2:2 gegen einen aufopferungsvoll kämpfenden aber biederen VfB Stuttgart – das dritte Unentschieden in Serie in der Bundesliga. Die Bayern können, nein müssen zum ersten Mal in dieser Saison sauer auf sich selbst und die eigene Leistung sein, wie Thomas Müller in seiner offenen Art auch bestätigt. Die beiden Jüngsten im Team können dagegen mit den eigenen Leistungen absolut zufrieden sein und erzielen Vereinsrekorde.
Nachdem er vor anderthalb Wochen beim 5:0 bei Viktoria Köln schon der jüngste Torschütze der Pokalgeschichte des FC Bayern gewesen war, knackte der französische U18-Nationalspieler Mathys Tel, der vor der Saison von Stade Rennes nach München gekommen war, gestern noch zwei andere Vereinsrekorde: Mit 17 Jahren und 136 Tagen ist der am 27. April 2005 geborene U17-Europameister nun auch der jüngste Bundesliga-Startelfspieler der FCB-Geschichte, nachdem er zweimal zuvor bereits eingewechselt worden war. Und folglich ist er mit seinem gestrigen Tor zum 1:0 auch der jüngste BL-Torschütze der Vereinsgeschichte.
Mit seiner gestrigen Leistung konnte Tel sicherlich zufrieden sein. Das Verständnis mit Noussair Mazraoui auf der rechten FCB-Seite stimmte bereits sehr gut, dafür dass es der erste gemeinsame Startelfeinsatz war. Etwas schade, dass beide nach einer Stunde ausgewechselt wurden. Der für den Marokkaner eingewechselte Josip Stanisic machte in der Entstehung des Elfmeters zum 2:2 in der Nachspielzeit eine unglückliche Figur und anstelle von Tel hätte man vielleicht auch den gestern glücklosen Serge Gnabry auswechseln können.
Eine Augenweide auf dem Platz war gestern einmal mehr Jamal Musiala. Technisch überragend, auf dem Sprung zur absoluten Weltklasse. Das haben die Gegenspieler mittlerweile auch mitbekommen. So war er gestern einige Male Opfer von rustikalen bis bösartigen Attacken der VfB-Spieler. Wenn da die Schiedsrichter nicht bald entsprechend eingreifen und agieren, wird der 19-jährige deutsche Nationalspieler eine Karriere mit vielen Verletzungen haben. Gestern wurde er nach einer rücksichtslosen Attacke von Waldemar Anton, für welche dieser mit Gelb noch gut bedient war, in der 81. Minute ausgewechselt. Die FCB-Fans im Stadion machten sich schon große Sorgen wegen seines Einsatzes gegen den FC Barcelona am Dienstag – mittlerweile gab es jedoch diesbezüglich Entwarnung.
Nachdem Jamal seinen Rekord als jüngster FCB-BL-Torschütze in der 36. Minute an Mathys Tel hatte abtreten müssen – er selbst war beim Eröffnungsspiel 2020 gegen Schalke 04 etwa zwei Monate älter – erzielte er selbst in der 60. Minute seinen 15. Bundesligatreffer für den FCB. Jeder weitere Treffer bis zu seinem 20. Geburtstag am 26. Februar bedeutet einen neuen FCB-U20-Torrekord in der Bundesliga. Vor der Saison hatte diesen noch Uli Hoeneß mit 13 BL-Toren als U20-Spieler inne. Jamal ist mit seinen vier Saisontreffern an ihm vorbei gezogen.
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Viele andere FCB-Spieler konnten dagegen leider nicht so mit ihrer Leistung zufrieden sein. Dies lag weniger an der großen Rotation von Julian Nagelsmann, welche nun zum Teil stark kritisiert wird: Gegenüber dem überzeugenden CL-Sieg bei Inter Mailand veränderte er die Startelf auf sechs Positionen. Natürlich brauchte diese Mannschaft eine gewisse Anlaufzeit, bis man sich aufeinander eingestellt hatte. Nach 30 Minuten war dies auch der Fall und in den 15 Minuten vor der Halbzeit schoss nicht nur Tel das 1:0, der VfB bekam kaum noch Luft zum Atmen und wurde immer tiefer in die eigene Hälfte hineingedrückt.
Spielentscheidend waren eher individuelle Fehler und Nachlässigkeiten von Stammspielern. Allen voran leider Joshua Kimmich. Der Josh ist zum einen manchmal zu ehrgeizig und will jeden Ball haben. Gestern war er in diesen Szenen zudem schläfrig und unkonzentriert. Das erste – zurecht – nicht anerkannte VfB-Tor ließ die Stuttgarter in einer Phase der völligen Überlegenheit der Bayern wieder an sich glauben. Hätte Kimmich konzentrierter agiert, wäre es erst gar nicht zu dieser Szene gekommen. Noch krasser war seine Schlafmützigkeit 10 Minuten vor Spielende, danach tauchte er ab und war kein Faktor mehr im Bayernspiel.
Nagelsmann wurde für Kimmichs Auswechslung nach 60 Minuten in Berlin vor einer Woche kritisiert. Mit derselben Maßnahme gestern hätte Bayern wohl das Spiel gewonnen.
Beim 1:1-Ausgleich der Schwaben agierte Alphonso Davies doppelt schlafmützig, zuerst spielte er Musiala aus der Bedrängnis viel zu riskant an (ein Ball auf die Tribüne wäre besser gewesen) und anschließend war seine Abwehraktion nachlässig.
Serge Gnabry hatte auch keinen guten Tag, konnte sich definitiv nicht für das Barca-Spiel empfehlen. Hätte er seine Hundertprozentige zum 3:1 unmittelbar nach Jamals Führungstreffer genutzt, wäre das Spiel gelaufen gewesen. Leon Goretzka ist nach 6-wöchiger Verletzungspause auch noch nicht so weit, auch wenn es heißt, dass er mit den Hufen scharrt. Marcel Sabitzer, aber auch Ryan Gravenberch stehen aktuell leistungsmäßig vor ihm.
Bitter am Schluss, dass ausgerechnet dem überragenden Zweikämpfer Matthijs de Ligt das Foul zum VfB-Elfmeter in der Nachspielzeit passierte. Dass solche Aktionen – Foul nach dem Schuss des gegnerischen Angreifers – zu Strafstößen führen, ist zwar nachvollziehbar, aber eher neu in der Ahndung. Wie oft haben wir Bayernfans im Stadion in den letzten Jahren einen Elfmeter nach ähnlichen Aktionen gefordert. Gegeben hat es ihn nie!