Gestern Abend fand in der Münchner Arena vor 75000 Zuschauern das Duell Spitzenreiter Bayern gegen den Tabellenzweiten Mönchengladbach, den sog. „Angstgegner“ der Rekordmeisters, statt. Tatsächlich haben die Borussen in den letzten zehn Meisterjahren des FC Bayern mehr Punkte als alle anderen Bundesligisten gegen die Münchner gesammelt. Das gestrige Spiel erinnerte die Bayern und ihre Fans auf bittere Weise, warum dies der Fall ist. Es war fast immer so: Die Bayern die (klar) bessere Mannschaft, Gladbach mit maximalem Dusel, einem Yann Sommer, der zweimal pro Spielzeit sein Spiel des Jahres macht, jeweils gegen den FCB und dubiose Begleitumstände. Zwang der DFB im Januar dieses Jahres die Bayern Corona-bedingt mit einer Rumpfmannschaft gegen den VfL anzutreten, wie er es zu Pandemiezeiten von keinem zweiten deutschen Profiverein verlangte, verpfiff gestern ein 32-jähriger Schiedsrichter die Bayern auf eine derart dreiste Art und Weise, wie dies schon lange nicht mehr in der Bundesliga der Fall war.
VAR pervers
Stellvertretend für den Verlauf des Spiels gestern Abend steht das aberkannte Tor von Sadio Mané in der 35. Minute – zu einem Zeitpunkt, zu dem die Bayern eigentlich schon 3:0 hätten führen müssen.
Thomas Müller flankte von rechts perfekt an den zweiten Pfosten, wo Sadio Mané nur noch einschieben musste. Sein viertes Saisontor? Eigentlich schon. Die Fahne des Linienrichters, welcher eine perfekte Sicht auf die Szene hatte, blieb unten. Das Tor wurde von Stadionsprecher und Fans ausgiebig gefeiert, aber plötzlich befiel einen im Stadion ein bekanntes ungutes Gefühl. Schiedsrichter Schlager ließ den Anpfiff der Borussen nicht ausführen. Niemand im Stadion wusste warum, aber die einen ahnten böses, die anderen dagegen hofften. Dann erkannte Daniel Schlager nach Rücksprache mit Tobias Reichel und Rafael Foltyn im Kölner Keller den Treffer ab, weil bei Müllers Flanke der aus dem passiven Abseits kommende Leroy Sané Sommer angeblich die Sicht genommen haben soll.
Manche Fußballseiten schreiben, dass dies eine Einschätzung war, die man – besonders nach dem Kölner Ausgleich in Frankfurt durch Jan Thielmann vergangenes Wochenende – nicht zwingend teilen muss. Sehr gnädig ausgedrückt. Denn sollte dies die Zukunft des VAR sein, gehört er definitiv zu Gunsten des Fußballs sofort wieder abgeschafft.
Das hat in diesem Fall überhaupt nichts mit Bayernbrille zu tun. Aber wenn Köln nun bei jedem Tor minutenlang das gesamte Umfeld der Spielszene nach einer möglichen Regelwidrigkeit untersucht, dann ist dies ärgerlich, pervers … Sanés Huschen aus dem passiven Abseits hatte nicht den geringsten Einfluss auf das Spiel, das Abwehrverhalten der Gladbacher Verteidigung und des Torhüters. Dafür gibt es übrigens eine simpelste Beweisführung: Kein Abwehrspieler hat gegen das Tor protestiert, niemand fühlte sich behindert. Das sind sonst immer die Mechanismen, wenn irgendetwas “faul” sein könnte.
Was kommt als nächstes: Führt ein Zuruf von der Spieler- und Trainerbank zu einer Aberkennung eines Tores? Die letzten Spiele zeigten, dass sich die Schiedsrichter vermehrt auf diese konzentrierten und für diese ausgiebig Karten verteilten. Je schwächer die eigene SR-Leistung umso mehr.
Phänomen Yann Sommer
Der mit 1,83 Meter eigentlich für einen Spitzentorwart zu kleine Yann Sommer zeigte gestern wieder seine FCB-Form: 19 zum Teil überragende Paraden, das ist neuer Bundesligarekord. Der alte stammte von Anfang dieses Jahres: Alexander Schwolow (damals Hertha BSC) mit 14 Saves. Gegen wen? Natürlich Bayern! Sommer selbst gelangen in einer Bundesligapartie bislang nie mehr als zwölf. Was für eine sensationelle Steigerung des Rekords! Leider …
Das Interessante an Yann Sommer ist, dass er in der Vergangenheit nach überragenden Leistungen gegen Bayern immer schwache Spiele mit zum Teil anfängerhaften Fehlern zeigte. Man darf gespannt sein …
Gladbach? Villarreal!
Zum Rest der Borussentruppe. War das tatsächlich der Tabellenzweite Borussia Mönchengladbach? Der zuvor angekündigte Angstgegner des FCB? Große Teile des Spiels verschanzte sich die gesamte Mannschaft in und wenige Meter vor dem eigenen Strafraum. Bei Ecken in der zweiten Halbzeit waren gar bis zu acht Feldspieler im eigenen Fünfmeterraum. Ja – 1:1 – der Zweck scheint die Mittel zu heiligen. Aber eigentlich war dies für eine deutsche Spitzenmannschaft eine unwürdige peinliche Taktik.
Großartiger Nagelsmann
Julian Nagelsmann macht einfach Spaß. Wie er die Spieler einstellt, seine Spielweise, seine PKs vor den Spielen, aber auch seine Analysen danach. Frisch, ehrlich, authentisch. Wer das – vor allem als FCB-Fan – nicht mag, dem ist fast schon nicht mehr zu helfen. Hoffentlich kann dieser großartige junge Coach endlich wieder eine Trainerära à la Lattek, Heynckes, Hitzfeld beim FCB starten.
Seine Statements zum gestrigen Spiel:
Zur SR-Leistung:
„Ja, ich habe mich geärgert, weil wir sehr gut gespielt haben. Und ich habe mich auch geärgert, weil der Schiedsrichter einfach jede, jede kleine Situation, die man 50:50 entscheiden kann, für Gladbach entschieden hat. Aber jede einzelne.“
„Und dann mit seinen gelben Karten, alle für uns. Die liegen 25 Mal am Boden und nehmen nur Zeit von der Uhr. Auf einmal hat jeder in der 50. Minute schon Krämpfe gehabt von denen. Da weiß ich nicht. Es gibt 50:50-Entscheidungen, die muss man auch mal 50:50 für beide treffen. Leroy Sané hat, glaube ich, 28 Fouls von Kramer gekriegt – aber keinen Freistoß. Die Stimmung im Stadion war gut, da hat der Schiedsrichter auch seinen Beitrag dazu geleistet, ich sicherlich auch, hab mir eine gelbe Karte abgeholt. Ich hab da nur gefragt, ob das Headset funktioniert. Arschloch-Frage von mir, eine berechtigte gelbe Karte.“
Geil Julian – wohl dann eine berechtigte Karte – aber die Frage hatte noch viel mehr Berechtigung. Und dass ein Schiedsrichter mit einer derart arroganten Spielleitung keinen Humor haben kann, ist nachvollziehbar. 😉
Mangelhafte Chancenverwertung, bestes Saisonspiel
Nagelsmann könne seiner Mannschaft „nur bei dem, was die Chancenverwertung angeht“ einen Vorwurf machen. „Aber das war jetzt das erste Mal das Problem. Gegen eine so tiefe Mannschaft, die auch in die Champions League will. Man sagt immer, Bundesliga ist langweilig, aber das ist eine Mannschaft, die auch in die Champions League will und dann zehn auf zehn Meter verteidigt. Da haben wir 35 Torschüsse. Bis zur 40. müssen wir eigentlich drei Tore machen… Und dann machen wir einen kleinen Fehler, eine falsche Entscheidung von Upa, den Ball nach hinten spielen zu wollen. Auch in der zweiten Halbzeit auch, bis auf die Chancenverwertung. Klar, die letzten fünf Minuten haben wir sehr aufgemacht. Aber das ist auch normal, wir wollten gewinnen. Und ich glaube, dass es tatsächlich bis jetzt unser bestes Saisonspiel war.“
Upamecanos Lapsus
Für seinen Fehler nahm Nagelsmann Upamecano in Schutz: „Er will die saubere Lösung, in Ballbesitz bleiben, aus sicherem Ballbesitz zu Manu spielen. Aber jeder, der schon mal Fußball gespielt hat, weiß, wie schwer das ist, wenn der Ball dir quasi entgegenfliegt und du willst ihn dann direkt nach hinten verlängern. Das ist sehr, sehr schwer, den zu verarbeiten. Da muss er den Ball einfach nach vorne spielen, mit dem Kopf oder dem linken Fuß nach vorne spielen. Das ist aber kein sicherer Ballbesitz. Er wollte es elegant lösen, das hat nicht geklappt. Er hat aber bis dahin und auch danach ein sehr gutes Spiel gemacht.“
Einwechslung von Matthijs de Ligt für Sané als Mittelstürmer
„Wir wollten ein bisschen mehr Flanken spielen, wir haben oft die Flügelspieler Eins-gegen-Eins isoliert und dann haben wir oft das Eins-gegen-Eins gesucht. Ich hätte mir zwei, drei mehr Rückpässe auf Benji (Pavard) oder auf der anderen Seite auf Sadio oder Lucas sogar gewünscht, um dann gegen die herauspumpende Kette nochmal zu flanken. Wir haben zu viel in den Block da reingeflankt. Aber klar, Matthijs hatte zwei Abschlusschancen. Den einen hält Sommer sehr, sehr gut. Das war, glaube ich, der schwerste, den er gehalten hat. Und noch eine Kopfballchance, wo er so ein bisschen an den Arm von einem Gladbacher Spieler köpft. Er ist sehr torgefährlich, war er schon immer. Er hat auch einen sehr, sehr guten Abschluss tatsächlich. Wenn er ihn noch ein bisschen mehr drüberrutschen lässt, geht er ins Eck. Aber es war ein super Abschluss.“
Spielfazit FC Bayern Total
Es war gestern Abend tatsächlich ein überragendes Spiel der Bayern. Powerfußball fast während der gesamten 90 Minuten. Mit überragenden Einzelaktionen – Kingsley Coman, Jamal Musiala – das Stadion tobte.
Das Ergebnis war ein – aus Bayernsicht – schlechter Witz. Ein 6:1 oder gar 6:0 hätte den Spielverlauf korrekt widergegeben. Dass sich nach den gezeigten Leistungen am Ende die Borussen für ihren Angsthasenfußball feierten und die Bayern konsterniert zuerst in die Kurve und dann in die Kabine gingen, ist die weniger schöne und gerchte Seite des Fußballs.
Aber es werden sicherlich wieder Zeiten kommen, in welchen die Bayern den alten Rivalen mit 7:1 (1979) oder 6:0 (1986, 2021) aus dem Stadion schießen. Schön wäre es, wenn dabei noch einmal Sommer im Tor stehen könnte … 😉
Überragende Südkurven-Choreografie
50 Jahre Südkurve – „Triumphe und Siege, Hürden und Verlust- die Kurve geht weiter mit breiter Brust“.




Tolle Choreografie – tolles Motto!
Vom ganzen Stadion und den Fans zuhause am TV gefeiert. Zu Beginn der 2. Halbzeit gab es dann noch eine Pyro-Show von genau denselben aktiven Kurvenfans. Den meisten Fans gefällt dies, vor allem wenn dies so koordiniert und professionell umgesetzt wird. Es gibt aber auch Fans (eher die vor dem TV als im Stadion), welche dies stark kritisieren und verurteilen. Sie fordern den Verein auf, dies zu sanktionieren, bestenfalls mit Stadionverboten.
Diesen sei gesagt: Der Verein kennt seine aktiven Fans ganz genau. Offiziell müssen solche Vorkommnisse zwar verurteilt werden, inoffiziell werden diese aber akzeptiert (wie dies auch in anderen Vereinen der Fall ist). Der Verein hat nämlich allen Grund auf seine Fans stolz zu sein – nicht nur wegen der großartigen Choreografien.


Der Support der FCB-Fans – Kurve + restliches Stadion – war gestern übrigens gigantisch!
Das war ein Spiel, das wir nur auf der Anzeigetafel nicht gewonnen haben. Es hat mich an das 2:3 gegen PSG im letzten Jahr erinnert.