Der “FCB-Trainer-Killer”? – Bashing gegen Thomas Müller

Kommentar von Petersgradmesser

Seit Julian Nagelsmann seinen Trainerjob am 1. Juli 2021 an der Säbener Straße angetreten hat, bekam er medial aber auch von zahlreichen Fans aus unterschiedlichen – teils abenteuerlichen – Gründen Gegenwind. Nun ist er weg und zum Teil dieselben Protagonisten konstruieren nun krampfhaft eine Story, wer denn nun verantwortlich für die Entlassung des 35-jährigen Coaches sei, obwohl das Szenario eigentlich absolut klar ist. Stellvertretend titelt der Focus heute: “Nagelsmann nicht das erste Opfer – Wer es sich mit Müller verscherzt, hat bei Bayern keine Zukunft.”

Auch wenn Hasan Salihamidzic bei der PK am vergangenen Freitag andeuten wollte, dass Nagelsmann zumindest Teile der Mannschaft nicht mehr erreicht haben soll, waren seine und Oliver Kahns weitere Ausführungen eindeutig so gelagert, dass die Vereinsführung – aufgrund der Verfügbarkeit des Wunschtrainers Thomas Tuchel – diese für alle – auch die Mannschaft – überraschende Entscheidung im Alleingang getroffen hat.

Nachdem aber der FCB-Unsatz des Jahres Nagelsmann hat die FCB-Kabine verloren!” schon länger die Runde macht, müssen die Verursacher dieser Theorie anscheinend diesbezüglich nachlegen. Anlässlich des Länderspiels gegen Peru haben die beiden FCB-Führungsspieler Joshua Kimmich und Leon Goretzka diese These ins Reich der Märchen verfrachtet. Andere haben – etwas leiser – nachgezogen. Angesichts dessen, dass auch Fußballspieler unterschiedliche Charakter haben, ist eine etwas lächerliche Diskussion über die Spielerreaktionen vor allem in den Social Media ausgebrochen.

Thomas Müller hat etwas später (am Sonntag) auf Instagram reagiert:

Danke dir und deinem Team für euren Einsatz, lieber Julian Nagelsmann. Alles Gute und bis bald. 🍀

Die Reaktionen im Netz waren unterschiedlich: Die meisten Fans gaben Applaus für dieses Statement, andere nannten ihn einen “Schleimer“, wiederum andere meinten, dass dies mehr oder weniger emotions- und lieblos dahin gerotzt sei. “Lieber Julian Nagelsmann” … eine wirklich erstaunliche Interpretation! Dazu muss man auch sagen, dass einige Kommentare zu Müller, unter anderem der im Focus, derart manipulativ waren, dass der bemerkenswerte Zusatz “lieber Julian Nagelsmann” offensichtlich ganz bewusst weggelassen wurde.

Warum diese Fokussierung auf Müller? Ganz einfach, alle anderen wichtigen FCB-Spieler machen überhaupt keinen Sinn. Der einzige, der Sinn machen könnte, ist Manuel Neuer – der ist aber seit bald fünf Monaten kein Teil der FCB-Kabine mehr!

Thomas Müller ist stark in die Saison 2022/23 gestartet, war dann aber wochenlang vor der WM in Katar verletzt, spielte dort auch wie die gesamte Mannschaft ein unglückliches Turnier und war beim Re-Start im Jahr 2023 verständlicherweise kein unumstrittener Stamm- bzw. Startspieler mehr. Dann kam die frühe Auswechslung in Gladbach, bedingt durch den sehr frühen Platzverweis von Dayot Upamecano. Ein gefundenes Fressen für die Medien, manche Fans murrten, Müller nicht – zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Ab dem Zeitpunkt wurde ihm ein gestörtes Verhältnis zu Nagelsmann angedichtet. Ich habe jedoch kein einziges Statement vom ihm selbst gehört, dass in diese Richtung interpretiert werden könnte.

Und jetzt wird auch noch seine Vergangenheit als Trainerkiller herausgekramt. Dazu beispielsweise der Focus: “Thomas Müller soll(!) kein großer Fan des Trainers gewesen sein. Die Historie zeigt: Wer es sich mit der Vereinsikone verscherzt, hat in München keine Zukunft.” Genannt werden dann Carlo Ancelotti und Niko Kovac.

Dabei spielt es offensichtlich überhaupt keine Rolle, dass die Entlassungen der beiden genannten Ex-Trainer unter ganz anderen Vorzeichen stattfanden. Bei Ancelotti ist offensichtlich im Sommer 2017 vor dessen zweiter FCB-Saison der gesamte Mannschaftsrat stellvertretend für das Team bei den Bossen vorstellig geworden, um sich unter anderen über die Trainingsqualität des Italieners zu beschweren. Die 0:3-Klatsche bei PSG Ende September 2017 war dann den Bossen zu viel und Don Jupp musste / durfte einmal mehr übernehmen. Müller war Teil des Mannschaftsrates, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Dass Müller mit Nico Kovac nicht konnte, hatte nicht zuletzt mit dessen respektlosen Verhalten der FCB-Kultfigur gegenüber zu tun. Kovac über den damals knapp 30-jährigen Müller: „Wenn Not am Mann sein sollte, wird er mit Sicherheit auch seine Minuten bekommen“. Heftig, unnötig, respektlos. Müller wollte daraufhin im Januar 2019 sogar den Verein verlassen. Zuvor verloren aber Kovac´ Bayern Anfang November 2018 sang- und klanglos mit 1:5 in Frankfurt. Kovac war anschließend FCB-Geschichte und Hansi Flick schrieb als sein Nachfolger ein überragendes Kapitel in dieser – mit demselben Team und Müller als Führungsspieler.

Nun ist Müller aber 33 1/2 Jahre und spielt seine 14. mit Spielen vollgepfropfte Profisaison. Dass er nicht mehr der immer taufrische Jungspund ist, zeigte seine Einwechslung im BL-Spiel gegen Augsburg nur drei Tage nach dem grandiosen 2:0 gegen PSG. Saft- und kraftlos musste er in der Schlussminute den FCA-Außenspieler davonziehen lassen, der mühelos das 3:5 aus Schwabenperspektive vorbereitete. Müller selbst hat seine neue Oldierolle ganz offensichtlich akzeptiert – “Müller spielt nicht immer!” – andere nicht und kritisierten dafür Nagelsmann. Und teils dieselben Journalisten machen nun Müller zum Nagelsmann-Killer, zum einzigen Protagonisten der Gruppe “Nagelsmann hat die Kabine verloren“.

Bashing pur – die einen (Medien) aus Kalkül, die anderen (“Fans”), weil es immer einen Schuldigen geben muss und weil meckern mittlerweile mehr Spaß als jubeln macht. Trauriges Szenario.

Veröffentlicht von fcbayerntotal

Admin und Autor von FC Bayern Total

5 Kommentare zu „Der “FCB-Trainer-Killer”? – Bashing gegen Thomas Müller

  1. Es gibt schon ein Thema Müller / Nagelsmann. So erschienen zum Jahreswechsel sehr eigenartige Presseberichte, dass Müller sein Spiel umstellen müsse. Er soll sein Glück auf der “9” versuchen.

    Das war ein ganz offensichtliches Abservieren.

    Es gab dann auch eine Mannschaftsbefragung – ich weiß nicht, ob von Nagelsmann initiiert – ob Müller ODER Musiala spielen sollten – Ergebnis war: Beide.

    1. @ Wipf: Du fängst eigentlich ganz vielversprechend an: “… sehr eigenartige(!) Presseberichte…”
      Dann ziehst du es allerdings nicht durch.
      Müller spielt beim FCB seit 2009 immer wieder als “falsche 9”. Und bei Nagelsmann muss er dann erstmals(?) sein Spiel umstellen? Das mit dem “offensichtlichen Abservieren” ist schon deine ziemlich exklusive Meinung.
      Keine Ahnung, ob es eine Mannschaftsbefragung gab. Musiala hat sich auf alle Fälle Anfang des Jahres so geäußert, dass er am liebsten mit Müller zusammen spielen würde.

      Das Wichtigste ist aber: Was willst du uns damit jetzt sagen? Der Julian war böse zum Thomas, also darf ihn der natürlich abservieren … 😉

  2. Thomas Müller hat das Herz am rechten Fleck, was er sagt darf man halt nicht immer auf die Goldwaage legen. Ein Trainerkiller ist er auf keinen Fall. Wer so lange im Verein ist darf sich doch auch mal kritisch äußern, wenn es nötig oder vielleicht sogar sinnvoll ist.

Kommentar verfassen

%d Bloggern gefällt das: