Die fünfte FCB-Campus-Saison seit der Eröffnung im Sommer 2017 war ergebnistechnisch die mit Abstand schwächste, der Blick auf die Tabellen mehr als ernüchternd: Die U19 wurde in der Bundesliga Süd/Südwest Neunter, die U17 Sechster unter jeweils 21 Mannschaften. Dafür gibt es zwar triftige Erklärungen, kann dies aber der Anspruch des FC Bayern sein?
Strategie des Vereins im Nachwuchsbereich
Es ist kein Geheimnis, dass der FCB im Campus-Fußball eher darauf fokussiert ist, den einzelnen Spieler zu fördern als Mannschaftserfolge zu ermöglichen. Die talentiertesten Spieler sollen sich nicht in ihren Jahrgängen (zu) wohl fühlen, sondern vielmehr dem „Stresstest“ der höheren Jahrgänge ausgesetzt sein. Die Besten landen damit sehr frühzeitig im Profifußball, am besten im eigenen an der Säbener Straße.
Ob diese Strategie bzw. Philosophie auf dem Campus tatsächlich die beste für den Reifeprozess der Spieler ist, darüber kann man sich streiten. Nimmt man z.B. das Beispiel der U19: Die „Talentierteren“ der beiden U19-Jahrgänge kickten alle im Männerfußball bei den FC Bayern Amateuren in der viertklassigen Regionalliga Bayern. Kickte somit die FCB-U19 in der BL S/SW 2021/22 nicht in dem Bewusstsein, dass man es sowieso nie beim FCB schaffen wird? Ist das nicht ernüchternd und demotivierend?
Gegen den FCB, und dies gilt im Senioren- wie im Jugendbereich gleichermaßen, sind alle Gegner besonders motiviert. Bei den Heim-BL-Spielen der U19 und U17 im Campus-Stadion ist die Atmosphäre häufig wie bei einem Auswärtsspiel: Die Gäste bringen zum Spiel des Jahres immer zahlreiche lautstarke Fans mit, während sich die FCB-Fans mit Support doch stark zurückhalten (um es vornehm auszudrücken). Und dann verliert der zweite Anzug der U19 des deutschen Rekordmeisters gegen ein Team, dessen erste Mannschaft in der 2. Bundesliga oder sogar darunter spielt. Es setzt massenhaft Häme – motivierend und erfolgsfördernd ist das wohl eher nicht.
Der gesamte Fokus auf Wiederaufstieg der Amateure in die Dritte Liga?
Nach dem bitteren Abstieg der FCB-Amateure 2020/21 – nach der sensationellen Meisterschaft 2019/20 – war das erklärte Ziel vor der Saison der Wiederaufstieg.
Wurde dieses Ziel tatsächlich mit allen verfügbaren Mitteln angegangen? Die Mannschaft wurde stark verjüngt, die stärksten A-Jugendlichen wurden nach oben in den Männerbereich gezogen, die U19 damit nachhaltig geschwächt. Die Leistungen waren zu Saisonbeginn vielversprechend, im Herbst grüßten die Amateure von der Tabellenspitze. Jedoch immer in Lauerstellung: die sehr ambitionierten Bayreuther. Diese zogen letztendlich bis zur Winterpause noch ziemlich deutlich an den Bayern-Bubis in der Tabelle vorbei. Abstellungen für die Profis, zahlreiche Verletzungen und Corona-Infektionen sollten dabei auch eine Rolle spielen.
Als man dann in der Winterpause zwei der Besten – Oliver Batista Meier und Nemanja Motika – für überschaubare Ablösesummen in den Profifußball (nach Dresden und zu Roter Stern Belgrad) abgab, schien das Kapitel Wiederaufstieg bereits abgeschlossen zu sein. Trotzdem spielte die Mannschaft erfolgreich, die SpVgg Bayreuth zeigte aber leider nicht die kleinste Schwäche. Es gab eine einzige Möglichkeit, an die Wagnerstädter heranzurücken: Am Ostermontag, im direkten Duell in Bayreuth. Abgezockte (Halb-)Profis ließen jedoch den Campus-Jungspunden nicht die geringste Chance: Nach 25 Spielminuten stand es 3:0, am Ende 4:0. Die Meisterschaft war endgültig entschieden, der Wiederaufstieg klar verpasst.
Die FC Bayern Amateure beendeten die Saison mit 86 Punkten und einem – für die Spielweise bezeichnenden – Torverhältnis von 113:50! Sieben Punkte hinter Bayreuth, 22(!) Punkte vor dem Drittplatzierten Wacker Burghausen. Der Verein lieferte Statistiken, wonach das Team von Chef-Coach Martin Demichelis den besten Punkteschnitt aller FCB-Teams aufwies, die jemals in der Regionalliga Bayern kickten. Aber kann man damit als FCB zufrieden sein? Man muss dabei natürlich auch bemerken, dass die Bayreuther eine eindrucksvolle Rekordsaison gespielt haben.
Gegenmodell zur „aktuellen FCB-Strategie“
Das große Saisonziel im Nachwuchsbereich, der Wiederaufstieg in die Dritte Liga, wo die verheißungsvollen Talente noch mehr herausgefordert und gefördert werden könnten, wurde leider mehr oder weniger klar verpasst, die U17 und U19 haben historisch schlechte Platzierungen in ihren Gruppen erzielt.
Könnte man nicht die talentiertesten Spieler ihrer Jahrgänge in ihrem eigentlichen Jahrgang spielen lassen? Sie würden zwar erst mit 19 im Seniorenbereich kicken, könnten aber ihre Mannschaften zu Meisterschaften (an)führen: Regelmäßige Deutsche Meisterschaften sollten damit für den FCB-Nachwuchs keine Utopie sein, selbst in der Youth League könnte man sich höhere Ziele setzen und nicht regelmäßig in der Vorrunde bzw. spätestens im Achtelfinale scheitern.
Erfolge als Leader von Teams zu feiern ist sicherlich motivierend und kann ebenfalls sehr früh zu einem Reifeprozess führen. Viele Fans und Mitglieder des Vereins würden sicherlich diese Variante der aktuellen Campus-Strategie vorziehen.
Zu guter Letzt ein Vorschlag an die Verbände, um Vereinen wie dem FC Bayern entgegen zu kommen: Früher war die A-Jugend eine U18, die B-Jugend eine U16 – könnte man nicht wieder zu diesem alten System zurückkehren?
Siehe auch folgende Beiträge:
Der schwere Stand der FCB-U19 in der UEFA Youth League https://fcbayerntotal.com/2021/10/01/3698/
Titelbild: Der Jahreshöhepunkt am Campus: Die U19 des FCB trifft im DFB-Pokal-Halbfinale auf den VfB Stuttgart und verliert unglücklich mit 1:3 n.V.
Hierzu ein “Konkurrenzbeitrag” – in einigen Passagen “deckungsgleich”, in anderen absolut anderer Meinung:
https://miasanrot.de/campus-prioritaeten-gesetzt/
“Dabei überschätzen aber die Meisten die Bedeutung von Ergebnissen im Rahmen der Talentförderung.”
Dazu kann man nur sagen, dass der Autor selbst wahrscheinlich nicht (ehrgeizig) im (Jugendbereich eines) Verein(s) gekickt hat. NATÜRLICH sind auch die Ergebnisse für die Kinder und Jugendlichen (Motivation!) (sehr) wichtig. Und dies sollte ganz speziell für junge Kicker gelten, die sich irgendwann einmal beim FCB durchsetzen wollen / sollen. Stichwort: “Gewinnergen”! Die Sichtweise des Autors ist die eines Erwachsenen von außen auf die Nachwuchskicker … sorry!
“Ein weit verbreitetes Missverständnis ist, dass der Aufstieg der Amateure das klare Saisonziel war.”
Schmunzel. Wenn man jetzt in der Aussage das “klare” vor dem Saisonziel wegnimmt, dann sollte es wahrscheinlich auch für den Autoren wieder passen 😉
Ernsthaft: Natürlich war der Wiederaufstieg der Amateure das Saisonziel, ob jetzt das große oder klare oder “nur” Saisonziel, ist egal. Warum das so war, sein MUSS, muss man hoffentlich niemandem erklären.
Der Autor meint, dass die “Prioritäten richtig gesetzt” wurden…” Darüber kann man sich streiten (siehe unser Beitrag). Tatsache ist aber wirklich, dass viele im Jugendbereich erfolgreiche Teams – auch unter den Youth League Siegern – erstaunlich wenige Profis “geboren” haben …
Ansatz FC Bayern Total: Wenn ich schon früh im Jugendbereich eine “Zwei-Klassen-Gesellschaft” unter den eigenen Spielern forme, schließt das schon von vorneherein einen erfolgreichen Werdegang von “Spätzündern” aus … Es ist auch im menschlichen Bereich “unschön” … Ach so – wir sprechen von (angehendem) Profifußball ….