Nicht in die Medienfalle tappen – Ruhe bewahren, FC Bayern!

Kommentar von Petersgradmesser

Nach den zehn erfolgreichsten Jahren der Vereinsgeschichte sieht es vor dem letzten Spieltag so aus, als würde der FC Bayern diese Saison titellos beenden. Selbst in der ganz großen Enttäuschung als leidenschaftlicher Fan gibt es dabei nicht wenige Momente, in denen man zu sich sagt: „Gott-sei-Dank!“ Zuletzt wurden Spieljahre, die nur mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft gekrönt wurden, schon als enttäuschend abqualifiziert. Das ist pervers, arrogant, respektlos: Die gigantische Mehrheit der Fußballvereine auf diesem Planeten bleibt in ihrer gesamten Klubgeschichte titellos. Eine ganz üble Rolle spielen dabei die Medien, früher hätte ich geschrieben die Boulevardmedien. Aber wenn es um den FC Bayern, um Fußball geht, verhalten sich alle Medien einheitlich – eigentlich seriöse Berichterstatter unterscheiden sich da wenig von der berühmt-berüchtigten BILD-Methode. Und weil Fußball so emotional ist, lassen sich die Fans größtenteils leider davon aufstacheln, die Situation eskaliert jedes Jahr mehr. Die Führungspersonen des Rekordmeisters dürfen sich nun davon nicht anstecken lassen, müssen einen kühlen klaren Kopf bewahren.

In den Social Media gibt es tatsächlich Fans, die scheinbar ernsthaft fordern, dass die gesamten Protagonisten des FCB ausgetauscht gehören: Vorstand, Präsidium, Trainerteam, sämtliche Spieler. Auf die Nachfrage, ob man dann doch auch den Verein auflösen könnte, wird man wüst beschimpft und beleidigt.

Ich persönlich bin der Meinung, dass man auch nach so einer Saison keinen verrückten Aktionismus starten sollte. Die Mannschaft hat viele überragende Spiele, Weltklassespiele auch gegen Weltklassegegner gezeigt. Sie kann es definitiv, der aktuelle Kader ist bockstark. Aber er hat ein unerklärliches mentales Problem, wie ich es seit vielen Jahrzehnten nicht beim FCB gekannt hatte.

Nach dem Abgang von Robert Lewandowski, der Verletzung von Manuel Neuer, den vielen Verletzungen und Ausfällen von Thomas Müller – mit einer zeitweisen Versetzung ins zweite Glied – fehlt ganz offensichtlich ein Leader, ein Führungsspieler beim FC Bayern, der einen stotternden Motor im Spiel wieder anwerfen kann. Diese Rolle ist eigentlich Joshua Kimmich zugedacht, aber er scheint damit vollkommen überfordert und in seiner eigenen Leistung extrem gehemmt zu sein. Dennoch durchaus überraschend: Die absolut beste Saisonphase im Herbst spielte der FCB ohne(!) Neuer, Müller und natürlich Lewandowski. D.h. wenn der FCB-Motor funktioniert, dann überrollt die Mannschaft jeden Gegner – und braucht keinen Leader. Aber wehe, wenn der Motor stottert … also doch einen Anführer!

Kann das Manuel Neuer wieder sein? Wird er wieder der Alte sein? Ein Führungs-Trio mit Müller und Kimmich? Es wird vor der nächsten Saison auch eine Kernaufgabe der Trainer sein, die Rollen der drei genannten zu überdenken und vielleicht auch neu zu definieren (Kimmich!). Matthijs de Ligt wird so eine Rolle auch zugetraut. Vielleicht in ein paar Jahren auch Jamal Musiala – aber noch nicht jetzt dem 20-Jährigen.

Die beste Saisonphase (im Herbst) hatten die Bayern mit einem überragend performenden Eric Maxim Choupo-Moting. In jenen Wochen trauerte niemand Lewandowski nur eine Träne nach, im Gegenteil. Aber der 34-jährige kamerunische Nationalspieler ist leider extrem verletzungsanfällig. So verpasste er quasi die gesamten entscheidenden Spiele oder versuchte es in unfittem Zustand. Auf dieser Position muss gehandelt werden. Ein Niklas Füllkrug könnte dabei schon weiterhelfen, mit einem Kronprinzen Mathys Tel und einem Teilzeitarbeiter Choupo.

Auch auf der sogenannten Sechs muss robust nachgelegt werden: Ist bereits Konrad Laimer die Lösung für dieses im Laufe der Saison zunehmende FCB-Problem?

Heute in einer Woche ist die bereits im Vorfeld legendäre Aufsichtsratsitzung. Hoffentlich passieren dort keine dummen Dinge. Uli Hoeneß sollte Ehrenpräsident bleiben und mit seinem Verständnis für den Umgang mit den modernen Medien bitte nicht mehr ins FCB-Zentrum rücken. Das kann nicht gut gehen. Das liefert den Medien noch einmal den dreifachen Stoff, die Unruhe im Verein wird weiter eskalieren.

Mit der Entlassung (Freistellung) von Julian Nagelsmann haben die FCB-Bosse Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic einen schweren Fehler in dieser Saison begangen. Art und Weise und Zeitpunkt waren eine Katastrophe. Brazzos derzeitige hilflose Erklärungsversuche machen alles nur noch schlimmer. Man kann Fehler auch zugeben, das zeigt sogar Stärke. Jetzt heißt es aber: nach vorne schauen.

Das mit dem einen(!) schweren Fehler habe ich durchaus bewusst kursiv geschrieben, denn ansonsten haben Kahn und Brazzo in dieser Saison einen guten Job gemacht. Speziell auch bei der Kaderplanung, auch wenn das – im Misserfolgsfall – einige anders sehen mögen.

Mein Rat: Personell möglichst wenig verändern – das gilt für Vorstand, Trainerteam und Mannschaft. Punktuell ergänzen und verstärken. Das Potenzial ist riesig. Vor der überragenden Triplesaison 2012/13 hat man das genauso gemacht. Die „Loser“ der Saison 2011/12 sind alle geblieben, Martínez, Mandzukic, Shaqiri, Dante und Pizarro (als Ergänzungspieler) dazu gekommen. Man hat die Ruhe bewahrt, alle Kräfte mobilisiert, vielleicht dazu auch die aufgestaute Wut aus der Vorsaison benutzt. Das könnte / sollte auch das Erfolgskonzept für 2023/24 sein, mit dem man dann wieder total – in allen Wettbewerben – angreift.

PS: Einen sehr sehr guten Sportpsychologen im Team zu haben, wäre sicherlich auch nicht falsch. Seminarstoff: Wie ignoriere ich die Medienmeute mit ihren Provokationen am besten.

2.PS: Die Maulwürfe im Verein müssen enttarnt und wirklich ohne Rücksicht auf Namen und Positionen rigoros rausgeworfen werden – in Schimpf und Schande. Mehr Nest-beschmutzen geht gar nicht. Dann hätten die böswilligen Medien auch weniger Möglichkeiten.

Titelbild: Die Bayern beim Torjubel, beim Torrausch. So wollen wir sie baldmöglichst wieder sehen.


Update 01.06.2023

Der FC Bayern ist tatsächlich noch Deutscher Meister geworden! Leider hat dies aber wenig überraschend wenig an der Berichterstattung des Boulevards geändert. Eher im Gegenteil: Die oben erwähnte Aufsichtsratssitzung bekam wesentlich weniger Beachtung als man noch bis Mitte letzter Woche gedacht hatte: Kahn und Brazzo wurden bereits vorher entlassen, dafür mischt Rummenigge jetzt wieder vermehrt mit, der Uli sowieso.

Die Empfehlung des ursprünglichen Beitrags bleibt bestehen: Die Mannschaft punktuell an den wichtigen Positionen ergänzen bzw. verstärken. Bitte kein Aktionismus wie von den Medien gefordert!

Diese Mannschaft verdient Respekt. Trotz aller Widrigkeiten ist sie Deutscher Meister geworden. Dies als Selbstverständlichkeit einzufordern, zeigt das Gegenteil. Apropos schwacher Deutscher Meister: In der nun 60-jährigen Bundesliga-Geschichte waren 32 Deutsche Meister (über 53%!) nach Punkten und Toren schlechter als der aktuelle.

Natürlich wird es Abgänge geben: Daley Blind, mindestens einer aus dem Trio Cancelo, Hernández, Pavard, ein Torhüter (Sommer oder Ulreich?) … aber hoffentlich nicht so inflationär wie es die Medien fordern. Deren heutige Verkaufskandidaten heißen Mané (natürlich!), Sané und Gnabry! Was für ein Wahnsinn!

Das Potenzial dieses Teams ist eindeutig in der Weltklasse angesiedelt und diese Mannschaft soll nun – weil es die Medien fordern – komplett zerlegt werden? Uli, Kalle & Co – Ihr wisst das hoffentlich viel besser!!

PS: Der absolute Worst Case wäre es, wenn die neuen Alten – nur um ihren entlassenen Vorgängern zu beweisen, was die alles falsch gemacht haben – einen unnötigen Aktionismus in der Kaderplanung an den Tag legen würden.

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