Bayernfans fordern den Rauswurf von Mazraoui

Kommentar Petersgradmesser

Es wird immer wilder: Ein ganz kleiner Teil der Bayernfans keift in der Südkurve gegen einen eigenen Spieler (Noussair Mazraoui) und die Medien können das nächste Thema ausschlachten, dem Spieler und letztendlich dem ganzen Verein schaden. Es ist ein Hexenkessel.

Was ist passiert?

In einem sehr kurzen Instagram-Kommentar – „Gott segne dich, Bruder“ – hatte Mazraoui so etwas wie Solidarität mit seinem marokkanischen Nationalmannschaftskumpel Zakaria Aboukhlal gezeigt. Der Profi von Toulouse hatte seine Teilnahme an einer Kampagne der französischen Ligue 1 gegen Homophobie verweigert. Dieser hätte wie alle Ligue1-Profis am vergangenen Wochenende in einem Trikot mit Regenbogenfarben für Spielername und Nummer auflaufen sollen. Der Marokkaner lehnte wie vier andere Spieler in der höchsten französischen Liga jedoch die Teilnahme an dieser Aktion ab. Aboukhlal erklärte dazu ebenfalls auf Instagram, dass er nicht glaube, „dass ich die am besten geeignete Person bin, um an dieser Kampagne teilzunehmen.“

Nach Noussairs Solidaritätsbekundung – zumindest wurden seine vier Worte so interpretiert – gab es beim Leipzig-Spiel in einem Bereich der Südkurve – ich selbst war so mit dem Spiel beschäftigt, dass ich es nicht bemerkt habe – ein Banner mit der Aufschrift (auf Englisch): „Alle Farben sind schön. In Toulouse, München und überall. Respektiere unsere Werte, Mazraoui.“

Nous hat seinen kurzen Post auf Instagram mittlerweile längst gelöscht. Trotzdem lassen nun zahlreiche Medien einzelne FCB-Fans zu Wort kommen, die den Rauswurf des Muslimen aus dem Verein fordern. Sein Verhalten sei „untragbar„.

Ein besonderer Scharfmacher ist dabei ein gewisser Manuel Hillwig vom FCB-Fanclub „Stern des Südens Lippe„. Bei Sport1 wettert er gegen Nous: „Das Verhalten von Mazraoui ist untragbar für uns. Für die Werte des Unterrangs in der Südkurve geht das gar nicht, also so, wie wir uns sehen und positionieren. Mazraoui hat bei Bayern nichts mehr zu suchen. Ganz klar: Wer die Werte des Vereins nicht im Herzen trägt, muss gehen. Die richtigen Fans, die im Unterrang stehen, haben keinen Bock mehr auf diesen Spieler. Da ist Mazraoui unten durch.“

Auch Markus Mayer, 1. Vorstand des Bayern-Fankubs „de rodn Waginga„, fordert einen Abgang von Mazraoui. „Er ist nicht mehr tragbar, sonst würde der Klub seine Werte, für die er steht, mit Füßen treten. Hier muss der Verein reagieren„.

Eine weitere Äußerung von Noussair Mazraoui zu dem Thema gibt es bisher noch nicht. Auch der FC Bayern sah sich bislang nicht verpflichtet, sich zu dieser Angelegenheit zu äußern. Das tue ich nun:

Ich hatte, ich habe immer noch große Sympathien für viele Aktionen der Südkurve – ich war selbst jahrzehntelang ein Teil davon. Dabei geht es nicht nur um die großen Aktionen wie die starken Choreographien, sondern auch die vielen kleinen Hilfsaktionen.

Aber einzelne Kurvenmitglieder, einzelne Gruppierungen gehen in ihren Aktionen viel zu weit. Größte Teile der restlichen – auch eingefleischtesten – FCB-Fans sind davon nur noch genervt. Diese Aktionen gehören – zumindest für mich – absolut dazu. Die Regenbogenfarben stehen für Toleranz, andersdenkenden den eigenen Willen einzubläuen, ist jedoch genau das Gegenteil.

Dieses Szenario ging für die Deutschen übrigens schon bei der Fußball-WM in Katar komplett in die Binsen. Von den deutschen Kurvenfans und den Medien jahrelang gedrängt, waren die deutschen Nationalspieler in eine (sozial-)politische Rolle manövriert worden, die ihnen sehr viel Unbehagen bereitet hatte und das Gegenteil von leistungsfördernd gewesen war. Der traurige Witz an der Sache war, dass die Kurvenfans die WM sowieso boykottiert hatten und die aufhetzenden Medien die Spieler nach deren Scheitern auf widerliche Art und Weise alleine gelassen hatten. Die Deutschen (Spieler) schienen bei ihren Aktionen völlig isoliert von der restlichen Welt gewesen zu sein – nach dem Motto: Ihr deutschen Moralapostel, lasst uns endlich alle in Ruhe mit eurem scheinheiligen Getue! Es scheint wirklich so zu sein, als ob die Welt von der deutschen Besserwisserei genug hätte. Man kann nicht immer allen den eigenen Willen, die eigenen Werte aufzwingen – auch wenn diese ganz grundsätzlich noch so gut sind. Die ganz großen Verlierer waren die deutschen Kicker, nicht zuletzt die Gallionsfiguren der „Wir lassen uns nicht den Mund verbieten„-Aktion Manuel Neuer und Leon Goretzka. Der eine verunglückte kurz darauf bei einer wag- und kopflosen Aktion im Gebirge, der andere stolpert seitdem über den Platz, wie man es von ihm nicht gewöhnt war.

Und diese Art von Deutschen (Fans) möchte jetzt einem Spieler Verhaltensweisen und dem Verein Reaktionen vorschreiben.

Was hätte es gebracht, wenn Aboukhlal bei einer Aktion mitmacht, die er selbst im Innersten nicht unterstützt? Ist ein Heuchler besser als ein ehrlicher Verweigerer? Nur um es einigen Scharfmachern recht zu machen?

Nous stand seinem Kumpel bei – und wurde dann dafür aufs Schärfste attackiert – und nun soll der Verein ihn deswegen rauswerfen? Freunde der Sonne, geht´s noch?!

Mir persönlich ist jede Art von Fanatismus zuwider, speziell religiöser – ich bin aus der Kirche ausgetreten, weil mir dort viele Dinge nicht gefallen. Trotzdem bin ich Christ, mit einem toleranten Wertesystem. Dieses vermisse ich persönlich völlig, wenn ich die meisten Muslime bei der Ausübung ihrer Religion beobachte. Aboukhlals Weigerung, an dieser Aktion für sexuelle Toleranz teilzunehmen, findet bei mir keine Sympathien, aber ich respektiere seine ehrliche offene Meinung dazu. Was mir jedoch noch wesentlich weniger gefällt, ist, wenn Teile der eigenen Fankurve als alberne Weltverbesserer auftreten, andere gängeln und die Art und Weise fast schon sektenmäßige Züge hat.

So funktioniert Mia san mia überhaupt nicht, nicht in der Südkurve, nicht in Waging, nicht in Lippe!


Update 24.05.2023

Der Beitrag war für mich ein Bedürfnis, diese eigenartigen Medienbeiträge einzuordnen. Hier wollte ich dem mir sympathischen Spieler Mazraoui beistehen, ihn (aber auch den Verein) verteidigen. Trotzdem hatte ich dabei ein gewisses Magendrücken, weil in unserer heutigen (Social) Medienwelt jeder kritische Beitrag von weit mehr als der Hälfte der Leser zerlegt wird. Jeder hat seine eigene Meinung – so ist es mittlerweile auch kein Wunder mehr, dass in Deutschland bei wichtigen Wahlen die Wahlgewinner, die stärksten Partien nicht einmal mehr ein Viertel der Stimmen auf sich vereinen können. Die mediale Verunglimpfung der früheren Volksparteien ist in diesem Kontext ebenso völlig fehl am Platz wie schlichtweg albern.

Über den riesigen Applaus für meinen Beitrag auf der FB-Seite von FC Bayern Total war ich am Anfang sehr überrascht und erfreut – auch wenn durchaus feststellbar war, dass eine kleinere Anzahl an Followern die Seite wohl deswegen entliked hat. Eine alberne Reaktion der Social Media Welt: Ein einziger Beitrag entspricht nicht meinen Vorstellungen, deswegen lehne ich eine Seite künftig total ab. Partnerschaften im realen Leben würden bei derselben Vorgehensweise wöchentlich mehrmals getrennt werden.

Die Freude über die Zustimmung zum Beitrag wich aber ziemlich schnell einem gewissen Entsetzen: Fanden die ersten Kommentare es gut, dass man Toleranz nicht erzwingen kann, folgten immer mehr Kommentare, die unsere toleranten Grundwerte, die sich auch in den Regenbogenfarben zeigen, als Meinungsfaschismus abqualifizierten. Spätestens seit der WM sollte jedenfalls klar sein: Unsere eigene Gesellschaft ist alles andere als tolerant. Andersdenkendes und -fühlendes wird nahezu brutal abgelehnt. Aber auch ein Toleranzwahn, ein Aufzwingen der eigenen (wenn auch guten Werte) ist kein vernünftiger Weg. Wenn man nicht überzeugen kann, dann muss man das leider so akzeptieren. Das geht Autoren täglich so.

Ein Kommentar zu “Bayernfans fordern den Rauswurf von Mazraoui

  1. Überragender Beitrag – spricht mir aus dem Herzen.
    Und das heutige Update schockiert doch einigermaßen. Die Gesellschaft radikalisiert sich.

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