Widerliches Nagelsmann-Bashing

Bei seinem grimmigen für ihn vergleichsweise wortkargen Auftritt auf der PK nach der 0:1-Pleite in Augsburg wusste der Bayern-Coach Julian Nagelsmann, was auf ihn in der folgenden knapp zweiwöchigen Länderspielpause zukommen würde: Die Damen und Herren, die ihm auf sämtlichen PKs mehr oder weniger sachliche und geschickte Fragen stellen, werden ihn der nach Sensationen gierenden Leserschaft zum Fraß vorwerfen. Und zahlreiche  mediale Trittbrettfahrer werden ihnen folgen. Denn die Chance ist riesig, per Bashing eine gewaltige Anzahl an Clicks zu bekommen – ihr Job, natürlich, aber muss das immer so ablaufen? Irgendwann faseln dieselben Protagonisten scheinheilig von den Schicksalen der Enkes und Deislers …

Was ist eigentlich passiert? Der FC Bayern hatte doch tatsächlich nach einem in der Form kaum zu erwartenden super Start in die Saison und nach sieben Siegen – u.a. beim DFB-Pokalsieger, beim Europa League Sieger, bei Inter Mailand und gegen den FC Barcelona – und drei zum Teil bitteren weil unnötigen Unentschieden im elften Saisonspiel zum ersten Mal verloren: Auf ärgerliche und unnötige Weise.

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Die Verantwortlichen reagierten bislang insgesamt souverän und besonnen. Vorstandsboss Oliver Kahn verwies am Sonntag beim Wiesnbesuch des Vereins sämtliche kursierenden Gerüchte um den wackelnden Trainerstuhl ins Reich der Märchen. Er versicherte absolut glaubwürdig: „Wir sind von Julian total überzeugt. Wir ziehen im Moment keine anderen Trainer in Betracht“.

Eigentlich eine ganz klare Aussage, die dann aber dennoch medial größtenteils sehr abenteuerlich interpretiert wurde. Der erste Teil der Aussage mit der „totalen Überzeugung“ wurde dabei geflissentlich ignoriert, während aus dem zweiten Teil das Wort „momentan“ herausgefiltert wurde. Diese zeitliche Komponente wäre quasi wie eine tickende Zeitbombe zu sehen. Ein paar besonders gut Informierte wollen sogar wissen, dass Nagelsmann seinen Job verlieren würde, wenn er nicht die nächsten drei Spiele nach der Länderspielpause – gegen Leverkusen und Pilsen und vor allem in Dortmund – gewinnen würde.

Wow! Selbst in den Triple-Zeiten war dies keine Selbstverständlichkeit. Unter anderem hat man dabei (2012; 2019) jeweils zuhause 1:2 gegen Bayer verloren – mit den FCB-Trainerlegenden Heynckes und Flick.

Dagegen berichtet der kicker, dass Kahn seine Aussage absolut ernst gemeint hätte, jedoch der FCB-Vorstand um Kahn & Salihamidzic sowieso nicht das Problem des FCB-Coaches sei. So will der kicker-Reporter Georg Holzner (einer von denen mit den quälenden PK-Fragen, Nagelsmann dabei duzend) erfahren haben, dass es „zunehmend kritische Stimmen aus dem Team“ gäbe. Deshalb zweifelt Holzner auch eine bedingungslose Gefolgschaft der Spieler für Nagelsmann an. Der Verlust der Kabine – eine viel zitierte ominöse Fußballgeschichte – drohe! Namen nennt der kicker-Reporter natürlich nicht.

Erst letzte Woche hat sich die bashende und mobbende Journalistenmeute eine saftige Watschn von Leon Goretzka abgeholt:

Die Steilvorlage für Holzner hatte wiederum letzte Woche die Konkurrenz von Sport1 geliefert. Diese berichtete bereits vor der Niederlage in Augsburg, dass es den Spielern sauer aufstoße, weil Nagelsmann angeblich die Spieler öffentlich immer wieder anzählt, sich selbst aber außen vor lässt, wenn es um Kritik geht.

Eine insgesamt sehr schwammige Kritik. Zudem fragt man sich dabei, ob die Reporter bei den PKs auch wirklich geistig oder nur körperlich anwesend sind. Denn Nagelsmann stellt sich immer wieder schützend vor seine Spieler, wenn diese einzeln heftig von den anwesenden Medienvertretern angegangen werden.

So findet immer weniger eine sachliche Debatte um die aktuelle FCB-Ergebniskrise in der BL statt als vielmehr ein Auflagen- und Click-steigerndes Bashing. Leider ist das immer eine erfolgreiche Strategie. FC Bayern Total geht diesen Weg definitiv nicht.

PS: Sollte es tatsächlich so etwas wie ein Mobbing von Spielern gegen den eigenen Trainern geben und diese Spieler deswegen sogar mit dem Boulevard paktieren, dann muss der Verein die Konsequenzen ziehen, völlig unabhängig vom Namen des Spielers. 1999 war Mario Basler wegen einer Sauf- und Prügeltour in Regensburg suspendiert worden. Mobbing ist keineswegs weniger verwerflich.

Veröffentlicht von fcbayerntotal

Admin und Autor von FC Bayern Total

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