Mit Deutschland ist das offensivste WM-Team mit dem größten Pech – unverdient zu früh– ausgeschieden!

Die ganz andere These

Natürlich wird die Mehrheit der FCB- / deutschen Fußballfans nur beim Lesen dieser Überschrift den Kopf schütteln, einen Lachanfall bekommen, verärgert – ohne den Beitrag selbst zu lesen – einen wütenden Kommentar in den Social Media schreiben, den Autoren der absoluten Fachunkenntnis bezichtigen und noch viel Schlimmeres. Kein Wunder, denn dieses Thema wird medial – wo sind die wirklichen Fachleute? – aber vor allem von den Fans immer noch fast ausschließlich emotional abgehandelt. Einer deutschen Nationalmannschaft ist es grundsätzlich verboten, frühzeitig auszuscheiden! Sachliche Argumente, warum das passiert ist, interessieren da überhaupt nicht. Wer den Beitrag jetzt trotzdem noch liest, wird am Ende vielleicht über einige Fakten staunen – und bestenfalls ein bisschen anders denken.

Die Deutschen haben – statistisch gesehen – eine sehr gute WM gespielt

Konzentrieren wir uns zunächst einmal auf die nackten Zahlen der Gruppenphase , Statistiken abseits von Ballbesitz, welche wirklich Aussagekraft besitzen, wie ein Spiel gelaufen ist.

Die Deutschen waren – gemessen an den abgegebenen Torschüssen – das mit Abstand offensivste Team der WM-Gruppenphase. Mit 69 Schüssen haben sie satte 12 mehr abgegeben als die in dieser Statistik zweitplatzierten Brasilianer – immerhin vier pro Spiel. Die durchschnittliche Schussbilanz der Deutschen pro Spiel: 23:9, ein Plus von 14 Toren (insgesamt +43).

Bei den abgegebenen Schüssen konnten nur der im Viertelfinale gescheiterte Topfavorit Brasilien und der amtierende Weltmeister und Finalist Frankreich so einigermaßen mithalten. Beim Saldo auch noch der zweite Finalist Argentinien. Die Gauchos standen in der Gruppenphase von allen WM-Teilnehmern defensiv am stabilsten.

Die nachfolgende Tabelle zeigt aber auch die Schwachstelle der Deutschen. Ihre Gegner haben insgesamt 26 Schüsse abgegeben – im Vergleich: Argentinien 11, Spanien 17, Brasilien 18, Frankreich 19 … Trotzdem reichte es auch in dieser Statistik für einen Top 8 Platz für Deutschland!

Unfassbar mit welchen Torschussverhältnissen Australien und Polen ins Achtelfinale eingezogen sind. Gerade die Taktik und Leistung Polens im abschließenden Gruppenspiel gegen Argentinien war aberwitzig und definitiv Achtelfinal-unwürdig.

Auch van Gaals Holländer mit einem doch überraschend unattraktiven Erfolgsfußball, welcher sich auch in den KO-Spielen fortsetzte. Auf die Spitze haben es die Dusel-Holländer beim 1:1 gegen Ecuador am 2. Spieltag getrieben: 2:15 Schüsse insgesamt – ein Sieg der Südamerikaner mit mindestens zwei Toren Unterschied wäre mehr als verdient gewesen und hätte das Weiterkommen der Holländer extrem schwierig gestaltet.

Zwei andere Statistiken bei den Torschüssen geben noch mehr Aufschluss über die Qualität dieser als Torchancen: Wie viele Schüsse kamen aufs gegnerische Tor, wie viele Schüsse erfolgten innerhalb des Strafraums. Beide Male belegen die deutschen Kicker wieder Rang 1.

Schüsse aufs Tor: Deutschland 24, dahinter Brasilien (21) und Argentinien (20). Zwölf der 20 Schüsse der Gauchos aufs Tor wurden gegen Lewandowskis super-destruktive Polen abgegeben – diese wiederum schossen kein einziges Mal aufs Tor. Während jedoch Manuel Neuer bei den fünf deutschen Gegentoren insgesamt 12 Schüsse auf sein Tor bekam, waren es bei Brasilien und Argentinien nur jeweils drei Bälle auf ihr eigenes Tor.

Schüsse innerhalb des Strafraums: Deutschland 47:21; Frankreich 40:10; Brasilien 37:11; Argentinien 33:6.

Dass das DFB-Team theoretisch / statistisch nicht nur das offensivste, sondern auch das torgefährlichste Vorrunden-Team der WM war, zeigen die sog. Expected Goals laut Opta: Deutschland 10.4, dahinter Frankreich 7.4, Argentinien 6.3, England 5.3 und Spanien 5.2. Diese Teams stehen allesamt im WM-Achtelfinale.

Ja, die Deutschen müssen sich durchaus den Vorwurf gefallen lassen, zu ineffektiv bei der Verwertung der eigenen Chancen umgegangen zu sein. Dass dazu aber auch noch eine gehörige Portion Pech dazu kam, beweist die Bilanz der Alu-Treffer: Deutschland belegt in dieser Bilanz mit 5:0 eindeutig den Spitzenrang des Super-Pechvogels.

Dass die Qualifikation für das WM-Achtelfinale generell und unabhängig von Deutschland durchaus auch etwas mit Glück & Pech zu tun hatte, beweist eine sehr erstaunliche Statistik: Ganz anders als erwartet haben die Achtelfinalisten hier eine insgesamt negative Bilanz: 10:12 Pfostentreffer. Die 16 ausgeschiedenen Nationen hatten also mehr Alu-Pech als die qualifizierten.

„Subjektives Pech“ Grund für DFB-Ausscheiden

Das o.g. objektive Zahlenmaterial ist wenig diskutabel. Es zeigt deutlich, dass die deutsche Nationalelf wesentlich besser auftrat, als ihr das nach dem Ausscheiden zugestanden wird.

Kommen wir nun zum subjektiven Teil der Analyse und lassen wir sogar eine mögliche negative politische Ablenkung durch One-Love etc. außen vor. Dass die Mannschaft für dieses Dilemma nicht verantwortlich war, sollte eigentlich auch jedem aufmerksamen Beobachter klar sein. Wer das nicht glaubt, sollte diesen Beitrag unbedingt durchlesen:

Deutscher Turnierstart – Müller und Kimmich mit deutlichen Ansagen – FC Bayern Total

Für das Ausscheiden der Deutschen waren auch eine Menge an Sonderkonstellationen verantwortlich, welche sich scheinbar in einem beängstigenden Ausmaß gegen die deutschen Kicker verschworen hatten.

Deutschland ist eine Turniermannschaft

Bastian Schweinsteiger meinte kurz nach dem Ausscheiden, dass diese deutsche Tugend der Vergangenheit angehören würde. Leider ist er selbst dabei, obwohl er es bestens wissen müsste, sehr oberflächlich geblieben. Denn was war eigentlich immer die Grundvoraussetzung für diese deutsche Tugend? Natürlich eine entsprechend lange akribische Vorbereitung. War diese vor dieser Winter-WM möglich? Nein, nicht ansatzweise. Die WM-Vorbereitung dauerte nicht einmal eine Woche! Die anderen Nationalmannschaften hatten doch auch diesen Nachteil! Stimmt – trotzdem waren die deutschen Turniervorbereitungen immer die legendärsten.

In diesem Zusammenhang wurde Bundestrainer Hansi Flick auch heftig kritisiert, dass er 16 Monate lang zu viel herum experimentiert hätte. Immer wieder andere Formationen und Startaufstellungen. Aber was hätte er denn machen sollen, wenn immer wieder andere Leistungsträger verletzt ausfallen? Oder zur Unzeit in ein Leistungstief fallen. Dies ist z.B. bei den beiden BVB-Innenverteidigern Niklas Süle und Nils Schlotterbeck passiert. Vor und zum Teil noch während der Saison als das beste IV-Duo der Bundesliga gefeiert, sind beide im November in ein Leistungsloch gefallen. Flick setzte aber seit einiger Zeit auf die beiden.

Die deutsche WM-Gruppe – eine unangenehme (Konstellation)

Es gab sicherlich einfachere WM-Gruppen als die deutsche. Dass sich allerdings die Spielabfolge für die Deutschen derart negativ auswirken würde, ist schon bemerkenswert (und den meisten wohl auch verborgen geblieben). Dazu ein paar Thesen:

  • Hätte Deutschland das erste WM-Spiel gegen Costa Rica (oder auch Spanien) gespielt, wäre es ganz sicher weiter gekommen. Deutschland war gegen Japan noch nicht im WM-Modus (Grund siehe oben), Costa Rica erst recht nicht. Spanien konnte sich nur am ersten Spieltag diesen letztendlich entscheidenden Torvorsprung gegen Costa Rica herausholen. Für Spanien komfortabel, für Deutschland war die unglückliche Niederlage gegen Japan eine riesige Hypothek.
  • Im Nachhinein gesehen war der zunächst bejubelte Sieg Costa Ricas gegen Japan kein Vorteil, sondern ein Nachteil für Deutschland. Niemand konnte ahnen, dass auch Spanien gegen die nicht wirklich großartigen Asiaten verlieren würde. Deutschland stand gegen Spanien am Schluss vor dem Sieg, war aber aufgrund der (nur) scheinbar günstigen Konstellation letztendlich mit dem Unentschieden zufrieden. Hätte man die – aus welcher Motivation auch immer – mangelhafte spanische Einstellung in der zweiten Halbzeit gegen Japan erahnt, hätte man wohl mit aller Macht auf Sieg gespielt. Ausgang ungewiss.
  • An einen Sieg mit acht Unterschied gegen Costa Rica vor dem abschließenden Gruppenspieltag zu denken, wurde als Arroganz abgetan. Leider, denn er wäre vielleicht sogar möglich gewesen. Vier Tore wurden erzielt, dazu drei Alu-Treffer, einige Großchancen – und das, obwohl der Stecker zwischendrin sogar gezogen wurde. Die eigentlich realistische Vorgabe war aber ein Sieg mit zwei Toren Unterschied gegen die Mittelamerikaner, denn Spanien würde nie und nimmer gegen Japan verlieren … und die Vorgabe wurde mit dem 4:2 erfüllt. Hätte Spanien noch ausgeglichen, hätte übrigens auch ein 3:2 für Deutschland zum Weiterkommen gereicht.
  • Nach 10 Minuten lief alles scheinbar perfekt: Deutschland und Spanien gingen mit 1:0 in Führung, beide beherrschten ihre Gegner nach Belieben. Es konnte eigentlich nichts schief gehen. Die japanischen Tore kurz nach der Halbzeit kamen aus dem Nichts. Für Spanien irgendwie ärgerlich, für Deutschland ein Schock. In dieser mentalen Ausnahmesituation kassierten die Deutschen selbst zwei Tore und lagen plötzlich zurück. Spanien bekam nicht einmal mit, dass es zu dem Zeitpunkt selbst ausgeschieden war und blieb weiterhin fürchterlich passiv. Leider (ja, tatsächlich!) hat Kai Havertz zu früh wieder für Deutschland ausgeglichen. Hätten die Spanier ihr mögliches Ausscheiden selbst gespürt, wären sie möglicherweise noch einmal aus ihrer Lethargie aufgewacht.
  • Die Krönung war das japanische Siegtor gegen Spanien: Nach neuesten Erkenntnissen war der Ball vorher um gigantische 1,8mm(!!!!) nicht im Aus.

Was ist den Deutschen wirklich vorzuwerfen?

Auf alle Fälle viel weniger, als es jetzt getan wird.

  • Die katastrophalen individuellen Fehler bei den beiden japanischen Gegentoren in der 75. und 83. Minute. Wäre es nur eines gewesen, wäre man auch weitergekommen. Natürlich hätte man vorher auch schon mindestens mit 3:0 führen müssen …
  • Die deutsche Mannschaft ist nicht die mental stärkste. Geschockt durch Einflüsse von außen – Japan geht gegen Spanien in Führung – verliert man selbst kurzfristig komplett den Faden. Aus FCB-Perspektive: Dieses Problem haben leider auch die Bayern … hoffentlich bekommen sie das in der Rückrunde bei den alles entscheidenden Spielen in den Griff!
  • Unkonzentriert oder wieder Pech? Sowohl gegen Japan (zum 2:0) als auch gegen Spanien (zum 1:0) erzielten die Deutschen kurz vor der Halbzeit zum mental perfekten Zeitpunkt ganz wichtige Tore. Der VAR kassierte beide – wegen Abseits – zurecht ein. ABER: Wären Havertz (gegen Japan) und Rüdiger (gegen Spanien) in den beiden Szenen nur ein bisschen konzentrierter gewesen, wären sie um diesen Bruchteil später eingelaufen und hätten jeweils ein korrektes Tor erzielt. Die Abseitspositionen brachten in beiden Fällen keine Vorteile, beide standen mutterseelenallein.

Fazit

Viel bitterer kann man gar nicht ausscheiden. Eigentlich ist eher Mitgefühl als Häme, Spott, brutale Kritik und Schlimmeres angesagt. Leider nicht in dieser (deutschen Fußball-)Welt …

Update zum ursprünglichen Beitrag vom 4. Dezember 2022

Fußball-Deutschland kommt nicht zur Ruhe. Die wirklich kompetenten Profis haben zwar eine 5-köpfige Task Force, die in erster Linie zur Rettung der deutschen Fußballnationalmannschaft gedacht ist, gegründet. Medial poppen aber Themen wie Diversität usw. auf – zielführend und hilfreich ist das nicht.

Zu allem Überfluss meldet sich nun auch das Fanbündnis „Unsere Kurve“ zu Wort und übt scharfe Kritik am Deutschen Fußball-Bund (DFB) für die Zusammenstellung dieses Expertenrats (u.a. mit Rummenigge und Kahn) zur Ausrichtung der Männer-Nationalmannschaft. „Es ist absurd, dass immer die Gleichen zu den gleichen Themen sprechen und man dann andere Ergebnisse erwartet. Wie soll mit diesem Vorgehen etwas Neues, etwas Innovatives entstehen?”, meint deren Sprecherin(!!) Helen Breit. „Es wäre der ideale Zeitpunkt gewesen, um zu zeigen, dass der DFB das Grundlegende verstanden hat: Dass er aufhören muss, um sich selbst zu kreisen.

Hallo liebes Fanbündnis, ward nicht Ihr an der vordersten Front, als es darum ging, die WM zu boykottieren und gleichzeitig den deutschen Fußballern politische Aufgaben auf den Weg nach Katar zu geben, an welchen diese zwangsläufig scheitern mussten, weil sie letztendlich damit in der gesamten (Fußball-)Welt alleine dastanden. Auch wegen Euch verspottet und trotzdem von Euch alleine gelassen!!

Aber bevor ich mich jetzt zu sehr echauffiere, komme ich lieber wieder zum eigentlichen Thema zurück – wohlwissend, dass, wenn die Helen Breits wirklich etwas im DFB zu sagen haben werden, die deutsche Fußballnationalmannschaft endgültig hoffnungslos verloren ist!

Fun Facts zu den KO-Spielen

Um die Thesen aus dem ursprünglichen Beitrag noch einmal zu stärken, zu welchen ich nach wie vor zu 100% stehe, ein paar “Fun Facts”.

  • Auch die KO-Spiele haben gezeigt, dass im Ergebnissport Fußball häufig keineswegs der Bessere, sondern schlichtweg der Glücklichere erfolgreich ist, gewinnt, sich für die nächste Runde qualifiziert. Kroatien (gegen Brasilien), Marokko (gegen Spanien und Portugal), aber auch Frankreich (gegen England) waren in diesen Partien nicht wirklich besser – und auch Argentinien benötigte gegen die Niederlande letztendlich das im Elfmeterschießen nötige Quantum Glück.
  • Drei der vier Halbfinalisten hatten in den drei KO-Spielen insgesamt eine negative Torschussbilanz, nur Argentinien nicht. Kroatien und Marokko haben sogar in ihren sechs WM-Spielen zusammen eine negative Torschussbilanz. In den Play-Offs hatte Kroatien erstaunlicherweise nur beim 0:3 gegen Argentinien eine positive Bilanz (12:9).
  • Deutschland bleibt – trotz Brasilien – die Torschussmaschine der WM 2022. Obwohl acht Teams ein Spiel mehr als Deutschland hatten, vier zwei mehr und vier bislang ein Spiel mehr, liegt Deutschland bei den abgegebenen Torschüssen mit 69 immer noch auf Platz 4 – unglaublich! Nur die beiden Finalisten und Brasilien haben mehr Schüsse als das deutsche Team abgefeuert. Auch bei den Schüssen innerhalb des Strafraums liegt Deutschland hinter denselben Nationen immer noch auf Rang 4, bei den Schüssen aufs Tor auf Rang 6.
  • Einmaliger Pechvogel Deutschland: Die 5:0-Aluminiumtreffer aus der Vorrunde sind im Turnier mit weitem Abstand unerreicht. Argentinien müsste mehr als vier Pfosten- und Lattentreffer im Finale gegen Frankreich haben, um Deutschland als Pechweltmeister zu übertrumpfen. Von den vier Halbfinalisten hat nur Argentinien eine positive Alu-Bilanz (1:0), also insgesamt ein bisschen Pech. Die diesbezüglichen Glücksritter sind die gefeierten Marokkaner (0:4), auch Frankreich (1:3) und Kroatien (0:1) hatten bislang insgesamt Alu-Glück.
  • Natürlich gibt es auch an der deutschen Mannschaft einiges zu kritisieren, aber im Fußball gilt eben auch das legendäre Gesetz des Fußballweisen Andi Brehme: “Haste Sch***e am Fuß, haste Sch***e am Fuß!” Isso!!! 😉

Titelbild: Thomas Müller – unglücklicher Weltmeister von 2014 – war sein letztes WM-Spiel gegen Costa Rica auch gleichzeitig sein letztes (Pflicht-)Länderspiel?

Ein Kommentar zu “Mit Deutschland ist das offensivste WM-Team mit dem größten Pech – unverdient zu früh– ausgeschieden!

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