Heute Nachmittag zur klassischen Bundesliga-Anstoßzeit um 15:30 müssen die Bayern am 13. Bundesliga-Spieltag beim Tabellen-Vierzehnten Hertha BSC Berlin antreten. Dieser Tabellenplatz der „Alten Dame“ (1892 gegründet) spiegelt die Rolle Hauptstadtclubs im deutschen Fußball in den letzten Jahrzehnten bestens wider: Dominieren in vielen großen Fußballländern die Hauptstadtclubs die Ligen oder spielen dort zumindest eine wichtige Rolle, ist die Hertha seit langem so etwas wie die „graue Maus der Liga“. Der aktuelle Bundesliga-Tabellenführer Union Berlin ist längst die Nr. 1 im Fußball der Hauptstadt. Das ist sehr schmerzhaft für die Hertha und ihre Fans – vielleicht ein kleiner Trost, wenn die Punkte nach München gehen und somit die Bayern – zumindest Übernacht – wieder vor den Eisernen platziert sind 😉
So ist es auch nicht verwunderlich, dass bei der Betrachtung der Duelle zwischen Bayern und Hertha kaum spektakuläre Spiele in Erinnerung bleiben – mit ein paar Ausnahmen.
Das erste Pflichtspielaufeinandertreffen der beiden Vereine gab es am 14. Januar 1967, als der spätere Pokalsieger FC Bayern in der 1. Runde des Wettbewerbs beim damaligen Zweitligisten Hertha mit 3:2 n.V. gewann. Auch das erste Bundesliga-Aufeinandertreffen gewannen die Münchner am 7. September 1968 im Grünwalder Stadion mit 3:0. Wieder ein gutes Omen, denn am Saisonende feierten die Bayern ihren ersten Bundesliga-Titel.
Die Gesamtbilanz der Duelle der beiden Vereine geht – nicht überraschend – ganz klar zugunsten des FCB aus: In 81 Pflichtspielen (74 Bundesliga, 4 DFB-Pokal, 3 Ligapokal) gewann er 48 mal, 21 Partien gingen unentschieden aus und die Berliner gewannen 12 mal – dies bei einem Torverhältnis von 190:92.
Auch die Bundesliga-Auswärtsbilanz der Bayern in Berlin bei der Hertha ist positiv: 15 Siege – 14 Unentschieden – 8 Niederlagen.
Das letzte Spiel bei der Hertha in Berlin gewannen die Bayern im Januar sehr souverän mit 4:1 und im Jahr zuvor auf Schneeboden mit 1:0. Kingsley Comans wunderschönes Tor sorgte damals für die Entscheidung.
Mehr als das insgesamt wenig spannende Spiel bleiben jedoch die Aufregungen nach dem Spiel in Erinnerung: Das Spiel wurde extra am Freitagabend gespielt, es war die Zwischenstation der bayerischen Reisegruppe auf dem Weg zur Klub-WM, wo die Bayern nur drei Tage später zum Halbfinale gegen den Afrikameister al Ahly SC aus Ägypten antreten sollten. Die Bayern beeilten sich, noch am selben Abend aus Berlin direkt nach Katar zu fliegen. Pünktlich am Flughafen angekommen wurde ihnen der Abflug aufgrund der noch nicht vom Schnee geräumten Startbahn nicht mehr rechtzeitig vor Mitternacht genehmigt. Sie mussten bis zum Morgen auf den Abflug warten, die Nacht im Flugzeug verbringen – und waren natürlich ziemlich angefressen. Letztendlich besiegten sie aber in Katar die Ägypter mit 2:0 und drei Tage später im Finale die Tigres aus Mexico mit 1:0 und wurden damit zum insgesamt vierten Mal Klubweltmeister / Weltpokalsieger.
Insgesamt haben Bayernspiele gegen Hertha, ob in München oder Berlin, leider wirklich selten einen größeren Erinnerungswert, die Spiele sind häufig schlichtweg langweilig oder in den letzten Jahren auch sehr einseitig.
Da sind schon (mediale) Aufreger wie beim 6:0 der Bayern im Frühjahr 2012 in Berlin eine – in diesem Fall amüsante – Ausnahme: Franck Ribéry, Arjen Robben und Toni Kroos ermittelten vor einem Freistoß per „Schnick-schnack-schnuck“, wer diesen ausführen durfte. Woraufhin eine mediale Arroganzdebatte in Fußball-Deutschland entbrannte.
Einen wirklich großen Erinnerungswert, leider einen sehr negativen, hat wohl nur das Auswärtsspiel der Saison 1974/75: Die satten Bayern, Titelverteidiger, amtierender Europapokalsieger und mit zahlreichen aktuellen Weltmeistern angetreten, spielten nach 1977/78 und 1991/92 ihre drittschlechteste Bundesligasaison. Am 19. Spieltag, dem 1. Februar 1975, traten sie beim späteren Vizemeister der Saison 1974/75 an und verloren sang- und klanglos mit 1:4. Durch die Niederlage rutschten die Bayern auf den 14. Tabellenplatz ab, nur fünf Punkte vom 16. Platz, damals ein direkter Abstiegsplatz, getrennt. Franz Beckenbauer schoss mit einem Eigentor die Hertha mit 1:0 in Führung, sein zweites Eigentor in zwei Bundesligaspielen in Folge.
Die Bayern traten damals in Berlin derart desolat auf, dass der Hertha-Präsident Klotz nach dem Spiel bemerkte: „Man kann auch mit Franz Beckenbauer absteigen“. Das taten Franz & Co. aber nicht, stabilisierten ihre Leistungen und standen zum Saisonende als erneuter Europapokalsieger der Landesmeister auf einem 10. Tabellenplatz.


Von einem derartigen Szenario sind wir aktuell meilenweit entfernt. Die Hertha war damals eine deutsche Spitzenmannschaft und spielte die beste Bundesligasaison der Vereinsgeschichte.
Noch ein Spiel genießt einen größeren Erinnerungswert, weniger wegen der sportlichen Brisanz, sondern vielmehr wegen des kuriosen Verlaufs und der Torflut: Am letzten Spieltag der Saison 1975/76 besiegten die Bayern die Hertha im heimischen Olympiastadion mit 7:4. Obwohl die Mannschaft einen Monat zuvor den Hattrick im Europapokal der Landesmeister geschafft hat, wollten lediglich 21.000 Zuschauer den Saisonausklang des FCB (als Tabellendritter) sehen.

Es war eines der legendären Gerd Müller Spiele: Zur 6:0(!!)-Halbzeitführung steuerte der „Bomber der Nation“ vier Tore bei und nach der Pause erzielte er auch noch seinen fünften Treffer. Dass die Europapokalsieger in der zweiten Halbzeit bereits im Urlaubsmodus waren, sei ihnen verziehen.
Spiel heute
Nach dem Spiel sollten die Bayern – zumindest Übernacht – wieder die Tabellenführung inne haben. Die Form(kurve) der letzten Wochen war großartig und das Ziel vor der Winter-WM in Katar muss sein, die noch ausstehenden drei BL-Spiele (danach noch gegen Werder und auf Schalke) zu gewinnen.
Ein konzentrierter(!) FC Bayern sollte diese Vorgabe souverän meistern können. Inwieweit dabei die Rückkehrer Manuel Neuer, Lucas Hernández und Leroy Sané schon eine Rolle spielen können – lassen wir uns überraschen.
Titelbild: DFB-Pokal-Finale – das eigentliche Lieblingsspiel der Bayern in Berlin. Hier die Bayernkurve beim Endspiel gegen den BVB 2016.