-Spiele verhinderten ein punktemäßig besseres Abschneiden als bei Nagelsmann: Der Deutsche Supercup ging in Dortmund verloren, den Europäischen Supercup konnte man erst im Elfmeterschießen gegen Chelsea gewinnen – statistisch ein Unentschieden. Und das letzte CL-Gruppenspiel bei ManCity wurde auch mehr oder weniger „abgeschenkt“ – ein „typisches Guardiola-Manöver“.
Carlo Ancelotti
2016/17: 20 S / 3 U / 3N. Gleiche Bilanz wie bei Hitzfeld und damit insgesamt Platz 4 hinter Guardiola (3.), Nagelsmann (2.) und …
Hansi Flick
Tatsächlich den besten Punktewert bei seinen ersten 26 Pflichtspielen (und weit darüber in hinaus) als FCB-Chefcoach erzielte der „Sextuple-Trainer“ Hansi Flick. Anfang November 2019 übernahm er nach der 1:5-Klatsche am 10. BL-Spieltag bei Eintracht Frankfurt die Cheftrainer-Position von Niko Kovac. Nach einem grandiosen 4:0-Heimspielsieg gegen den BVB zum BL-Einstand setzte es anschließend zwei weitere (sehr unglückliche) Niederlagen gegen Leverkusen und in Gladbach (jeweils 1:2), alle Saisonziele schienen gefährdet. Der Rest ist großartige FCB-Geschichte.
Flicks Startbilanz: 26 Spiele / 23 Siege / 1 Unentschieden / 2 Niederlagen; 70 Punkte; Punkteschnitt 2,69.
Fazit
Natürlich ist dies alles ein bisschen „Zahlenspielerei“. Aufgrund der Vorgaben wird z.B. die Heynckes Triple-Saison 2012/13 hier nicht erwähnt. Außerdem gewinnt man in der Hinrunde (noch) keine Titel. Trotzdem sind die bisherigen Statistiken von Julian Nagelsmann aller Ehren wert und vielleicht auch schon ein Versprechen auf eine endlich wieder einmal etwas längere Trainer-Ära beim FCB. Julian ist ein lockerer und sympathischer Zeitgenosse, nicht zuletzt deswegen möchte man sich dies für ihn, die Mannschaft, den Verein und die Fans wünschen.