Ein Kommentar
Länderspielpause – es gibt verhältnismäßig wenig über die Vereine zu berichten. Viele Fußballblätter müssen aber dennoch ihre Seiten füllen – und so gibt es eine inflationäre Anzahl an Beiträgen über Transfergerüchte und über Vertragsverlängerungen von Schlüsselspielern. Hauptsache Auflagen, Hauptsache Clicks – Niveau und Wahrheitsgehalt spielen eine völlig untergeordnete Rolle. Das “Wut-Level” vieler Fans erreicht den Siedepunkt. Aber anstelle den gesamten Blödsinn zu ignorieren, eskalieren die Diskussionen in den Social Media.
Egal, welche Meldung über den Sportvorstand des FC Bayern, Hasan “Brazzo” Salihamidzic, derzeit kommt, eine gefühlte Mehrheit der eigenen Fans kritisiert ihn aktuell fast schon reflexartig. Ähnliche Tendenzen sind mittlerweile auch beim Präsidenten Herbert Hainer und selbst beim Vorstandsvorsitzenden, der Torwartlegende Oliver Kahn, festzustellen. Bei aktuellen Personalthemen wird allen Dreien häufig eine gewisse Unfähigkeit unterstellt.
Die Wut der FCB-Fans entzündet sich hauptsächlich an den noch ausstehenden Vertragsverlängerungen der Klublegenden Robert Lewandowski (33), Manuel Neuer (Übermorgen 36) und Thomas Müller (32), die alle einen bis zum 30. Juni 2023 datierten Vertrag besitzen. Über die Bedeutung dieser Weltklassespieler für den Verein und was das Vertragsende 2023 bedeutet, müssen wir – unter Fußballexperten 😉 – wohl keine Zeit verlieren. Die Vertragssituation beim 26-jährigen Nationalspieler Serge Gnabry ist dieselbe.
Es gibt in Fußball-Deutschland mittlerweile fast niemanden, der sich zumindest zu der Situation der drei bayerischen Fußballikonen noch nicht geäußert hat. Speziell Brazzo ist völlig unfähig, dass er die Verlängerungen immer noch nicht unter Dach und Fach gebracht hat, zumal alle vier Spieler doch eigentlich am liebsten in München bleiben möchten. Oberflächlich betrachtet tatsächlich ein fast schon unfassbares Szenario.
Wer jedoch zuletzt bei den Interviews mit den Vereinsoberen genau hingehört hat, der muss festgestellt haben, dass das Wort Sparkurs wörtlich oder sinngemäß in für FCB-Verhältnisse fast schon inflationärem Ausmaß gefallen ist. Corona, internationale Wettbewerbsnachteile etc….
Und jetzt tauchen vermehrt Gerüchte auf, dass alle drei Spitzenverdiener des FCB – Lewy ganz oben, dahinter Müller und Neuer – für ihre wahrscheinlich letzte große Vertragsunterzeichnung noch einmal eine Aufstockung des sowieso schon mehr als üppigen Jahresgehalts fordern sollen. Bei Gnabry weiß man, dass aus demselben Grund die Vertragsverhandlungen ins Stocken geraten sind.
Ich persönlich bin ein ganz großer Fan der drei “FCB-Oldies”, was die Leistung, aber auch was ihr Auftreten betrifft. Alle genießen bei mir einen großen Sympathiebonus. Aber sollten die durchaus realistischen Gerüchte um die geforderten Gehaltsaufstockungen tatsächlich stimmen, würde mich jeder einzelne maßlos enttäuschen. Wir durchleben derzeit so unfassbar schwere Zeiten, ein Großteil der Bürger, der Fußballfans, muss den Gürtel sehr viel enger schnallen. Lewandowskis Heimatland ist gerade mitten im Wahnsinn – und es könnte noch schlimmer werden. Leben Profifußballer derzeit tatsächlich in einer Art Parallelwelt? Haben sie gar kein Gefühl mehr, was um sie herum passiert? Selbst eine Vielzahl an (großzügigen) Spenden könnten mein diesbezügliches Unverständnis nicht beruhigen.
Es bleibt die Hoffnung, dass diese nahe liegende Vermutung tatsächlich bei allen Dreien nur ein übl-ich-es Gerücht ist. Dann schon lieber über Brazzo & Co schimpfen 😉 Aber vielleicht tut man den Bayernbossen aktuell doch großes Unrecht …
PS: Serge Gnabry verdient ganz sicherlich keinen Hungerlohn beim FCB, trotzdem gehört er nach vorliegenden Informationen nicht zu den Topverdienern im Verein. Wenn sich seine Vorstellungen an den Zahlen von Coman und Sané orientieren, kann ich das noch am ehesten verstehen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Gut ausgedrückt von Dir, sowohl was die “Gerüchteküche” angeht, als auch die Bemerkungen über Gehaltsvorstellungen im Zusammenhang mit den allgemeinen wirtschaftlichen Bedingungen, in der sich all zy Viele Menschen befinden und die sich auch kurz- bis mittelfristig (vermutlich) verschlechtern werden.
Absolute Zustimmung. Thomas Müller scheint jedoch sehr bodenständig zu sein. Es ist das Gegenteil eines Stars wie z.B. Neymar. Ich kann nicht glauben, dass er das Geld über seine Liebe zum Verein stellen würde.
Ja, beim Thomas müssen wir uns wohl die wenigsten Sorgen machen. Eigentlich auch nicht bei unserem “Welttorhüter” … und dann gibt es eben leider noch Herrn Zahavi. Solche Piranhas sollten aus dem Weltfußball verbannt werden …
Ich bin bei allen Vieren sehr zuversichtlich. Alle vier wissen, was sie an unsrem Verein haben. Nur aus finanziellen Gründen zu wechseln, macht meist keinen Sinn – Grüße gehen raus an David Alaba und Julian Draxler.
Wie du richtig geschrieben hast, handelt es sich da ja immer um Spekulationen, wobei grad die Zeitung mit vier Buchstaben oftmals dazu tendiert, auch eine Neiddebatte zu schüren.
Von den drei kritisierten Bayern Bossen will ich Brazzo am meisten in Schutz nehmen. Er macht sehr gute Arbeit, was ich von den anderen beiden in der Außenwirkung nicht immer behaupten kann. Aber da spielen ganz andere Themen eine Rolle, beispielsweise Mitgliederversammlungen, Katar, internationale Ausrichtung etc etc
Sehr gut analysiert. Ich persönlich verstehe das Ganze mit den absurden und völlig realitätsfremden Gehältern sowieso nicht. Man könnte den Eindruck haben, dass diese Spieler noch mehr Geld zur Vollendung ihres persönlichen Glücks benötigen.
Das Glück eines Fußballprofis sollte aber mMn so definiert sein, dass man stolz darauf ist, was man schon sportlich und persönlich alles erreicht hat und noch erreichen kann und nicht wie viel Geld man seinem Arbeitgeber noch aus der Tasche ziehen kann.
Ich hatte immer den Eindruck, dass gerade die Herren Müller, Lewandowski und Neuer sehr selbstbewusst sind. Zu einem gesunden Selbstbewusstsein gehört jedoch, sich auch mal mit dem Status Quo zufrieden zu geben und vor allem mal das Gesamtpaket zu sehen. Aber wahrscheinlich antworten die meisten Spieler auf die Frage, ob sie sich wohlfühlen, nur mit „Ja“, weil sie dem Interviewpartner so wenig „Angriffsfläche“ wie möglich geben wollen. Zu einem seriösen Journalisten gehört es aber, auch mal kritischere, tiefgründigere Fragen zu stellen. Aber das passiert – oder vielleicht auch darf – viel zu selten passieren. Aber wenn alle damit leben können, muss ich es wohl oder übel auch tun. Ich tue mir immer sehr schwer über jemandes Vertragsverhandlungen zu urteilen, da ich erstens mich nicht zu höchstpersönlichen Dingen eines Menschen äußern möchte und zweitens ich keinen allzu großen Wert auf die Aussagen der ach so tollen Journalisten lege. Natürlich würde ich mich freuen, wenn alle verlängern würden. Wie ich bereits gesagt habe, ist es aber eine höchstpersönliche Entscheidung eines Menschen. Und wenn sich einer der Genannten anders entscheidet und es auch nachvollziehbar begründen kann, darf man dem Spieler nicht böse sein. Wenn es augenscheinlich aber keine sportlichen oder persönlichen Gründe für einen Wechsel gibt, muss man seinen Unmut kundtun, s. DA27.