Mit breiter Brust und zehn größtenteils großartigen Siegen gingen die Bayern in die – mittlerweile muss man fast sagen verfluchte – WM-Pause.
Die Super-Bayern: Mit Rekordserien in die lange WM-Winterpause – FC Bayern Total
Und dann ging vor, bei und nach der Weltmeisterschaft in Katar für den FC Bayern und seine Spieler so gut wie alles schief, was hätte schief gehen können. Es ging schon damit los, dass sich Sadio Mané kurz vor der WM schwer verletzte und bis heute ausfällt. Über das deutsche WM-Desaster – sieben FCB-Spieler waren davon betroffen – muss man keine Worte mehr verlieren. Kein einziger deutscher FCB-Nationalspieler besetzt aktuell die Form wie vor dem Turnier. Manuel Neuers Skiunfall hat dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt.
Die vier französischen Nationalspieler, als amtierender Weltmeister ins Turnier gestartet: Für Lucas Hernández war das Turnier nach nicht einmal einer Viertelstunde im Spiel gegen Australien beendet: Kreuzbandriss. Ausfall bis mindestens zum Saisonende. Benjamin Pavard hat sich nach demselben Spiel mit Nationaltrainer Deschampes überworfen und keine Minute mehr gespielt. Kingsley Coman war nur Einwechselspieler, tat dies aber im Finale gegen Argentinien großartig. Nach seiner Einwechslung kamen die Franzosen wieder ins Spiel – tragisch, dass gerade er beim Elfmeterschießen nicht traf. Dayot Upamecano dagegen spielte eine großartige WM, kann diese Euphorie jetzt aber nicht in die Liga transportieren, lässt sich eher von der allgemeinen Verunsicherung seiner Mannschaftskollegen anstecken. Auch sein holländischer FCB-Innenverteidiger-Kollege Matthijs de Ligt, mit einer glänzenden Form in die WM gegangen, zählt zu den WM-Verlierern: Er hatte im Spielkonzept von Bondsoach Louis van Gaal schlichtweg keinen Platz. Auch seine Superform ist weg.
Neben Upa zählte Noussair Mazraoui eigentlich zu den WM-Gewinnern – trotz zahlreicher Blessuren und Krankheiten während des Turniers. Jetzt fällt er ebenfalls lange wegen einer Herzbeutelentzündung infolge einer Corona-Infektion während des Turniers aus. Unfassbar.
Josip Stanisic spielte beim WM-Dritten Kroatien wie eigentlich auch beim FCB nur eine Nebenrolle. Alphonso Davies (Kanada) und Eric Maxim Choupo-Moting (Kamerun) sicherlich nicht. Sie waren mit Serge Gnabry zudem die einzigen FCB-Torschützen beim WM-Turnier, schieden aber ebenfalls bereits in der Vorrunde aus und haben aktuell – vor allem Phonzie! – bei weitem nicht mehr die Form wie vor Katar.
Ein frustrierter Ryan Gravenberch wurde – wegen seiner Reservistenrolle in München – erst gar nicht für den niederländischen WM-Kader nominiert.
Ganz ehrlich – konnte das Gesamtpaket WM in Katar für die FCB-Spieler schlechter laufen? Eigentlich nicht! Joshua Kimmich sprach direkt nach der WM von der Angst, in ein tiefes Loch zu fallen. Unverständlicherweise erntete er von viel zu vielen Fans dafür eher Häme als Verständnis. Mit dem Blick auf sein Bankkonto hätte er dieses Recht erst gar nicht – wahrscheinlich sind es dann aber auch wieder dieselben “Fans”, die permanent zu Unzeiten an das Schicksal von Robert Enke erinnern.
FCB-Vorstandschef Oliver Kahn bewertete nach dem gestrigen 1:1 gegen Eintracht Frankfurt die Situation wie folgt:
„Objektiv fällt auf, dass es zwei Mannschaften sind: Das war die Bayern-Mannschaft vor der WM – und das ist die Mannschaft nach der WM. Wir werden jetzt in aller Ruhe analysieren, weshalb wir unsere PS nicht auf die Straße bekommen. Wir werden aus diesem Tief wieder herauskommen.“
Leider absolut korrekt. Und was die Sorgen aller, die mit dem FC Bayern sympathisieren, noch größer macht: Anders als im Frühherbst handelt es sich aktuell keineswegs nur um eine Ergebniskrise. Nein, es ist eine handfeste Krise, deren Ursache am ehesten mental begründet zu sein scheint. Julian Nagelsmann hat dazu gestern auf der PK nach dem Spiel ein bemerkenswertes Statement abgegeben, welches ein bisschen untergegangen ist. Sinngemäß bemängelte er die fehlende Risikobereitschaft des Teams im Angriffsspiel. Ja, es ist durchaus sehr auffällig, dass lieber ein Sicherheitspass gespielt wird als die im Herbst größtenteils so glänzend funktionierenden Schnittstellenpässe. Zu begründen ist diese Risikoaversion mit mangelndem Selbstvertrauen – ein mentales Problem. Dass dann zudem noch teilweise größte Torchancen versemmelt werden – häufig auch wegen einer schlechten Ballannahme – ist das Tüpfelchen auf dem i.
Fazit: Tatsache ist, dass aktuell kein einziger Spieler in Bestform ist. Die wenigsten performen in Normalform. Es benötigt vielleicht wirklich einfach den berühmt-berüchtigten Dosenöffner. Einmal in einem Spiel – auch mit einfachen Toren – frühzeitig klar in Führung gehen, Selbstbewusstsein tanken. Im Herbst war der 4:0-Sieg gegen Bayer Leverkusen dieser Dosenöffner. Danach lief alles wie am Schnürchen.
(An Nagelsmann:) Vielleicht trotzdem auch einfach einmal etwas anderes versuchen: Keine Kimmich-Ecke, einen Gravenberch, der etwas weniger WM-geschädigt ist, wie angekündigt und versprochen von Beginn an spielen lassen. Ein völlig demoralisierter Ryan hilft auch zukünftig nicht weiter. Gestern hätte übrigens auch ein Daley Blind anstelle von Stanisic spielen können – der war Stammspieler in der Elftal!
Titelbild: Jubelnde FCB-Spieler – das wollen wir sobald wie möglich wieder sehen!