Steile These: Brazzo selbst ist am glücklichsten über die eigene Entlassung!

Kommentar von Petersgradmesser

Im Gegensatz zum ganz offensichtlich wütenden Oliver Kahn nahm Sportvorstand Hasan Salihamidzic seine Entlassung beim FC Bayern sehr sportlich, fast schon gelassen und blieb in seiner Wortwahl sehr versöhnlich. Seine Jubelarien auf der Kölner Tribüne bei Jamal Musialas Tor zur Meisterschaft waren euphorisch, ausgelassen, seine Gesten bei den Meisterfeiern herzlich. Auf eine seltsame Weise schien er am vergangenen Wochenende glücklich, obwohl ihn der Verein – für ihn vielleicht nicht ganz überraschend – vor die Tür gesetzt hat. Kann man glücklich möglicherweise durch erleichtert ersetzen?

Die knapp sechs Jahre als Funktionär beim FC Bayern waren für den bosnischen Ex-Bayern-Spieler (1998-2007) eine gewaltige Herausforderung. Wie der bissige Mittelfeldspieler während seiner Spielerkarriere kämpfte er sich in seine Rolle hinein: Zunächst als Sportdirektor, ab dem 1. Juli 2020 – mitten in der fantastischen Sextupel-Saison – als Sportvorstand. Die Fußstapfen waren gewaltig: Diejenigen von Uli Hoeneß, aber auch vom aus Krankheitsgründen ausgeschiedenen Matthias Sammer (2012-16).

Obwohl der FCB in seiner Amtsperiode insgesamt extrem erfolgreich war, war er selbst bei vielen Fans umstritten – und ein gefundenes Medienopfer. Lief es im Verein perfekt, waren andere dafür verantwortlich, lief es nicht gut, wurde er automatisch dafür verantwortlich gemacht.

Sicherlich hat Brazzo nicht alles richtig gemacht: Nach dem Triple 2020 und der Ernennung zum Sportvorstand schien er u.a. kurzfristig die Bodenhaftung verloren zu haben – sein dauerhafter Zwist mit dem bei den FCB-Fans unglaublich beliebten Hansi Flick brachte ihm sehr viel Kritik ein. Brazzo und die FCB-Trainer: Auch die Entlassung seines ursprünglichen Wunschtrainers Julian Nagelsmann im März, vor allem die Art und Weise, verübelten ihm sehr viele treue Bayernfans. Ebenso die Abgänge von Alaba und Lewandowski.

Salihamidzic hat aber auch die fantastische Mannschaft – mit vielen Leihspielern – zusammengestellt, die in der ersten Corona-Saison 2019/20 die Konkurrenz in Grund und Boden gespielt hat und mit sensationellen Leistungen das Triple, später gar das Sextupel geholt hat. Trotz des Abgangs von Robert Lewandowski hat er im vergangenen Sommer eine ähnlich starke Truppe zusammengestellt. Dafür dass dann im Laufe der Saison so unglaublich viel schief gelaufen ist, konnte er nicht viel (Ausnahme siehe oben). Dass diese von ihm geformte Mannschaft ebenso Triple-fähig war, zeigten die zahlreichen überragenden Leistungen vor allem in der Champions League vor der WM.

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Obwohl viele nachweisliche Experten seine Arbeit beim FCB, vor allem was die Kaderzusammenstellungen betraf, lobten, kam Brazzo nie aus der Kritik heraus. Diese war nicht selten unsachlich bis weit unter der Gürtellinie. Seine nicht perfekte deutsche Sprache wurde ihm zum Vorwurf gemacht, gar verlacht – aber Deutsch ist eben nicht seine Muttersprache, er kam 1992 als 15-Jähriger mitten im Jugoslawienkrieg aus Bosnien.

Von nicht wenigen FCB-Fans bejubelt, beklatscht, als überfällig empfunden wurde Hasan Salihamidzic Ende letzter Woche als FCB-Sportvorstand entlassen. Trotzdem feierte er sehr emotional, euphorisch bis ekstatisch (hüpfender Torjubel) die FCB-Meisterschaft. Anders als Kahn scheint er nicht verletzt, gekränkt zu sein, sondern glücklich, erleichtert – eine Millionen-schwere Abfindung sollte ihm den Abgang zusätzlich erleichtern. Die beruflich vielleicht schwierigste Phase seines Lebens könnte er mit der Beendigung des Kapitels Sportvorstand beim FC Bayern hinter sich haben. Ist das kein Grund zur Erleichterung?


Update 1.Juni 2023

Mit einem Schmunzeln verfolge ich heute Medienberichte, wonach Brazzo in Turin bei Juve als Manager für den Neuanfang im Gespräch sei. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen: Beim einstigen italienischen Serienmeister ist in dieser Saison noch wesentlich mehr schief gelaufen als in München. Der Job dort dürfte aktuell noch einmal eine Stufe anspruchsvoller als beim FCB zu sein.

Warum bringen die Medien Brazzo – automatisch – ins Spiel? Die einfachste Antwort ist natürlich: Um Auflagen bzw. Clicks zu erzeugen. Aber auch, weil er nach seiner Zeit beim FCB (1998- 2007) vier Jahre (2007-2011) als Spieler der Alten Dame verbrachte.

Der erleichterte Brazzo sollte nun lieber durchschnaufen und ausgiebig Urlaub machen …

Ein Kommentar zu “Steile These: Brazzo selbst ist am glücklichsten über die eigene Entlassung!

  1. Man sollte Brazzo einfach für seine tolle Arbeit danken und diese auch würdigen.
    Wie heisst es so schön, der Erfolg kommt nicht von alleine und er hat seinen Beitrag unbestritten dazu beigetragen !! MiasanMia Brazzo!! Wie man mit Stil abdanken kann hast Du gezeigt.. so gehen nur die Großen.. Danke und alles Gute..

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