Am 19. Juni 1971 trafen die Bayern vor 71400 Zuschauern im Stuttgarter Neckarstadion im Pokalfinale auf den 1. FC Köln. Obwohl sie die Domstädter fünf Wochen zuvor in der Meisterschaft mit 7:0 deklassiert hatten, wollten sich die Bayern in diesem Endspiel nicht als Favorit sehen. Der Grund für diesen Pessimismus lag wahrscheinlich darin, dass man zwei Wochen zuvor am letzten Bundesligaspieltag, in welchen man als Tabellenführer ging, den Meistertitel nach einer 0:2-Niederlage beim MSV Duisburg noch an die Gladbacher Borussia hatte abtreten müssen.
Der Weg ins Finale war für die Bayern kein leichter gewesen, in den ersten beiden Pokalrunden musste man jeweils ins Wiederholungsspiel: Hessen Kassel (2:2 n.V.; 3:0), 1. FC Kaiserslautern (1:1 n.V.; 5:0). Im Viertelfinale fertigten die Bayern den MSV Duisburg zuhause mit 4:0 ab, der 1:0-Halbfinalsieg beim Bundesliga-Aufsteiger Fortuna Düsseldorf war dagegen wieder eine ganz knappe Angelegenheit.
Eine extrem kuriose und aus Bayernsicht sehr ärgerliche Vorgeschichte verhinderte fast die Teilnahme von Gerd Müller am Endspiel. Er drohte wegen einer Sperre aus einem Freundschaftspiel in Peru, welches fast ein halbes Jahr vor dem Stuttgarter Finale stattgefunden hatte, auszufallen. Der Bomber und die Bayern fuhren jedoch heftige Geschütze auf, so dass er letztendlich doch auflaufen konnte. Die ganze Geschichte:
Udo Lattek, der seit gut einem Jahr Bayerntrainer war, schickte folgende Startelf aufs Feld:

Franz Beckenbauer; Sepp Maier; Georg Schwarzenbeck; Franz Roth; Charly Mrosko; Gerd Müller; Rainer Zobel; Dieter Brenninger; Uli Hoeneß; Paul Breitner; Herwart Köppenhöfer.
Im Vergleich zu den Pokalerfolgen 1966, 1967 und 1969 waren in Stuttgart einige neue junge Gesichter dabei, die den FCB in den nächsten Jahren mitprägen sollten.
Das Spiel begann jedoch standesgemäß, Gerd Müller versenkte den Ball bereits mit seiner ersten Chance in der 3. Spielminute im Kölner Tor – das Tor fand jedoch wegen einer vermeidlichen (umstrittenen) Abseitsposition des Bombers keine Anerkennung.

Der erste reguläre Treffer fiel dann in der 14. Minute auf der anderen Seite, Bernd Rupp erzielte die überraschende 1:0-Führung für den EffZeh.

Die Bayern, die bis zum Rückstand die klar dominierende Mannschaft gewesen waren, waren zunächst geschockt. Die Nationalspieler der Kölner, Wolfgang Overath, Heinz Flohe und Wolfgang Weber bestimmten das Spielgeschehen, die Bayern fanden nicht zu ihrem Spiel.
Nach einer halben Stunde fingen sich jedoch die jungen Münchner und kamen zu hochkarätigen Chancen, fanden dabei aber immer wieder ihren Meister im überragend haltenden FCK-Torhüter Milutin Soskic, der eigentlich nur Ersatz hinter Manglitz gewesen war. Die Bundesliga-Bestechungsaffäre hatte zu dem Zeitpunkt bereits begonnen …
In der 52. Minute glich Beckenbauer zum hochverdienten 1:1 für die Bayern aus.

Ab diesem Zeitpunkt übernahmen die Bayern die totale Spielkontrolle, die Kölner schienen sich in den ersten 45 Minuten verausgabt zu haben. Die FCB-Führung schien nur eine Frage der Zeit zu sein. „Kaiser Franz war nun wieder, wie schon zu Beginn des Spiels, Libero, Mittelfeldspieler und Stürmer in einem“ (75-Jahres-Chronik). Soskic hielt jedoch fantastisch.
Und dann brannten Koppenhöfer in der 71. Minute, mitten in der größten Drangphase der Bayern, die Sicherungen durch. Nach einer vom Kölner Nationalspieler Hannes Löhr provozierten Tätlichkeit flog er vom Platz. (Herwart Koppenhöfer, der in der Saison 1970/71 einen Stammplatz bei Bayern hatte, verlor diesen nach dem Final-Blackout in der Folgesaison und verließ im Sommer 1972 den Verein.)
Sollte dies die abermalige Wende im Spiel sein? Entschied eine Unbeherrschtheit das hochklassige DFB-Pokal-Finale 1971? Nein. Das Spiel ging in die Verlängerung, in welcher die Bayern überraschender Weise in Unterzahl die bessere Kondition hatten. Sie gewannen die Mehrzahl der Zweikämpfe und hatten die besseren Torchancen. In der 118. Minute die Entscheidung: Vom “Laufwunder” Rainer Zobel glänzend vorbereitet, schmetterte der Mitte der zweiten Halbzeit für Roth eingewechselte Edgar Schneider den Ball hoch rechts in das Kölner Tor – der fabelhafte Soskic war geschlagen.
Schneider entwickelte sich in jener Saison zum „Köln-Schreck“. In seinen 20 Bundesliga-Partien traf er ganze zweimal – und dies beim 7:0-Sieg Mitte Mai gegen den 1. FC Köln. 😉

Pokalsieg in Unterzahl, insgesamt nun schon der fünfte bei der fünften Finalteilnahme (1957; 1966; 1967; 1969; 1971)! Das Vize-Double verhindert! Auch kein Wiederholungsspiel, welches in Unterzahl durchaus das Ziel der Bayern hätte sein können.
So jubelten am Ende wieder die Bayern. Das Fazit des Kaisers: „Es war ein sehr gutes und ein dynamisches Finale mit letztem Einsatz auf beiden Seiten bis zum Schluss. Ich glaube, dass wir verdient gewonnen haben.“ Anders als bei den Endspielen in den 1960er Jahren waren die Temperaturen in Stuttgart kühl, was in Unterzahl sicherlich kein Nachteil war, wie auch Beckenbauer zugab. „Mir hat das Spiel kräftemäßig nichts ausgemacht. Ich hatte vorher Salztabletten genommen, die sind sehr gut für die Muskeln.“
Herrlich heile Welt! 🙂



Titelbild: Der Franz gleicht aus.
Das waren noch Zeiten, manchmal wünscht man sie einfach wieder zurück. Es wurde gespielt und gekämpft um jeden Ball, da war nichts von Unlust zu sehen.
Höchstens einmal ein “fuchsteufelswilder” Kaiser 😉
Das gehört dazu, wie im richtigen Leben.