Heute vor 50 Jahren, am 3. Oktober 1973 kamen die Bayern auf dem Weg zum ersten Landesmeistercup-Gewinn ihrer Vereinsgeschichte beim Rückspiel der 1. Runde beim schwedischen Meister Atvidaberg FF gerade noch mit dem Schrecken davon. Nach zwei dramatischen Spielen musste zum ersten Mal in der FCB-Europapokalgeschichte das Elfmeterschießen über das Weiterkommen entscheiden. Der überragende Mann bei den Schweden war in diesem Spiel Conny Torstensson, welcher sich wenig später beim FC Bayern den Spitznamen Mr. Europacup mehr als verdiente.
Die wenigsten Fans wissen bzw. können sich daran erinnern, dass der FC Bayern im Frühherbst seiner wohl erfolgreichsten Saison 1973/74 – wenn man den WM-Titel für die sieben deutschen Nationalspieler mit einbezieht – arg kriselte. In der Bundesliga hagelte es Gegentore und in der ersten Runde des Europapokals der Landesmeister drohte ein ebenso überraschendes wie blamables Ausscheiden.
Bereits beim Heimspiel am 19. September 1973 lief es für die Bayern trotz eines 3:1-Sieges gegen die athletischen Schweden aus Atvidaberg nicht rund. Ein Großteil der eigenen Fans – 23000 waren im Olympiastadion – pfiff die eigene Mannschaft heftig aus. Sepp Maier, eigentlich absoluter Publikumsliebling, legte sich mit diesen an und pfiff diese wiederum symbolisch selbst aus.

So startete man mit einem mulmigen Gefühl zum Rückspiel Richtung Schweden, welches sich noch steigerte, weil man erst mit mehrstündiger Verspätung in einem wesentlich kleineren Flugzeug als eigentlich geplant los flog. O-Ton des damaligen FCB-Präsidenten Wilhelm Neudecker: „Ich steige doch nicht in jeden Vogel. Das ist ja ein Heuhupfer, mit dem man höchstens nach Augsburg fliegen kann.“
Und das Spiel startete, wie es sich die Bayern in ihren schlimmsten Albträumen nicht vorgestellt hatten: Vor den 9201 zahlenden Zuschauern auf dem Kopparvallen-Sportplatz im 13000 Einwohner zählenden Atvidaberg überrollte der schwedische Meister die Bayern in der Anfangsviertelstunde. Nach 15 Minuten stand es bereits 2:0 durch Treffer von Torstensson und Wallinder. Die Bayern drohten komplett unterzugehen, zumal auch noch Paul Breitner nach 16 Minuten verletzt vom Platz musste – Edgar Schneider ersetzte ihn.
Breitners Verletzung wurde erst einen Tag später bei Röntgenuntersuchungen in München als gesplitterter Bruch des rechten Wadenbeins diagnostiziert. Sie kam unter nie völlig aufgeklärten Umständen zustande. Angeblich wurde er von einem fanatischen schwedischen Zuschauer mit einem Stein am Wadenbein getroffen. Es waren noch andere Zeiten, außerdem war Breitner nicht Roberto Boninsegna und der FCB nicht Inter Mailand.
Es blieb beim 2:0 bis zur Halbzeit und Neudecker eilte in die Kabine, wo er angeblich die Prämie für das Weiterkommen von 3000 auf 5000 DM pro Spieler erhöhte. Zunächst völlig ohne Wirkung, die Schweden dominierten weiter. Der in diesem Spiel sehr starke Jupp Kapellmann sprach nach dem Spiel von „Naturburschen, die das Korn noch mit den Zähnen aufknacken…“ 😉
Und in der 72. Minute erhöhte der alles überragende Conny Torstensson auf 3:0. Bayern-Coach Udo Lattek sah seine Mannschaft zu dem Zeitpunkt schon aus dem Wettbewerb ausgeschieden.

Jedoch nur drei Minuten nach dem 3:0 erzwang Uli Hoeneß mit seinem Treffer die Verlängerung. Nun war Atvidaberg stehend KO, mit den Kräften am Ende und rettete sich selbst ins Elfmeterschießen.

Das Elfmeterschießen begann wieder schlecht für die Bayern. Kapellmann trat zwar als Erster an und verwandelte zum 1:0, Torstensson glich zum 1:1 aus. Dann aber jagte Bernd Gersdorff den 2. Münchner Elfmeter über das Tor, laut seiner eigenen Aussage der erste verschossene Elfmeter seiner Karriere. Schon im Match wurde er von seinem Gegenspieler Torstensson schwindlig gespielt.
Dazu auch (Gersdorff machte es dann später gegen den FCB besser):
Für Bayern trafen dann im folgenden Gerd Müller und Uli Hoeneß – und Sepp Maier hielt glücklicherweise den 4. Elfmeter von Atvidabergs Karlsson. Und während Franz Beckenbauer seinen Elfmeter souverän verwandelte, versagten dem letzten schwedischen Schützen Franzen die Nerven. Er setzte den Ball neben das Tor.
Die Bayern fielen sich überglücklich in die Arme und Lattek meinte: „Nach einem 0:3 noch in die nächste Runde zu kommen, ist schon ein tolles Ding. Es war das dramatischste Spiel, das ich je erlebt habe …“
Das Lob nach dem Spiel gehörte jedoch vor allem Atvidaberg. „Noch nie spielte eine schwedische Mannschaft besser als Atvidaberg“ meinte die schwedische Sportpresse. Trotzdem waren es die Bayern, die ins Achtelfinale einzogen und sich in zwei abermals hochdramatischen Spielen gegen Dynamo Dresden (4:3; 3:3) für das Viertelfinale qualifizierten.
In der Winterpause wechselte der 24-jährige Torstensson dann auf Betreiben von Lattek und FCB-Manager Robert Schwan für 580.000 DM nach München und schon bei seiner Europapokal-Premiere für die Bayern gelang ihm am 5. März 1974 im Viertelfinal-Hinspiel in München gegen ZSKA Sofia (welches vorher den Seriensieger Ajax Amsterdam eliminiert hatte) ein Doppelpack. Vor 70000 begeisterten Fans eröffnete er in der 7. Minute den Torreigen und beendete ihn in der 88. Minute mit dem Treffer zum Endstand von 4:1.

Nachdem die Bayern das Rückspiel im Hexenkessel von Sofia nur mit 1:2 verloren hatten, standen sie zum ersten Mal in ihrer Vereinsgeschichte im Halbfinale der Königsklasse. Der ungarische Meister Ujpest Dosza Budapest war dort der Gegner, war aber insgesamt chancenlos – mit 1:1 und 3:0 qualifizierten sich die Bayern für das Endspiel im Brüsseler Heyselstadion gegen Atlético Madrid. Conny Torstensson schoss in beiden Begegnungen jeweils den eminent wichtigen Führungstreffer zum 1:0.

Vier Tore in seinen ersten vier Europapokalspielen für den FCB – dreimal das wichtige 1:0. Der Mr. Europacup des FC Bayern war geboren!
Wenige Wochen später waren die Bayern und Conny Torstensson Deutscher Meister und nach den beiden Endspielen gegen Atlético Madrid (1:1 n.V.; 4:0) zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte Europapokalsieger der Landesmeister.
In der Torjägerliste des Europapokals war Conny mit seinen insgesamt sechs Toren Zweiter hinter Gerd Müller – und wer weiß, hätte er nicht im Achtelfinale aussetzen müssen, hätte er diesen Titel in der Saison 1973/74 vielleicht sogar gewonnen.

Conny Torstensson spielte bis zum Ende der Spielzeit 1976/77 beim FC Bayern. Bekanntermaßen waren jene Jahre national nicht gerade die besten der Vereinsgeschichte. Ganz anders sah es international aus. 1975 und 1976 wiederholte man den Europapokal-Triumph, 1976 wurde man zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte Weltpokalsieger – die international beste Epoche der FCB-Historie.
Während der Schwede in der Bundesliga nicht zu den ganz großen Torjägern zählte – insgesamt 11 Tore in 81 Spielen – war seine Quote im Landesmeistercup in seiner gesamten FCB-Zeit beachtlich: 10 Tore in 21 Spielen. Darunter waren auch in den Folgejahren ganz entscheidende wie das 2:0 gegen Ararat Erewan im März 1975 und das entscheidende 2:0 im November 1975 gegen seine Landsleute aus Malmö.
Seine letzten beiden Europapokalspiele für den FCB machte er über die volle Spieldistanz in den Viertelfinalduellen gegen Dynamo Kiew im März 1977 (1:0; 0:2), mit welchen die größte Europapokalära des FCB endete.
Im Sommer 1977 ging Conny Torstensson in die Schweiz zum FC Zürich. Beim FC Bayern waren zu dem Zeitpunkt die Plätze für die damals nur zwei ausländischen Spieler für Branko Oblak, der von Schalke 04 kam, und für Erhan Önal aus der eigenen Jugend besetzt. In Anbetracht dessen, dass sich Önal in München nie entscheidend durchsetzen konnte und dass Torstenssons letzte Bundesligasaison in München eigentlich seine konstanteste war, hätten es noch ein paar Jahre mehr für den sympathischen Conny in München werden können. Er bleibt bei den Bayernfans auf alle Fälle unvergessen!
Zum ersten Mal Europas Fußball-Könige – großartige FCB-Geschichte – FC Bayern Total
Er war ja nur verhältnismäßig kurz in München, trotzdem eine absolute FCB-Legende.
Die Gründe seines Abgangs hätte ich nicht mehr parat gehabt. Heutzutage hätten dies Social Media & Co als “schlimmsten Fehler” der letzten 10 Jahre gebrandmarkt.