Ob morgen Abend im Heimspiel gegen den BVB oder an den darauf folgenden Spieltagen, der FC Bayern wird auch in dieser Saison wieder Deutscher Meister werden – zum 10. Mal in Serie. Viele – Medien wie gegnerische, selbst eigene Fans – wollen das unverständlicherweise nicht als eine großartige Leistung anerkennen. Die Gründe dafür dürften sehr unterschiedlich sein: Hoffen die (vor allem Boulevard-)Medien auf eine große Anzahl an Clicks, wenn sie dem FC Ruhmreich (tatsächlich von einem Münchner Boulevard-Bladdl gestern in diesem Kontext so bezeichnet) ans Bein pinkeln wollen, platzen die gegnerischen Fans deswegen größtenteils vor Neid, auch wenn sie dies natürlich nie zugeben würden. Am unverständlichsten sind definitiv die Meinungen und Argumente der eigenen „Fans“, wenn es um eine Missachtung dieses anstehenden Rekords geht.
Heldenverehrung von Serienmeistern in anderen Sportarten
Ich war ein kleiner Junge, kann mich aber noch bestens daran erinnern, wie sehr der amerikanische Schwimmer Mark Spitz bei den Olympischen Sommerspielen in München 1972 für seine sieben Goldmedaillen gefeiert wurde. Ebenso Eddy Merckx, der belgische Seriensieger der Tour de France, später Bernard Hinault beim selben sportlichen Großereignis. Björn Borg, nahezu unbesiegbar in Wimbledon in den 1970er Jahren, Jahrzehnte später Rafael Nadal auf Sand in Roland Garros. Michael Schumacher, der deutsche Formel-1-Heroe. Carl Lewis, Usain Bolt, diverse Boxweltmeister, die ihre Gürtel viele Jahre behalten konnten. Die Menschen auf der ganzen Welt liebten diese scheinbar unbesiegbaren Sporthelden – wobei es natürlich auch immer Neider und Missgünstige gab.
Gefeierte Serienmeister im deutschen Mannschaftssport
Die Geschichte des Basketballs in Deutschland, welche erst nach dem 2. Weltkrieg startete, kennt eigentlich fast ausschließlich Serienmeister: USC Heidelberg, Bayer Giants Leverkusen, beide mittlerweile im deutschen Spitzenbasketball verschwunden. Dann ALBA Berlin und die Brose Baskets Bamberg. Die längste Meisterschaftsserie hatten die Berliner – sieben Mal in Folge von 1997 bis 2003. Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, dass deutsche Sportblätter von Langweile im Basketball berichteten, ausschließlich Respekt und Bewunderung für die konstanten Leistungen waren der verdiente Lohn.
Dem deutschen Handballrekord- und –serienmeister THW Kiel wurde derselbe Respekt gezollt.
Warum geht das nicht im deutschen Fußball? Warum gilt das nicht für den FC Bayern?
Bis zur aktuellen FCB-Serie gab es keine Serienmeister im deutschen Fußball
Der deutsche Fußball kannte tatsächlich über 100 Jahre das Phänomen des Serienmeisters, wie er in vielen anderen Ländern schon lange existiert hatte, bis vor ein paar Jahren nicht. (Der in der Spitze durchaus manipulierte DDR-Fußball wird hier ausdrücklich außen vor gelassen)
Von den Top16-Nationen der UEFA-5-Jahreswertung hat Fußball-Deutschland zusammen mit den Niederlanden mit 29 die absolut meisten unterschiedlichen Fußballmeister in seiner knapp 120-jährigen Geschichte.
Als die Bayern in der Saison 1973/74 Deutscher Fußballmeister wurden, gelang ihnen der erste Titel-Hattrick der deutschen Fußball-Meisterschaftsgeschichte 1972-74). Borussia Mönchengladbach stellte diesen Rekord unmittelbar danach ein (1975-77) und den Bayern selbst gelang dieses Kunststück noch zweimal: 1985-87 und 1999-2001.
Seit der Saison 2015/16 – dem vierten Titel in Serie – ist jede weitere Meisterschaft ein neuer Bundesliga-, aber auch Deutscher Rekord. Jetzt steht Nagelsmanns Team vor dem 10. Titel in Folge – von den Triple-Siegern 2013 sind nur noch Manuel Neuer und Thomas Müller dabei. Letzterer wird, wenn die Meisterschaft 2021/22 dann tatsächlich unter Dach und Fach ist, der Rekordhalter unter den Spielern mit 11 Deutschen Meisterschaften. FCB-Legenden wie Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Klaus Augenthaler, Lothar Matthäus, Mehmet Scholl, Oliver Kahn, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Franck Ribéry hat er damit weit hinter sich gelassen.
Ob man anderen Vereinen im Deutschen Fußball eine derartige Serie mehr gönnen würde als dem FCB, ist schlichtweg spekulativ. Es gab eine derartige Serie noch nie, vielleicht nach Beendigung dieser für viele Jahrzehnte oder überhaupt nicht mehr. Schon lange vor dieser bayerischen Topserie hatte sich Fußball-Deutschland in zwei Lager geteilt: Bayernfans (in unterschiedlichen Kategorien) und Bayernhasser.
10 Titel in Serie = Europarekord!
Schon vor dieser Saison wurde in den Medien und bei den Fans darüber gesprochen, dass die 10. Meisterschaft in Folge ein neuer Bestwert für die fünf europäischen Topligen (Premier League; La Liga; Serie A, Bundesliga, Ligue 1) wäre. Dies hat auch Oliver Kahn am vergangenen Sonntag im Doppelpass so gemeint, als er damit die herausragende Serie des Vereins, aber auch Saisonleistung der aktuellen Mannschaft hervorheben wollte.
Eine Münchner Boulevardzeitung machte sich sogleich lustig über Kahns Aussage und den Verein:
„Weit gefehlt, Titan! Selbst wenn der deutsche Rekordmeister diese schöne, runde Bestmarke nun aufstellt … liegt er damit vorerst mit sechs anderen Dauersiegern lediglich auf einem geteilten sechsten Platz in der Europa-Wertung.
Somit befindet sich der FC Ruhmreich auf Augenhöhe mit Größen wie Sheriff Tiraspol, Dinamo Tiflis und dem FC Pjunik Jerewan aus Armenien – aber doch noch weit hinter den Überfliegern Skonto Riga und dem Lincoln Red Imps FC aus Gibraltars Eurobet Division. Die Klubs haben nämlich jeweils 14 Male in Folge triumphiert. Global betrachtet war da bislang nur der Tafea F.C. aus Vanuata noch erfolgreicher, der die PVFA Premier League 15 Mal in Serie gewinnen konnte. Der große FC Bayern: nur einer von vielen statt einzigartig? Gewöhnungsbedürftig.“
Vielleicht gefällt einigen blauen Fans in München diese deftige Provokation, FC Bayern Total versucht lieber diese journalistische Fehlleistung korrekt einzuordnen und hat als Maßstab die Rekordserien der Top16-Ligen der UEFA-5-Jahreswertung herangezogen:
England
Obwohl in England schon ca. zwei Jahrzehnte länger als in Deutschland der Fußballmeister ausgespielt wird, gibt es bislang in England „nur“ 24 verschiedene Meister (Deutschland 29).
Die Rekordserien sind vier Titel-Hattricks wie vor der aktuellen FCB-Serie in Deutschland auch:
Huddersfield Town(!) 1923-25
Arsenal London 1933-35
FC Liverpool 1982-84
Manchester United 2007-09
Spanien
Insgesamt nur neun(!) verschiedene Meister in Spaniens Fußballhistorie.
Längste Meisterserie: Real Madrid 1961-65; 1986-90, jeweils fünfmal.
Barcas längste Serie: 1991-94.
Italien
16 unterschiedliche italienische Meister.
Längste Meisterserie: Juventus Turin 2012-20 – Neunmal.
Davor je fünfmal: Juve 1931-35; AC Turin 1943-49 (vom 2. Weltkrieg unterbrochen); Inter (2006-10)
Interessante Randnotiz: Von den ersten sieben italienischen Titeln holte CFC Genua sechs (1898-1904)! Bis 1958 war CFC Genua italienischer Rekordmeister mit insgesamt neun Titeln.
Frankreich
Die Rekordserie von Olympique Lyon stammt von 2002-08 – Siebenmal.
Portugal
Nur acht unterschiedliche Meister in der portugiesischen Fußballgeschichte.
Rekordmeister ist Benfica mit satten 40 Titeln, die längste Serie hat aber der FC Porto: Fünf Titel in Folge (1995-99).
Niederlande
Der Rekordmeister ist Ajax (35 Titel), längste Meisterserien allerdings jeweils von PSV Eindhoven: je dreimal (1986-89; 2005-08; 2011-14) vier Titel in Folge.
Österreich
RB Salzburg auf den Fersen der Bayern. Die neunte Meisterschaft in Serie steht an.
Schottland
Dauerrivalen: Glasgow Rangers mit 55 Meisterschaften, Celtic Glasgow mit 51.
Längste Meisterserien: Celtic 1966-74; Rangers 1989-97 – jeweils neunmal.
Russland
Längste Meisterserie: Spartak Moskau 1996-2001 – sechsmal.
Serbien
Seit 2006/07 gibt es nur zwei verschiedene Meister: Partizan Belgrad (8), Roter Stern (7).
Längste Meisterserie: Partizan 2008-13 – sechsmal.
Ukraine
Längste Meisterserie: Dynamo Kiew 1993-2001 – neunmal.
Belgien
Rekordmeister RSC Anderlecht (34); längste Meisterserie: Anderlecht 1964-68 – fünfmal
Schweiz
Längste Meisterserie: FC Basel 2010-17 – achtmal.
Griechenland
Nur sechs unterschiedliche Meister in der griechischen Fußballgeschichte; Rekordmeister: Olympiakos Piräus (46!)
Längste Meisterserie: Piräus 1997-2003; 2011-17 – jeweils siebenmal.
Tschechien
Längste Meisterserie: Sparta Prag 1997-2001 – fünfmal.
Fazit: Es ist sicherlich keine falsche Information, die anstehende 10. FCB-Meisterschaft in Folge als einen Rekord, einen Bestwert in den europäischen Ligen zu bezeichnen. In diesem Zeitraum wurden auch sechs internationale Titel – je zweimal die Champions League, der Europäische Supercup, die Klub-WM – gewonnen. Die vom Münchner Boulevard genannten Serienmeister und ihre Ligen sind dagegen „unter ferner liefen“ einzuordnen, ohne damit respektlos sein zu wollen. Meisterschaften in Deutschland und Gibraltar gleichzusetzen ist selbst für Boulevardmedien abenteuerlich.
Ein paar Fotos von FCB-Meisterfeiern










Ich bin der Meinung, wir können von einem Europarekord nicht sprechen, solange es in Europa eine Mannschaft gibt, die mehr Titel in Folge hat als der FC Bayern, Ja, die Bundesliga ist nicht mit der Liga von Gibraltar zu vergleichen, aber der Meister dort hat auch Gegner (auf ihrem Niveau). Der spielt nicht allein. Das schmälert aber nicht die Verdienste des FC Bayern oder die Bedeutung seines Rekord.
Ansonsten las ich im Buch von Ben Redelings (55 Jahre Bundesliga), dass die Bild-Zeitung 1973 nach dem zweiten Titelgewinn des FCB in Folge schrieb: „Die Bundesliga wird langweilig”. Das ist doch so lustig 🙂 Ich frage mich, was der Journalist heute geschrieben hätte. Natürlich, wenn er sich nicht aus Langeweile das Leben genommen hätte 🙂
Da muss ich dir ein bisschen widersprechen:
Ich versuche es anhand eines anderen Beispiels aus dem Sport zu verdeutlichen: Im Boxen wird nie ein Schwergewichtler mit einem Fliegengewichtler in den Ring steigen … u.a. die Ligen in Gibraltar und in Deutschland sind eben absolut unterschiedliche “Gewichtsklassen”. Nicht kompatibel, nicht vergleichbar.
Die provokativ im Boulevard genannten Teams in den ganz kleinen Ligen dürfen im “Fußball-Fliegengewicht” um den Europarekord spielen und fighten, die Bayern spielen in der Bundesliga im “Fußball-Schwergewicht” um einen anderen Europarekord. Im Boxen nennt man das wohl “Meister aller Klassen”.
Zudem habe ich ja extra den Vergleich der europäischen Top5-Ligen auf die Top16 der UEFA-5-J-Wertung erweitert: Schwergewicht bis Mittelgewicht 😉
PS: Außerdem behaupte ich ganz keck, dass keine andere europäische Spitzenmannschaft im Zeitraum 2012/12 bis 2021/22 die Bundesliga gewonnen hätte, wenn sie anstelle der Bayern im deutschen Ligabetrieb teilgenommen hätte. Kein anderer Verein in Europa war in diesen 10 Jahren so konstant gut wie der FCB.