Der aktuelle FCB-Coach Julian Nagelsmann hat einige Feinde bei den Medien, aber auch bei den eigenen Fans. Die Gründe dafür mögen unterschiedlich sein – die Argumentation zum Teile dieselbe. Dafür benutzt man scheinbar unwiderlegbare statistische Daten. Eine schwache Rückrunde in der Saison 2021/22 wird nun mit einem schwachen Start in der neuen Saison 2022/23 fortgesetzt. Nicht erwähnt wird in diesem Zusammenhang u.a., dass die Bundesliga-Hinrunde 2021/22 mit dem damals neuen Coach Nagelsmann eine der besten der Bundesliga-Geschichte war: 43 Punkte bei rekordverdächtigen 56:16 Toren: Konzentrieren wir uns aber auf das angeblich so schwache Jahr 2022.
„Schwache“ Rückrunde 2021/22
In den Social Media meinte ein Bayernfan, laut eigenen Angaben seit 50 Jahren, dass er sich kaum an eine schwächere Rückrunde seines FCB als die der vergangenen Saison erinnern könne, möglicherweise wäre dies einmal zu Beginn der 1990er Jahre der Fall gewesen. Über die Antwort von FC Bayern Total, dass dies während seiner „Fan-Zugehörigkeit“ sicherlich zwanzig Mal der Fall war, lachte er nur. Bis wir ihm den Gegenbeweis gebracht haben.)* In folgenden Spielzeiten der letzten 50 Jahre war die Rückenrundenbilanz des FCB schwächer als die 34 Punkte und 41:21 Tore der Saison 2021/22:
1974/75; 1975/76; 1976/77; 1977/78; 1978/79; 1981/82; 1982/83; 1983/84; 1987/88; 1988/89; 1990/91; 1991/92; 1992/93; 1993/94; 1994/95; 1995/96; 1997/98; 2000/01; 2001/02; 2003/04; 2005/06; 2006/07; 2008/09.
Summa summarum in 23 von 50 Spieljahren. „Nur“ 26 Mal war man besser. Das bedeutet, dass die Rückrunde 2021/22 des FCB in seiner Historie eine absolut durchschnittliche, aber sicherlich keine katastrophale oder nur unterdurchschnittliche war. In den fett-gekennzeichneten Jahren war man wie 2021/22 Deutscher Meister, sieben Mal deutscher Vize-Meister.
3:1 gegen den BVB – FCB am 31. Spieltag Deutscher Meister
Vergessen wird in dieser Diskussion / Argumentation außerdem, dass die FCB-Saison sehr früh – Ende April – quasi beendet war. Nach dem souveränen 3:1-Heimsieg im Spitzenduell gegen Borussia Dortmund waren die Bayern bereits drei Spieltage vor Saisonende mit 12 Punkten Vorsprung uneinholbarer Deutscher Meister. In der Champions League schied man 10 Tage zuvor unnötig im Viertelfinale gegen den FC Villarreal aus – der Stecker war / wurde gezogen.
Wäre die Meisterschaft bis zum letzten Spieltag offen gewesen, hätten Nagelsmanns Bayern womöglich anstelle der schwachen zwei Punkte aus den letzten drei Saisonspielen die Maximalpunktzahl von neun geholt. Die Form – Maßstab das Spiel gegen Dortmund – hätte ausgereicht. Und dann wären es sehr starke 41 Punkte in der Rückrunde gewesen – diese wurden insgesamt nur acht Mal in der 57-jährigen FCB-Bundesligageschichte übertroffen. Zuletzt von Hansi Flicks Sextupel-Bayern 2019/20.
Zahlreiche Deutsche Meister mit dem „schwachen“ FCB-Punkteschnitt der Rückrunde
Aber auch die 34 Punkte – ein 2-Punkte-Schnitt – und 41:21 Tore waren nicht so schlecht, wie es viele darstellen wollen. Rechnet man diese Bilanz auf eine Saison hoch, kommt man auf 68 Punkte und ein Torverhältnis von plus 40 Toren. In der Bundesligageschichte hat dies in 19 Spielzeiten zur Meisterschaft gereicht – einige Male sogar mit einem großen Vorsprung.
Der Saisonstart 2022/23 tatsächlich so schlecht?
Natürlich sind 12 Punkte – bei nach wie vor ausgezeichneten 19:6 Toren – nach sieben Spieltagen für den Rekordmeister enttäuschend. Tatsächlich startete man zuletzt als amtierender Double-Sieger 2010/11 unter dem Trainer Louis van Gaal s mit schlappen acht(!) Punkten schlechter. Aber auch im ersten van-Gaal-Jahr war man mit 11 Punkten nach sieben Spieltagen schwächer – und beendete die Saison beinahe mit dem ersten Triple der Vereinsgeschichte.
Ausblick
Der gesamte Verein tut gut daran, Ruhe zu bewahren. Die Verantwortlichen – Vorstandsvorstand Kahn, Präsident Hainer und Sportvorstand Salihamidzic – haben Nagelsmann bereits geschlossen und demonstrativ auf glaubwürdige Weise den Rücken gestärkt. Die wahren Fans des FCB tun es ihnen gleich. Mit voller Konzentration werden Spielglück, Leistung und Punkte zurückkommen – und dann wird die nationale wie internationale Konkurrenz wenig Spaß in den Spielen mit dem deutschen Rekordmeister haben.
Mia san mia war selten mehr gefragt!
)* Kleine Ergänzung:
In den Social Media hat sich nun leider der FCB-Fan, der dem Verein seit 50 Jahren folgt, in nahezu epischer Breite darüber beschwert, dass wir seine Posts – obwohl er nicht namentlich genannt wird – als “Aufhänger” für den Beitrag verwendet haben. Tatsächlich war diese Konversation die Basis für den Beitrag, die anderen Statistiken sind gefolgt. Eigentlich haben wir diese Episode ohne irgendwelche bösen Absichten und vor allem mit einem Augenzwinkern eingebaut.