Der Weltfußballer geht – aber eine wesentlich größere Vereinslegende bleibt für immer

Kommentar von Petersgradmesser

Nun ist es tatsächlich passiert: Nach übereinstimmenden Medienberichten wechselt der aktuelle Weltfußballer, die personifizierte Tormaschine der Bayern, Robert Lewandowski, für eine Ablösesumme von 45 Millionen EURO, welche sich durch diverse Bonuszahlungen noch um 5 Millionen erhöhen könnte, zum spanischen Vizemeister nach Barcelona. Vor über 43 Jahren verließ schon einmal ein 33-jähriger Supertorjäger den Verein – ebenfalls nicht im Frieden: Der Bomber der Nation Gerd Müller. Es gibt ein paar Parallelen, aber doch auch sehr viele Unterschiede.

Parallelen Müller – Lewandowski

Sowohl der Gerd als auch Robert Lewandowski verließen / verlassen den Verein nicht ganz ohne Nebengeräusche, beide 33-jährig – der polnische Nationalspieler sogar noch einige Monate älter.

Bei Gerd Müller war Uli Hoeneß noch nicht im Amt (als Manager), die Causa Lewandowski begleitete er nicht mehr als aktueller Präsident des Vereins. Als Ehrenpräsident hat sein Wort zwar immer noch Gewicht, im Tagesgeschäft wohl aber trotzdem wesentlich weniger als sich das einige vorstellen mögen.

Unterschiede

Gerd Müller war im Februar 1979 bereits weit über seinen Zenit hinaus, das kann man vom aktuellen Weltfußballer wahrlich nicht behaupten. Der Gerd war schon viel früher im absoluten Rampenlicht. Von 1965 (als noch nicht ganz Zwanzigjähriger) bis 1978 war er 13 Jahre lang Bayerns bester Torjäger. Robert Lewandowski kam 2014 als gestandener Profi nach München und war in Folge acht Jahre lang der beste Torschütze des FCB.

Während der Gerd sich in seinen letzten Wochen und Monaten von Trainer Pal Csernai, aber auch vom neuen Chef unter den Spielern, Paul Breitner, ungerecht behandelt fühlte, man kann durchaus behaupten, gemobbt wurde, ist dies bei Lewandowski eher umgekehrt der Fall. Wie es sich immer mehr herauskristallisiert, unterwanderte er zuletzt häufiger die Autorität von Julian Nagelsmann und auch nicht wenige Mitspieler schienen unter seinen Launen zu leiden.

Die Beweggründe, den Verein zu verlassen, waren sehr unterschiedlich, wobei ich nun bewusst nicht auf diejenigen von Lewandowski eingehe bzw. eingehen muss.

Die beiden besten Torjäger der FCB-Geschichte im Vergleich

Nachdem die Karrieren doch einigermaßen unterschiedlich verliefen, ist es nicht ganz einfach, faire Vergleichszahlen zu liefern.

  • Bundesligatore: Gerd Müller schoss von August 1965 bis Februar 1979 365 Tore in 427 Bundesligaspielen. Ein Rekord, der nun wohl mehr denn je für die Ewigkeit bestimmt ist. Selbstverständlich schoss er alle Tore für seinen Herzensverein, den FC Bayern. Robert Lewandowski schoss in seinen 12 BL-Jahren 312 Tore in 384 Spielen. Davon 238 in 253 Spielen (2014-2022) für den FCB und 74 in 131 Spielen für den BVB (2010-2014). Die 312 Tore weisen ihn als zweitbesten Torjäger der BL-Geschichte aus, die 238 Tore als zweitbesten der FCB-BL-Geschichte.
  • Europapokaltore: Witzigerweise ist die Trefferquote beider im Europapokal für den FC Bayern fast identisch: Lewandowski erzielte 69 Tore in 78 Champions League Spielen – Müller 69 Tore in 77 Europapokalspielen (Landesmeistercup, Pokalsiegerwettbewerb, UEFA-Pokal), davon sensationelle 34 Tore in lediglich 35 Spielen im Europapokal der Landesmeister. Bei Lewandowski kommen noch 18 Europapokaltore (34 Spiele) für den BVB dazu.
  • DFB-Pokaltore: Hier hat der Bomber ganz klar die Nase vorne: Sensationelle 78 Pokaltore in 62 Spielen – Lewy: 29(33) für FCB; 10(17) BVB – 39(50) gesamt.
  • Gesamtanzahl Tore der genannten drei Wettbewerbe: Müller 512 (566) – Lewandowski 448 (548) – davon 336 (364) für den FC Bayern.
  • Wichtigste Tore: Der Gerd erzielte in insgesamt fünf Europapokalendspielen drei Tore, Lewy in seinen beiden Endspielen kein Tor. Weltpokalfinale: Müller 1 Tor (2 Spiele); Lewandowski kein Tor in einem Endspiel.
  • DFB-Pokalfinale: Inklusive seiner drei Tore im Finale 2012 GEGEN Bayern ist der Pole der beste Torschütze in der DFB-Pokal-Endspiel-Geschichte. Der Gerd schoss in vier Endspielen vier Tore.
  • Regionalligasaison 1964/65: Der 18-/19-jährige Gerd erzielte sensationelle 39 Tore in 32 Spielen. Zu vergleichen mit der Zeit von Lewandowski in der Polnischen Liga (2008-2010): 41 Tore in 82 Spielen bei Lech Posen. Er war da immerhin schon 20-22 Jahre „alt“.
  • In der Saison 2020/21 brach Lewy den BL-Rekord vom Gerd von 1971/72: 41 zu 40 Tore.

Ähnliche Torquoten, aber …

Gerd Müller erzielte in seinen 14 1/2 Profijahren beim FC Bayern natürlich einige Tore mehr als Robert Lewandowski, die Quoten sind dagegen ähnlich (sensationell) …

Der Bomber verbrachte eigentlich seine gesamte Profikarriere beim FCB, die letzte kurze Zeit in Florida bei den Fort Lauderdale Strikers war eine erzwungene, von ihm nicht gewollte. Er war sehr früh extrem erfolgreich gewesen, musste dann jedoch zum Ende seiner Karriere – spätestens mit 30 – seinen zahlreichen Verletzungen Tribut zollen.

Lewandowski ist dagegen vergleichsweise eher ein Spätstarter, erreichte seinen Zenit erst ab 30 – man darf gespannt sein, wie lange er seine Topform noch halten kann. Als Bayernfan betrachtet man dies zukünftig allerdings aus einer ganz anderen Perspektive …

Der aktuelle Weltfußballer hat durch seinen – mit vielen Nebengeräuschen – erzwungenen Abschied aus München viel Kredit bei den Fans und wohl auch im Verein verspielt. Er hätte in den nächsten zwei Jahren wohl auch den wertvollsten Gerd-Müller-Rekord – die 365 BL-Tore – brechen können. Das erschien ihm aber erstaunlich unwichtig zu sein. Damit wäre er in München und in der Bundesliga unsterblich geworden – aber er hat mehr oder weniger darauf gepfiffen.

Man sollte in diesem Zusammenhang nun definitiv nicht mit Respektlosigkeit argumentieren. ABER: Lewandowski hat sich zuletzt definitiv nicht als FCB-Legende qualifiziert: Zuletzt waren das noch Robbery, Philipp Lahm, Basti Schweinsteiger … und natürlich Gerd Müller – wohl zusammen mit Franz Beckenbauer DIE FCB-Spielerlegende schlechthin!

Als großer Gerd Müller- aber auch lange Zeit „Lewy“-Fan bin ich aktuell sehr froh darüber, dass der 365-Tore-Rekord wohl für die Ewigkeit bestehen bleibt: Der Gerd war ein sympathischer bescheidener Kerl mit einem extrem ausgeprägten Teamgeist – ein Traum von einem Kicker für jeden Verein, für jeden Fan … eine Legende!

Titelbild: Vor dem Spiel gegen den FC Villarreal gedachte die Südkurve ihrer großen Vereinslegende. Bezeichnenderweise trugen die Spiele gegen Villarreal laut Medieninformationen auch massiv dazu bei, dass sich Lewandowski vom Verein verabschiedete … kann man durchaus symbolisch werten.

7 Kommentare zu „Der Weltfußballer geht – aber eine wesentlich größere Vereinslegende bleibt für immer

  1. Lewandowski wird als FC Bayern Spieler nur dank seiner Rekorde in der Bundesliga in (meiner) Erinnerung bleiben. Im Europapokal hat er in den KO-Runden gegen die wirklich starken Gegner kein denkwürdiges Spiel gemacht. Kein Match dieses Kalibers, an dessen Ende man sagen kann „Das war sein Spiel“. Wie zuvor Gerd Müller gegen Real, Elber gegen Real, oder Olic gegen United und Lyon.
    Fazit: für das, was er in der Bundesliga geleistet hat, werde ich ihn als FCB-Spieler in Erinnerung behalten; für seine Erfolge im Europapokal werde ich ihn im Trikot des BVB in Erinnerung behalten (ich meine die vier Tore gegen Real: das war wirklich sein Spiel).

    1. Es stimmt, Lewandowski hat tatsächlich mehr Tore in CL-HF- und VF-Spielen geschossen als viele denken, aber beim FCB war wirklich keines dabei, dem er absolut seinen Stempel aufgedrückt hat.

  2. Eine sehr gute Gegenüberstellung – weil man sieht, was sich alles verändert hat in den 43 Jahre.

    1979 war eine Zeit, da war es ein Skandal wenn ein Gerd Müller mal ausgewechselt wurde (so geschehen im Februar 1979, auswärts, bei Eintracht Frankfurt, in der 82ten Minute, als Bayern 2:0 hinten lag). Die Fußball-Öffentlichkeit war damals so derart ahnungslos, da wurde ein Gerd Müller auch von Teilen der eigenen Fans wegen sowas richtiggehend fertig gemacht, weil die eben nicht verstehen konnten was es heißt, 15 Jahre Bundesliga, Europapokal und Nationalelf gespielt zu haben.

    Bayern wollte damals den Bomber loswerden, um die Diskussionen zu beenden. Und natürlich wollten sie ihn von der Payroll haben.

    Das war alles kein Ruhmesblatt damals – rückschauend war es sogar ein Skandal. Aber rein sportlich war es richtig. Bayern hatte einen Norbert Janzon, und vor allem hatten sie einen Karlheinz Rummenigge.

    Das einzige, was jetzt im Falle Lewandowski ähnlich laufen könnte wie damals bei Gerd Müller ist, ob es jetzt auch bei Bayern Spieler gibt, die in diese Lücke stoßen. Wenn man 1 plus 1 zusammenzählt, also „Lewandowski weg“, „Gnabry verlängert“, heißt das für mich: Gnabry in die Mitte. So wie damals Rummenigge (der allerdings noch wesentlich jünger war als Gnabry heute).

    1. Dazu ein eigener Beitrag zur Saison 1978/79: https://fcbayerntotal.com/2022/06/09/das-letzte-spiel-vom-sepp-der-fcb-crasht-die-meisterfeier-des-hsv-und-alles-endet-fast-in-einer-katastrophe/
      mit einem Gerd Müller Kapitel …
      „Skandalös“ war wohl vor allem das Verhalten von Paul Breitner, welcher sich heute als guter Freund vom Gerd verkauft / verkaufen will … Es war aber wohl geplant, dass der Gerd den FCB zum Saisonfinale verlässt …

      Rummenigge war dann tatsächlich der Nachfolger vom Gerd als Topstürmer und Toptorjäger – der Nachfolger auf der Mittelstürmerposition war aber Dieter Hoeneß.

      Bayern wird 2022/23 flexibler und wohl auch „teamintern harmonischer“ als in der letzten Rückrunde auftreten … und eventuell auch erfolgreicher 😉

      1. Das stimmt – Dieter Hoeness kam schon 1979, zur gleichen Zeit als Uli dann Manager wurde. Ich hatte das gar nicht mehr so in Erinnerung.

        Vielleicht ist das mit Gnabry aber wirklich eine Parallele. Erst gab es den überragenden Mittelstürmer – dann mehrere Stürmer, u.a. einen, der von außerhalb des Strafraums gekommen ist (Rummenigge).

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