Nagelsmann-Bashing nach Gladbach-Niederlage

Kommentar von Petersgradmesser

Julian Nagelsmann hat es wahrlich nicht leicht in München. Der 35-jährige Cheftrainer des FC Bayern wird wesentlich kritischer beäugt als all seine Vorgänger zusammen. Er war 2021 der teuerste FCB-Trainer aller Zeiten, was die Ablösesumme betrifft, zudem wird er ob seines Alters nicht selten als Lehrling tituliert, bei seinem Amtsantritt an der Säbener Straße war er gerade 33 Jahre jung. Sein selbstbewusstes eloquentes Auftreten begeistert die einen, die anderen bewerten es als Arroganz. Eine Kombination, die dem Boulevard sehr viele Möglichkeiten bietet. Noch mehr, wenn beim Julian die ganze Emotionalität ausbricht, wie am Samstagnachmittag nach der 2:3-Niederlage in Gladbach.

Nagelsmann hat außerdem mit einem Malus zu kämpfen, wie wohl noch nie ein FCB-Coach zuvor. Selbst neutrale Fußballfans – sollte es die tatsächlich geben – werden zugeben, dass das Märchen von Bayernbonus & -dusel eben ein solches ist. In den letzten Jahren hat sich eher – zumindest national – eine zunehmende Benachteiligung des deutschen Rekordmeisters herauskristallisiert. Dass aber eine Mannschaft im Meisterschaftskampf über eine gesamte Spielzeit von den sog. Unparteiischen benachteiligt wird, gab es in dieser Konsequenz und Dreistigkeit auch noch nie. Auch so ein Szenario geht an hochqualifizierten Fußballprofis, die – was viele oft vergessen – auch nur Menschen sind, nicht spurlos vorüber. Das kostet Konzentration, das zehrt an den Nerven – speziell in einer ebenso hochtalentierten wie sensiblen Mannschaft, die die Bayern aktuell darstellen. Letztendlich spiegelt sich alles auch in der Leistung wider – in diesem speziellen Fall im negativen Sinn.

Die sehr frühe, ungerechtfertigte und zudem in der Art des Zustandekommens (SR Welz verweigerte die Kontrolle des VARs) fragwürdige Rote Karte gegen Dayot Upamecano brachte nach der Niederlage in Gladbach das Fass zum Überlaufen. Der FCB-Sportvorstand Hasan Salihamidzic sah darin – zurecht – die Krönung der Benachteiligungen der bisherigen Bundesligasaison des FC Bayern.

Brazzo nach dem Gladbach-Spiel: “Heute die Krönung der Benachteiligungen!” – FC Bayern Total

Dass Nagelsmann, der von SR Tobias Welz bereits während des Spiels die gelbe Karte gesehen hatte, nach dem Spiel stinksauer war, war mehr als nachzuvollziehen.

Nagelsmann außer sich: “Ein weichgespültes Pack!” – FC Bayern Total

Was Julian Nagelsmann an SR Welz am meisten ärgerte – FC Bayern Total

Dafür bekommt er nun wohl Ärger mit dem DFB-Kontrollausschuss und wurde zudem u.a. gemaßregelt von den selbsternannten Moralaposteln des deutschen Fußballs Lothar Matthäus und Didi Hamann. Viele ältere FCB-Fans haben in diesem Zusammenhang wohl noch einen völlig eskalierenden Loddar nach einem Spiel in Karlsruhe in Erinnerung. Vor laufenden Kameras konnte er sich schier nicht mehr beruhigen …”Skandal, Skandal ….”

Lothar, deine Emotionen damals waren durchaus nachvollziehbar und berechtigt. Sie waren wesentlich ausufernder und öffentlicher als die von Julian am Samstag. Alles schon vergessen?

Über Hamann möchte man – auch in diesem Zusammenhang – nach seinen fragwürdigen Aussagen lieber gar nichts schreiben. Die Gefahr, dass man anschließlich als respektlos dastehen könnte, ist riesengroß …

Auch von Stefan Effenberg kam Kritik am Bayerntrainer, weniger wegen des Ausrastens, sondern fachlicher Natur. Der Effe monierte zwar auch den spielentscheidenden Platzverweis: “Für mich war das bei Upamecano gegen Alassane Plea keine Notbremse und daher keine Rote Karte. Man muss da schon unterscheiden zwischen Kontakt und Kontakt – wie stark darf ein Kontakt sein? Wenn das in Gladbach schon ein Kontakt ist, dann haben wir so viele Fouls in einem Spiel. In so einer Situation sollte der Schiedsrichter wie Tobias Welz denn auch schon rausgehen und sich das anschauen. Das ist schon verpflichtend bei einer Notbremse – egal ob in der 8. oder 80. Minute.

Wie die vielen “Nicht-Nagelsmann-Fans” unter den Bayernanhängern kritisiert der ehemalige FCB-Kapitän aber auch Nagelsmann: “Diskutieren kann man natürlich auch die Auswechslung von Kapitän Thomas Müller infolge des Platzverweises. Die Frage ist: Nimmst du Eric Maxim Choupo-Moting raus oder Müller? Eine andere Alternative hatte Nagelsmann ja nicht. Du musst was Offensives rausnehmen, um die Stabilität zu stärken. Das ist natürlich bitter für Müller.” Für Letzteren sei es “insgesamt schwierig: In Paris draußen gewesen, nun nach 16 Minuten raus. Das muss Nagelsmann verantworten und erklären“.

Laut Effenberg hätte Nagelsmann da ein “glücklicheres Händchen” zeigen können. Er kritisiert weiter: ” In der Phase, in der sich Bayern befindet, mit dem Druck von hinten, wo andere nachlegen können, da musst du doch die stärkste Elf bringen. Du hast auch keine englische Woche, du kannst die Belastung steuern. Jamal Musiala und Leroy Sane auf der Bank zu lassen, gerade wenn es gegen den Angstgegner geht, das kannst du dir nicht leisten“.

Effenbergs Stammtischargumente überraschen durchaus, auch wenn er in seiner einzigen Trainerstation in Paderborn 2015/16 kläglich scheiterte. Wie er selbst argumentierte, hatte der FCB-Trainer nur die Möglichkeit zwischen dem Thomas und Choupo. Letzterer erzielte übrigens in Mittelstürmermanier den zwischenzeitlichen Ausgleich zum 1:1 und ist in dieser Saison wesentlich torgefährlicher als der Urbayer Müller. Hätte Nagelsmann Choupo ausgewechselt und der FCB anschließend keine Torgefahr entwickelt, hätte der Effe den Julian dann auch mit den umgekehrten Argumenten kritisiert?

Auch das Argument mit “keine englische Woche” und “stärkste Elf” verwundert. Die Bayern kamen aus einer sehr anspruchsvollen englischen Woche, viele Spieler waren sicherlich nach dem erfolgreichen Kampf in Paris müde, zumal auch die Heimreise alles andere als optimal verlaufen war. Was weiß Effenberg über eventuell angeschlagene Spieler? Verwunderlich war doch vor allem, dass João Cancelo in der 16. Minute für Müller eingewechselt wurde und nicht Matthijs de Ligt, der Upa in der Innenverteidigung ersetzen hätte können. Der Holländer wurde zwar in der 62. Minute noch eingewechselt, aber wahrscheinlich erst so spät, weil er eben nicht fit aus Paris zurückgekommen ist. Die angesprochenen Musiala und Sané wurden dann in der Halbzeit eingewechselt – beim Stand von 1:1. Das Spiel wurde aber mit 2:3 verloren …

Tatsache ist vor allem, dass Bayern bis zum verhängnisvollen Platzverweis sehr souverän und dominant aufgetreten ist, alles lief sehr gut. Dann kam die spielentscheidende Szene – ein gravierender Fehler von Nagelsmann ist dagegen kaum zu erkennen. Wenn man sachlich und fair bleibt.

PS: Der Boulevard legt schon nach und fragt (sich), ob der FCB-Coach nun bei den Vereinsbossen zum Rapport antreten muss. Echt jetzt? Haben diese Leute die Aussagen von Brazzo nicht mitbekommen ….

Ein Kommentar zu “Nagelsmann-Bashing nach Gladbach-Niederlage

  1. Man kann es halt niemanden recht machen, sagt man was ist es nicht recht, sagt man nichts, hört man dann der könnte auch mal Emotionen zeigen.

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