Auch wenn die Mannschaften vier Tage vor Saisonende satte neun Punkte trennen und die Meisterschaft zu 99,9% entschieden ist, der „Deutsche Clásico“ verspricht auch morgen jede Menge Brisanz. Die Bayern wollen mit einem Sieg die 10. Meisterschaft in Serie klar machen, die Dortmunder wollen dem FCB die Tour vermasseln. Beide Vereine möchten sicherlich auch schon ein Zeichen für die nächste Saison setzen. Dem Verlierer stehen erneut unruhige Wochen bevor. Auch dem FCB droht dieses Schicksal, selbst wenn er dann ein oder zwei Wochen später die insgesamt 32. Deutsche Meisterschaft klar machen wird. Historisch gesehen ist es im 59. Bundesligajahr die zweite Möglichkeit des Tabellenführers in einem Heimspiel gegen den Zweiten die Meisterschaft unter Dach und Fach zu bringen. Dies war bislang vor fast genau einem halben Jahrhundert nur dem FC Bayern vergönnt: 5:1 am letzten Spieltag der Saison 1971/72 gegen Schalke 04 – beim ersten Pflichtspiel im Olympiastadion.
Gemeinsame Historie
Seit der FC Bayern im Juni 1965 in die Bundesliga aufgestiegen war, hatte der Rekordmeister immer periodisch Rivalen, die auf Augenhöhe mit den Münchnern um die Meisterschaften kämpften – Borussia Mönchengladbach, der HSV, Kaiserslautern, Werder Bremen seien hier vor allem zu nennen. Aber noch nie gab es einen Verein, der solange mit den Bayern um die Vorherrschaft im deutschen Fußball kämpfte wie der BVB. Anders als in der ferneren Vergangenheit wurde dieses Duell der stärksten Bundesliga-Rivalen im vergangenen Jahrzehnt vor allem im DFB-Pokal ausgetragen. Dieses Szenario gab es mit den anderen genannten Vereinen nie. Seit der Saison 2011/12 traf man sieben Mal im Pokal aufeinander, dreimal davon im Finale, zweimal im Halbfinale – dass die Bilanz dabei nur 4:3 zugunsten der Bayern lautet, deutet auch darauf hin, dass die Borussia im direkten Duell immer in der Lage war, die Bayern zu fordern, obwohl der Punkterückstand in der Bundesliga in den letzten neun Meisterjahren doch meist enorm war.

Der BVB war auch der einzige deutsche Kontrahent des FCB in der Champions League, mit dem man sich auf Augenhöhe duellierte. Über Wembley 2013 muss man nicht viele Worte verlieren und in der Saison 1997/98 schied der amtierende Deutsche Meister FC Bayern im Viertelfinale in der Verlängerung beim amtierenden CL-Sieger Borussia Dortmund aus (0:0; 0:1 n.V.).
In Vergessenheit geraten ist dagegen, dass sich die beiden aktuellen Dauerrivalen vorher fast ein Jahrhundert „leistungsmäßig“ fast schon aus dem Weg gegangen sind. Während der FC Bayern mit seiner Gründung am 27. Februar 1900 sofort die Vorherrschaft im Münchner Fußball übernahm, schnell zu einer regionalen (bayerischen bzw. süddeutschen) Größe aufstieg und nach einigen gescheiterten Versuchen 1932 erstmals Deutscher Fußballmeister wurde, dümpelte der BVB nach seiner Gründung 1909 fast vier Jahrzehnte in einer gewissen Bedeutungslosigkeit dahin. Im Ruhrpott war der aktuelle Zweitligist Schalke 04 die absolute Nummer 1, viele Dortmunder waren in jener Phase sogar Schalke-Fans bzw. -Bewunderer. Dieses „Aschenputtel-Dasein“ des BVB änderte sich mit einer Partie schlagartig: Am 18. Mai 1947 schlugen die Borussen erstmals die zuvor übermächtigen „Knappen“ mit 3:2 und wurden sensationell Westfalenmeister. Ein Sieg, der dem Verein, der Stadt und den Fans offensichtlich sehr viel Selbstvertrauen einimpfte: Seit diesem Triumph mischte der BVB im deutschen Fußball mit! 1956 und 1957 gewann er die ersten beiden seiner insgesamt acht Deutschen Meisterschaften und stieg 1963 als amtierender Meister in die neu gegründete Bundesliga ein.
Die Bayern dagegen, die unter ihrem Präsidenten Kurt Landauer 1932 auf dem Weg zur Vormacht im deutschen Fußball, aber auch aufgrund der für damals sehr modernen Strukturen zu einer europäischen Größe waren, brauchten sehr lange, bis sie sich von den „Schwächungen“ im Dritten Reich erholt hatten. In der Oberliga Süd (1945-1963) waren sie zwar in 10 von 18 Jahren die Nummer 1 in München, insgesamt aber weit vom dominierenden Club aus Nürnberg abgehängt. 1955 stieg der FCB zudem zum einzigen Mal in seiner Vereinshistorie ab. Auf den sofortigen Wiederaufstieg 1956 folgte nur ein Jahr später der erste DFB-Pokalsieg. Aber 1963 zählte man bekanntermaßen – nennen wir es aus „sportpolitischen Gründen“ – nicht zu den Gründungsmitgliedern der Bundesliga.
Als die Bayern 1965 in die Bundesliga aufstiegen, waren die Dortmunder eine renommierte Spitzenmannschaft im deutschen Fußball und so verwunderte es nicht, dass die Bayern das allererste Aufeinandertreffen gegen den BVB am 16. Oktober 1965 zuhause im Grünwalder Stadion mit 0:2 verloren. Am Saisonende war Dortmund hauchdünn vor den Bayern Vizemeister – beide Vereine hatten in jener Saison durchaus die Möglichkeiten, den Münchner Löwen den einzigen Meistertitel in deren Vereinsgeschichte streitig zu machen. Der BVB wurde zudem 1966 erster deutscher Europapokalsieger (der Pokalsieger) und der FC Bayern gewann als Bundesliga-Neuling sofort den DFB-Pokal.
Ab der Saison 1966/67 ging die Entwicklung der beiden Vereine in grundsätzlich verschiedene Richtungen: Die Bayern gewannen am 17. Dezember 1966 erstmals gegen den BVB mit 1:0 und am Ende der Saison den DFB- und den Europapokal der Pokalsieger und standen damit am Anfang einer ihrer – vor allem international – erfolgreichsten Ären. Der BVB dagegen stieg nach der Saison 1971/72 in die Regionalliga (damals 2. Liga) ab. Unvergessen aus jener Saison: Der 11:1-Sieg der Bayern am 27. November 1971: Gerd Müller (4), Uli Hoeneß, Franz Roth (je 2), Franz Beckenbauer, Paul Breitner und Willi Hoffmann zerlegten vor 17.000 Zuschauern im Grünwalder Stadion den BVB in alle Einzelteile – bis heute der höchste Bundesligasieg des FC Bayern.

Während die Bayern von 1972-74 ihren ersten Titel-Hattrick in der Bundesliga holten und von 1974-76 dreimal in Folge den Europapokal der Landesmeister holten, benötigte der BVB vier Jahre um sich einigermaßen zu erholen und 1976 wieder in die Bundesliga zurückzukehren. Aber erst in der Saison 1994/95 konnte man wieder – unter Mithilfe der Bayern am letzten Spieltag, die den Tabellenführer Bremen mit 3:1 schlugen – Deutscher Meister werden. Die Bayern waren zu dem Zeitpunkt längst Deutscher Rekordmeister.
Zahlen zum Duell
Ein paar Zahlen: Insgesamt gab es seit 1965 129 Pflichtspiele zwischen den beiden Vereinen, 66 davon gewann der FCB, 33 der BVB, bei 30 Unentschieden. Torverhältnis 249:157 für Bayern.
Die Gesamt-Heimbilanz des FCB in diesem Duell lautet: 64 Spiele – 42 S / 11 U / 11 N – 154:61 Tore.
Bundesliga-Gesamt-Bilanz aus FCB-Sicht: 105 Spiele – 51 S / 29 U / 25 N – 210:128 Tore
BL-Heimbilanz FCB: 52 Spiele – 33 S / 10 U / 9 N – 134:53 Tore.
Zuletzt eine einseitige Angelegenheit
Die Bayern gewannen die letzten sieben Pflichtspiele gegen den BVB (seit November 2019) bei einem Torverhältnis von 21:9 Toren. Nie gab es eine längere Siegesserie eines der beiden Teams in diesem Duell.
Die letzten sechs BL-Heimspiele gewannen die Bayern mit einem Torverhältnis von 28:4 gegen den BVB. Dabei war nur das letzte Spiel am 6. März 2021 (vor leeren Rängen) knapp. Die Bayern mussten einen frühen 0:2-Rückstand (zweimal Erling Haaland) drehen und taten dies – dank dreier Tore von Robert Lewandowski – eindrucksvoll: 4:2 (2:2).
In diesen sechs Spielen erzielte der aktuelle Weltfußballer nahezu unglaubliche 14 Tore. Der BVB ist auch insgesamt Lewys „Lieblingsgegner“: Seit seinem Wechsel von Dortmund nach München im Sommer 2014 erzielte er insgesamt 26 Tore in Pflichtspielen gegen den BVB – gegen keinen anderen Gegner waren es mehr.
Morgen findet der deutsche Klassiker zum ersten Mal seit November 2019 wieder vor vollen Rängen statt. Die letzten fünf BL-Heimspiele vor vollen Rängen (2015-2019) gewann der FCB mit 5:1 – 4:1 – 6:0 – 5:0 – 4:0 gegen die Borussen – 24:2 Tore!
Zum Spiel morgen Abend
Es wird sicherlich ein emotionales und vielleicht sogar enges Spiel werden. Der BVB schien zuletzt in der Bundesliga etwas besser in Tritt zu sein als die Bayern – trotz des zwischenzeitlichen 1:4 gegen RB Leipzig. Trotzdem spielen die Bayern in der ersten Nagelsmann-Saison eine insgesamt ausgezeichnete Punktrunde.
Bei Dortmund fallen einige Stammkräfte auch. Bei Bayern kommen dagegen einige aus Verletzungen zurück. Ob diese allerdings weiterhelfen können, ist eine andere Frage. Der zuletzt formstärkste FCB-Angreifer Kingsley Coman steht nach seiner Verletzung aus dem Villarreal-Spiel auf der Kippe. Andere – speziell Leroy Sané – haben leider aktuell eine Formdelle.
Das Spiel morgen Abend in der Allianz Arena ist sicherlich auch eine mentale Geschichte. Die aktuelle Form der Bayern ist nicht die beste, allerdings gilt quasi über die gesamte Spielzeit hinweg: Der FC Bayern KANN Spitzenspiel!
Tipp FC Bayern Total: 3:1
Die Bayern gewinnen ein nicht einfaches Spiel und Thomas Müller kann sich anschließend mit dann 11 Deutschen Meisterschaften als alleiniger Rekordhalter feiern lassen. Lewy trifft selbstverständlich auch morgen.
Das Samstagspiel ist nur das zweite, an dessen Ende eine der beiden Mannschaften Meister werden kann. Die erste fand 1972 statt (BVB-FCB 0:1). Damals aber hätte Schalke gegen Stuttgart verlieren müssen. Morgen werden wir nicht auf das Ergebnis eines anderes Spiels angewiesen sein.
Mein Tipp: FC Bayern – Dortmund 3-2
Du musst noch einmal erklären, was du genau meinst.
Wie 1972 findet auch dieses Mal das Duell Erster gegen Zweiter statt, der Sieger 1972 wurde Meister, damals hätte es auch S04 sein können.
Dieses Mal kann natürlich nur der FCB als Sieger auch unmittelbar Deutscher Meister werden.
Du verweist auf den vorletzten Spieltag 1971/72: Die Bayern hätten aufgrund des Sieges beim (damaligen Absteiger) BVB Meister werden können, wenn Schalke nicht gegen Stuttgart gewonnen hätte …
Dabei beschreibst du u.a. das Szenario von 1974: Gladbach verliert am 33. Spieltag in Düsseldorf, Bayern wird deswegen Meister und 1997: Leverkusen verliert in Köln; Bayern Meister.
Ich denke, du meinst, weil es ein Spiel FCB – BVB ist …
Ja, in meinem Kommentar ging es nur um die Spiele zwischen FCB und BVB. Sorry für die Unklarheit.
Kein Problem 😉