Pro-Palästina-Post, Antisemitismus – Mazraoui rechtfertigt sich

Der marokkanische Nationalspieler des FC Bayern Noussair Mazraoui sorgte gestern mit einigen Instagram-Posts, die ihm als antisemitisch und Pro-Palästina-Statements im Krieg gegen Israel ausgelegt wurden, für sehr viel Wirbel im Internet. Ohne Genaues über die Hintergründe zu kennen, ist eine Welle der Empörung ausgebrochen. Wie in solchen Fällen üblich, machen sich sofort einige Scharfmacher unter den FCB-Fans in der Form wichtig, indem sie den eigenen Verein reflexartig zum Rauswurf des bekennenden Muslim auffordern. Nous hat nun zu der Angelegenheit Stellung genommen und zeigt sich selbst enttäuscht über die Reaktionen.

Was dem 25-Jährigen zum Vorwurf gemacht wurde, war gestern auf jeder einzelnen Sport- und Boulevardseite zu lesen. Es war ein Plagiatfestival und erstaunlich viele scheinen sich bestens darin auszukennen, ziemlich kryptische Koranverse exakt deuten zu können.

Gestern Abend rechtfertigte sich Mazraoui dann bei der BILD: „Zunächst einmal möchte ich sagen, dass es wirklich enttäuschend ist, dass ich mich erklären muss, wofür ich stehe. Es gibt da draußen eine Situation, in der Tausende von unschuldigen Menschen ermordet werden. Mein Standpunkt ist, dass ich mich für Frieden und Gerechtigkeit in dieser Welt einsetzen werde. Das bedeutet, dass ich immer gegen alle Arten von Terrorismus, Hass und Gewalt sein werde. Und das ist etwas, hinter dem ich immer stehen werde.

Der Bayern-Defensivspieler kann nicht verstehen, warum er mit hasserfüllten Gruppen in Verbindung gebracht werde. „Heute geht es nicht darum, was ich denke oder was du denkst, unschuldige Menschen werden täglich getötet, durch diesen schrecklichen Konflikt, der aus dem Ruder gelaufen ist. Wir müssen alle dagegen sein und uns dagegen aussprechen. Das ist einfach nur unmenschlich“.

Mazraoui betont weiter, dass es nie seine Absicht gewesen sei, „jemanden bewusst oder unbewusst zu beleidigen oder zu verletzen“.

Es ist klar, dass sich der Marokkaner gegen den Rachefeldzug der israelischen Armee im Gazastreifen gegen die Hamas richtet, bei dem über eine Million Zivilisten extrem leiden müssen, darunter viele Kinder, Frauen und alte Menschen. Unter ihnen gibt es bereits eine riesige Anzahl an Toten zu beklagen.

Natürlich kann und muss man dem Bayernspieler vorwerfen, dass er in diesem Kontext nicht ausdrücklich den feigen, widerlichen und brutalen Überfall der Hamas-Terroristen verurteilt hat. Das hängt aber sicherlich auch mit seiner Erziehung zusammen: Wer sich in Ländern wie Marokko oder Ägypten über die dort verhassten Zionisten unterhält, muss über den tief verwurzelten Hass erschrecken, der sich in dieser Region und der gesamten arabischen Welt breit gemacht hat.

Wer allerdings im wunderschönen – landschaftlich und kulturell – Land Israel mit vielen großartigen Menschen – einmal am Gazastreifen vorbeigefahren ist (von Eilat kommend Richtung TelAviv), der erschaudert ebenfalls: Ein riesiges Konzentrationslager eingekreist ausgerechnet von Juden und Israelis! )*

Und laut neuesten Informationen machen 86 Prozent der Israelis selbst die Politik der rechtsradikalen Regierung um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu für das brutale Massaker der Hamas-Terroristen zumindest mitverantwortlich.

Als geschickter Politiker wird Noussair Mazraoui sicherlich nicht in die Geschichte eingehen, aber man sollte sein Handeln und seine Statements in den richtigen Kontext einordnen. Was man sich in dieser bitteren Situation – nicht nur – als FCB-Fan extrem wünscht: Nous und der israelische Neuzugang Daniel Peretz sollen versöhnlich aufeinander zugehen und vielleicht mit einem gemeinsamen Statement ein Zeichen setzen.

Teile der FCB-Fanszene machen sich übrigens für eine menschenwürdigere Aufnahme von (noch mehr) Flüchtlingen aus muslimischen Ländern wie Syrien stark. Damit holt man sich Antisemitismus mit der Muttermilch ins Land – um dann im selben Atemzug über einen wachsenden Antisemitismus in Deutschland zu klagen. Irgendwie naiv.

Und weil wir in diesem Kontext schon einmal bei den Anhängern des FC Bayern sind. Unter den Kommentaren eines Beitrags einer FCB-Seite über Mazraoui hat sich gestern einer besonders hervorgetan:

Mazraoui gehört sofort suspendiert, kein Spiel mehr für Bayern! MAZROUI kennt wohl nicht die Geschichte von Bayern und Landauer! Er kann seine Meinung haben, aber nicht öffentlich präsentieren! … aber gerade er als Moslem, der bei einem nachweislichen Judenverein angestellt ist … No-Go bei gerade FC Bayern, gegründet von Kurt Landauer, Jude! … Du brauchst ja nur den Satz lesen, den er gepostet hat, religiöser Hass und Hetze! Und das in einem Zusammenhang mit Israel, dem Volk des Vereinsgründers Landauer!“

Dafür bekam er ausschließlich Zustimmung und Beifall. Kein anderer (Bayernfan), auch nicht die Seitenbetreiber haben ihn bei seinen zahlreichen Falschinformationen gestoppt. Ein anderer Neunmalkluger ergänzte:

Es wäre Aufgabe des Vereins, seine Spieler auf die Historie des Vereins hinzuweisen.“

Fangen wir doch lieber bei den eigenen Fans, die zumindest wichtige Teile der Vereinshistorie kennen sollten, an:

Kurt Landauer zählte keineswegs zu den 17(!) Vereinsgründern des FC Bayern, von welchen bei der Gründungssitzung am 27. Februar 1900 im Café Gisela elf anwesend waren. Als Landauer im Juli 1884 in Planegg bei München geboren wurde, gab es noch sehr lange keinen Staat Israel. Der Kurt war ein stolzer Münchner, ein Urbayer, kein praktizierender Jude. Als Israel im Mai 1948 gegründet wurde, hatte er keine Pläne dorthin zu gehen. Er wäre über den heutigen Staat Israel mit der Regierung Netanyahu traurig und entsetzt.

Nachweislicher Judenverein FC Bayern„? Die Nazis haben den FCB so tituliert und verunglimpft. Tatsächlich hatte der FCB zwar bis zur Machtübernahme der Nazis mehr jüdische Mitglieder als die meisten anderen Vereine, aber gemessen an der Gesamtmitgliederzahl war der Prozentsatz der Juden nie im zweistelligen Bereich.

FC Bayern Total bietet sehr viele Beiträge zur Vereinshistorie, die leider wenig Beachtung finden. Und genau deswegen kommt dann so ein schreiender Blödsinn dabei heraus. In diesem Kontext nun zu empfehlen:


Anmerkung 26.10.2023

Der Beitrag wurde mittlerweile von vielen Tausenden gelesen. Nicht einmal eine Handvoll davon echauffiert sich über den Satz „Ein riesiges Konzentrationslager eingekreist ausgerechnet von Juden und Israelis!“, in dem die Situation der Palästinenser im Gazastreifen beschrieben wird.

Der Autor dieses Beitrags ist selbst an dieser extrem traurigen Zone vorbei gefahren – der absolute Tiefpunkt in einem ansonsten wunderbaren zweiwöchigen Urlaub in fast ganz Israel. Während der Autofahrt hatten mein Beifahrer und ich ein extrem beklemmendes Gefühl in der Magengegend und beide fanden wir simultan diesen Ausdruck. Und seitdem ist die Situation dort wohl eher um ein Vielfaches schlimmer als besser geworden! Unabhängig von meinem eigenen Gefühl habe ich diesen Ausdruck von vielen anderen gehört.

Der Begriff des Konzentrationslagers wird natürlich nicht in der Form der KZs von 1933-45 verwendet, sondern allgemein, im Sinne von riesigen Internierungslagern, in welchen eine riesige Menge an Menschen eingepfercht, gefangen, konzentriert ist. Die Menschheitsgeschichte umfasst nicht nur zwölf Jahre!

Dass ausgerechnet Israel dem palästinensischen Volk diese Demütigung, diese Erniedrigung antut, ist in Anbetracht der schrecklichen Historie von vielen Juden völlig unverständlich, im Grunde genommen ein Skandal. Wer das nicht verstehen kann oder will, ist selbst entweder ein fanatischer Zionist oder völlig ohne Empathie.

Veröffentlicht von fcbayerntotal

Admin und Autor von FC Bayern Total

3 Kommentare zu „Pro-Palästina-Post, Antisemitismus – Mazraoui rechtfertigt sich

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