Hamann: “Bayern-Bashing” nach der WM

Mit einem Schmunzeln stelle ich mir gerade den Ex-Bayern-Spieler (1993-98) und Sky Sport Experten Dietmar Didi Hamann vor, wenn er am Morgen mit einem zerknitterten unzufriedenen Gesicht vor dem Spiegel steht und so etwas wie “Sch***tag” und “jemanden in die Pfanne hauen” vor sich hinmurmelt. Mit den Gedanken an seinen Ex-Club, den FC Bayern, scheint es ihm dann schlagartig besser zu gehen. Dann setzt er sich – wie dieses Mal – an seinen Computer und schreibt in seiner Kolumne für Sky Sport.

Ein Bericht der BILD, wonach der Bayern-Block bei der WM in Katar die früh ausgeschiedene DFB-Elf gespalten haben soll, da sich nicht alle Spieler gleichwertig behandelt gefühlt hätten, gibt ihm die Grundlage, sich in Rage zu schreiben. Der Didi prophezeit deshalb der DFB-Elf eine wenig vielversprechende Zukunft, solange der Ex-Bayern-Trainer (2019-21) und jetzige Bundestrainer Hansi Flick das Team-Management nicht verändert.

Im 26-köpfigen WM-Kader der Deutschen standen mit Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Serge Gnabry, Leroy Sane, Jamal Musiala und Thomas Müller sieben FCB-Spieler. In der angeblichen Privilegien-Diskussion wird dazu sogar auch Niklas Süle gezählt, der im Sommer zum BVB wechselte, weil er ebenfalls unter Flick bei Bayern gekickt hatte.

Hansi Flicks Vertrauen in die Bayern-Spieler liegt angesichts seines Engagements beim deutschen Rekordmeister zwischen 2019 und 2021 auf der Hand. Mit diesen Spielern hat er in seiner Zeit beim FC Bayern etwas geschafft, was in der Fußball-Weltgeschichte nur zwei Vereinen gelungen ist: Das sog. Sextuple – Barcelona 2009, Bayern 2020.

Gemäß Hamann wird Flick die Nationalmannschaft jedoch anders führen müssen, um in Zukunft erfolgreich zu sein: “Wenn ich jetzt lese, dass der Rest der Mannschaft Probleme mit dem Bayern-Block hatte, weil sie das Gefühl hatten, die Bayern-Spieler würden anders oder besser behandelt, dann frage ich mich, warum das in den nächsten 18 Monaten besser werden sollte. Die Spieler werden bis auf zwei oder drei, die vielleicht aufhören, dieselben sein, der Großteil wird vom FC Bayern sein. Warum soll mit demselben Trainerteam in 18 Monaten anders werden, wenn es die Gräben innerhalb der Mannschaft gegeben hat?”

Flick müsse “jetzt schauen, dass er eine echte Mannschaft formt und alle zusammenbringt. Spieler, Trainerteam, Therapeuten, Busfahrer, alle, die dazugehören, müssen ein Ziel haben und füreinander durchs Feuer gehen. Man hat eine Chance verpasst, einen Neuanfang zu machen. Ich habe kein gutes Gefühl, was die nahe und mittlere Zukunft angeht. Mit der Aussage, das Ziel sei immer die EM 2024 gewesen, macht man es sich beim DFB zu einfach.”

Grundsätzlich hat Hamann hierbei mit vielem gar nicht so unrecht, aber sein Lösungssatz ist – wie häufig – haarstäubend. Sollte an dieser Situation tatsächlich etwas Wahres dran sein, ist der Bundestrainer natürlich im höchsten Maße als Moderator gefordert. Als der damalige FCB-Trainer vor anderthalb Jahren das Amt des zum Ende glücklosen Jogi Löw übernommen hatte, jubelte noch fast ganz Fußball-Deutschland: Der FC Bayern seines Erfolgstrainers beraubt und die Nationalmannschaft gestärkt. Genau diese Situation fällt dem Hansi jetzt auf die Füße.

Dabei schließt Flick nur an ein lange bewährtes Erfolgskonzept an: Mit einem großen Bayern-Block gewinnst du die großen Titel: Das hat bei den Weltmeisterschaften 1974 und 2014, mit kleinen Einschränkungen auch 1990 funktioniert, aber auch bei den Europameisterschaften 1972 und 1996, 1980 war FCB-Spieler Kalle Rummenigge der Superstar.

Ist dem – mit den Einsatzzeiten – unzufriedenen Rest eigentlich nicht klar, dass der Serienmeister aus München auch in dieser Saison wieder die einzige deutsche Mannschaft ist, die international konkurrenzfähig ist? Maßstab Champions League. Nach einer Ergebniskrise im Frühherbst dominierte der Rekordmeister Gegner und Liga zuletzt wieder nach Belieben. Müsste Hamann in seiner Kritik nicht eigentlich da ansetzen? Beim unzufriedenen Rest.

Jedem Fußballfan sollte klar sein, dass das Spielerensemble des FCB eindeutig stärker als das der Nationalmannschaft ist. Alle wirklichen Schwachstellen dieser werden in München durch ausländische (Weltklasse-)Kicker besetzt. Warum muss man sich jetzt an den eingesetzten FCB-Spielern abarbeiten? Der deutsche Fußball hat andere – strukturelle – Probleme als die sieben deutschen FCB-WM-Spieler.

Ja, Manuel Neuer hatte schon bessere glücklichere Spiele als in Katar. Aber er war nicht für das Ausscheiden verantwortlich. In jedem der drei Spiele hatte er eine Monsterparade. Und mitschuldig an einem Gegentor war er eigentlich nur beim 1:2 gegen Japan. Die ter Stegen Fans seien daran erinnert, dass dieser in den letzten fünf Partien in den letzten zwei Jahren gegen Bayern sage und schreibe 21(!) Gegentore kassiert hat (Neuer zwei) und bei einigen alles andere als gut ausgesehen hat. Wie gut war Kevin Trapp beim 1:6 im Saisoneröffnungsspiel?

Thomas Müller, lange verletzt, spielte eine unglückliche WM. Die wirklichen Alternativen zu ihm kamen aber hauptsächlich aus dem eigenen Verein – und natürlich: der neue deutsche Fußball-Hoffnungsträger Niclas Füllkrug. Der bald 30-Jährige, welcher die meiste Zeit seiner Profikarriere in der 2. Liga gekickt hat, spielt tatsächlich aktuell in der Form seines Lebens. Aber hätte er wirklich alles besser gemacht, wenn er jeweils in der Startelf gestanden wäre? Vielleicht war die Jokerrolle sogar die bessere Variante? Nach der Version “Mit Fülle wäre alles besser geworden” wäre Holland mit einem Wout Weghorst – Maßstab gestriges Viertelfinale gegen Argentinien – wohl auch Weltmeister geworden…

Insgesamt ist die WM 2022 für Deutschland mit seinen Möglichkeiten alles andere als optimal gelaufen – damit befindet man sich mittlerweile sogar in sehr prominenter Gesellschaft: Belgien, Spanien, Brasilien. Aber nun wieder alles auf dem Rücken des FCB bzw. seiner Spieler auszutragen, sollte selbst einem Didi Hamann zu billig sein. Aber was tut man nicht alles für Schlagzeilen!

PS: Hamanns EM-Vorhersage für Deutschland für 2024 ist düster. Wenn man seine düsteren FCB-Prognosen der letzten Jahre zum Maßstab nimmt, sollte man dies als die ganz große Hoffnung auf den ersten deutschen EM-Titel nach 28 Jahren betrachten 😉

Titelbild: Ein enttäuschter Thomas Müller nach dem WM-Aus. Danach verkündete er durch die Blume seinen Rücktritt aus der N11.

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